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Literatur

04.2


Gedichte

Balcke Ernst




Die Sommertage noch im Herbst

Das ist das Wunderbare dieser Tage,
daß sie uns rühren wie geliebter Kranker
Genesungen und Wieder-blühend-Werden.

Wie wenn ein Vogel, der den Sommer lang
die süßen Lieder seines Lebens sang,
noch einmal sich aus dem Gebüsche höbe.

Wir aber meinten, daß der feuchte Wind
des ersten Herbstes ihn schon längt getragen
zu warmer Länder goldenen Gestaden.

Und doch ist dieser letzten Tage Gold
so müde uns, als wenn ein letztes Echo,
das tot wir glaubten, plötzlich sich noch einmal
in einem tiefen, fernen Tal entschleiert
und unsere fast vergessenen Rufe rollt.

Das ist wie  Sonnenlicht auf ganz verfallenen
Gemäuern düstrer Burgen, das den Ruhm
der großen Zeit aus seinen Winkeln weckt,
den Gang der Frauen an hellen Märzentagen,
die ganz verlorenen Kläge alter Harfen
und eine Bangigkeit vor diesem Leben.

Herbst

Du letzter Herbsttag willst nun auch vergehen!
Mit Deinen seidenweichen, goldenen Schwingen
umglühst zum letzten Male Du die Erde,
und müde blickt in ihren tausend Farben
die dunkle Welt zu Deinem Glanz empor.
Die Sonne nimmt von Bergen, Tälern, Matten
mit leiser Hand die letzten Strahlenkränze,
und aus der Tiefe steigen finstere Schatten,
den schweren Mantel langsam nach sich schleppend.
Und dunkler immer werden schon die Risse,
die steilen Kanten jener fernen Berge,
die eben noch in eisenharter Schärfe
und sicheren Linien Erd' und Himmel trennen. -  -

Ein kalter Ostwind hat sich jäh erhoben
und pfeift in eisigen Stößen wild dahin,
die Erde hart aus ihren Träumen rüttelnd.
Dem dürren Laub entsteigt ein leises Klagen,
um alle Bäume schwirrt ein lauter Schrei,
Die Blätter fliehen rastlos hin gen Westen.
Der Erde welker, hingestorbener Staub
folgt ihnen wirbelnd in gedrängter Eile. - -
Und zitternd beugen ihre starren Kronen
die kahlen Bäume, ihren letzten Gruß
der letzten Herbstessonne übersendend. -

Auch ich, ich neige Dir mein müdes Haupt,
laß meine Haare Dir entgegen flattern.
Ich will die Nebel nicht, die Wolken schauen,
die, dicht geflochten, dort aus grauer Ferne
in langen Flechten nah und näher rollen.
Ich will nicht sehn, wie hinter mir die Not
und Sorge heimlich sich die Hände reichen,
um mich aus meinem herbstlich-sonnigen Glück
in ihren dunklen, finsteren Ring zu ziehen.
O heute will ich noch die Sonne schauen,
noch einmal ihren goldenen Strahl genießen.
Ich will nur einmal noch mit heitrem Herzen
und heitrem Munde lachend Dich dort grüßen,
Du, Licht und Sonne, segnend Leben gebend. - -
Ihr Blätter eilt zu ihr in schnellem Fluge,
Ihr Zweige schüttelt Eure morsche Kraft
in leichtem Staub der Scheidenden entgegen! -
Nur einen Augenblick. - - -
Ich geh' mit Euch. - -


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Herbst

Saug ein, mein Mund, dies Sterben und Verwesen
der faulen Blätter Dünste trink in Dich,
ich will an diesem Sommertod genesen,
befreien will von all Licht ich mich.

Aus dem verdörrten Laube steigt das Dehnen
in meinen Muskeln, von den leeren Zweigen
regnet auf mich All-Klarheit und All-Sehnen,
und Kraft und Tollheit aus den Winden geigen.

Frisch auf, mein Herbst, entbundener Schmerz des Lebens,
Du Träger meines Seins, ich will Dich rächen:
wie Du Dich rächst am Gut des Sommersegens,
will ich die Formen meines Glücks zerbrechen!

Fahr in das Schilf, zerbrich, was Sonnenstunden
und süßes Reifen in die Welt gebaren,
gieß Deinen Wein in meiner Seele Wunden,
Dich will ich, Herbst. Die Sommersonnen w a r e n!

Aus Deinem Sterben stampf ich neue Dinge,
gib mir, ich flehe, gib mir Deine Mächte,
dann werd' ich, was ich will: die Vogelschwinge,
die stolz entschwebt ins Grau der Winternächte.

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Winter

Und plötzlich ist in einer Nacht des Winters
entloses Lilienfeld emporgesprossen,
wie Riesenmohn hängt rot die Sonne drüber,

Wie eine süße Nymphe in Narzissen,
auf die verliebt der dicke, rote Schädel
sich des vernarrten Faun herniederneigt.

Gleich einem Schwan, der auf dem breiten Rücken
die rote Rose trägt der Königin
als Zeichen ihrer Liebe dem Geliebten.

Wie ein Gemach, darin die weißen Kleider
der Braut am Boden keusch und einsam ruhn,
indes die rote Ampel träumt und lächelt. -

Wie eine Mutter, fiebernd, aus den Kissen
die Arme schlohweiß, starr emporgereckt,
das Neugeborene auf den Händen wiegt.

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