lifedays-seite

moment in time
   Literatur



 






Gedichte
Lisa Baumfeld

________________




Mondschein



Mit mondesweissen, drängend tiefen Blicken
Starrt mich die blasse Herbstnacht fragend an.
— „Was ist's? Was ist's, dass du wie sonst nicht beben
Und weinen, lächeln, träumen kannst wie sonst?
Nenn' mir dein Weh! dass ich die rothen Schmerzen
In weissen Wohllaut liebend lösen mag!
Mir sprachen viele — oft von ihren Schmerzen —
Nenn' mir dein Weh!“
                              O, weisser, weiter Mond!
Das ist's, was mich zum wilden Wahnsinn hinpeitscht,
Dass ich den eig'nen Schmerz nicht nennen kann . . .
Ist's matter Glieder schlaffe Körperfessel?
Ist's Herzenstod und Herzensleichenfrost?
Ich fühl's so kalt in allen Fasern rieseln,
Ich fühl's erstickend die Gedanken pressen,
Ich fühl', wie's mich zerquält, zernagt, zerfrisst . . .
O Gott! hat diese Krankheit keinen Namen?!
Und manchmal kommt mich grelles Lachen an,
Weil alles Selbstbetrug ist . . . Wahn . . . Erfindung . . .
Mein ganzes Weh ist Lüge . . . Lüge . . . Lüge . . .
O, weisser Mond! Ich halte keuchend ein.
Du träumeschweres, fremd-vertrautes Räthsel
. . . Weisst du, wie blass die Tuberose war?
In ihrem Kelch die nervenkranke Seele,
War sie gewoben nicht aus Mondenschein?
— — . . .
O, weisser Mond! und warum schwand'st du damals?
Was hast du mich nicht todt geküsst zuvor?

zurück

Lebensblut

 

. . . Ich aber will essen vom heiligen Leibe
Und saugen aus heiligem Becher das Blut,
— Woraus mir in rothen, erschütternden Dämpfen
Des Lebens Bedeutung entgegenflammt . . .
— An dessen Entglüh'n jener Nebel zerschmilzet,
Der Linien verwischt und uns Farben verlöscht,
Der Klänge erstickt und uns tödtet die Düfte,
Und alles so grau macht und matt und alltäglich,
Trostlos alltäglich . . .
 
                             Ich aber will saugen
Aus heiligem Kelche - des Lebens Bedeutung:
Dass festlich mir aufstrahlt die sonnige Höhe,
Dass heimlich die wissende Tiefe mir raunt,
Dass mich umbrause, in schwellenden Chören
Der hellentzündete Rhythmus der Farben, —
Die weichen Harpeggien verklingender Linien,
Und tausend verhuschende, wolkige Düfte,
Und all das Weite, das Räthselblaue . . .
 
Das stürzt so verwirrend mir über die Seele,
Das spannt ihr so straff all die zuckenden Fäden,
Das schwellt sie mit Leben - mit schwerem, genoss'nem —
Bis ihr alle Fasern so schmerzlich gefüllt sind,
Dass sie zerreissen . . . im Übermass . . .
 
O, seliger Tod! berauschet am Becher,
In dem das lebendige Leben glüht!


zurück

Schweigen
 
 

. . . Und rings das Schweigen . . . tödlich schweres
                              Schweigen,
Als wär' der stumme, blasse Lebensgeist
So straff geschwellt mit lauten Schmerzensworten,
Dass er daran erstickend würgt und schweigt.
Er ringt in mir nach Athem, keucht danach,
In einen gellen Schrei zu pressen all
Das stumpfe Elend . . .
                              Einen Schrei, der klirrend
Die Seelenfasern auseinandersprengt,
Dass mir die blonde, traumumwehte Psyche
Verhauchend aufgeh'n darf im blauen All . . .
. . . In kühler Kelche Duft sich wiegend,
In leisem Wohlklang weich sich schmiegend,
Endlich befreit . . .!


zurück


Todtenwacht
— „und dass ich das Schmerzlichste sage —„ (Heine)


Ich hab' solange Todtenwacht gehalten
An der geliebten Bahre; — tausendmal
Geschluchzt auf wunden Knien, beim lieben Sarge,
Und aus den Thränen stiegen fackelgleich
Viel weisse Flammen auf . . . und banger Weihrauch
Drang wolkig auf . . .
                           Ich kniete nächtelange
Und schmerzlich webte ich das Todtenkleid,
Und webte es aus Fetzen meiner Seele . . .
. . . Drum klebt viel blasses Blut dran —
                           Nächtelang
Hab' ich gekniet an dem geliebten Sarg . . .
Drin lag des lieben Gottes liebe Leiche. —

zurück

Qualen



Sieh', ich verdurste! all mein Wesen lechzet
Nach deiner Seele, deinem tiefsten Selbst!
Du bist mir jetzt so quälend fern geworden!
Ich will mich fest in deine Seele saugen,
Ich will, ich muss all deine Thränen schlürfen,
Muss mich ertränken in dem fremden Ich.
Es drängt mich fiebernd aus mir selbst hinaus:
Der eig'nen Psyche aufgepeitschte Fluten
Will ich . . . muss ich zu Füssen dir verbluten!


zurück

Spleen



Ich war zu lang bei Todten . . .
                                        O, so lange
Lag seine blasse Hand auf meinem Blick,
Dass fahle Schleier auf die Erde fielen —
Und alles ward so fern und schwer und todt.
 
Ich war zu lang bei Todten . . . O, ich lechze
Nach neuem Leben, neuer grüner Luft,
— Vielleicht nach feuchten, weissen Hyacinthen
Mit ihrem quälend süssen Seelenduft —
Vielleicht nach feuchten, silbergrauen Tagen . . .
 
Die Erde starrt so trostlos matt empor.
Vereist sind ihr die heissen Liebesverse,
Sie hüllt sich fröstelnd in ein weisses Lied . . .
Das bleiche Winterlied . . . das Lied der Menschheit . . .
Da plötzlich huscht ein laues Weh'n dahin,
Und in der Luft, der herbgeschwellten, zittert
Ein ahnungsbanges, ungesproch'nes Wort,
So tief, so seltsam . . .

                               O, ich sehne mich
Nach dämmerweichen, scheu verschwieg'nen Tagen
Mit lindem Rieseln, das hinunter strömt
Viel neue Glut und neue Frühlingskelche,
Und lispelndes Verheissen, ach und all
Die süssen, lichten, ew'gen Frühlingslügen . . .


zurück

Weisse Nelken


Du weiche, duftig-schwüle Blüte,
So seltsam nah mir und vertraut,
Als ob ein Hauch mir im Gemüthe
Wie Wehen deines Athems thaut'!
 
Dein Hauch ist drängend heisses Quälen,
Wie es mich selbst so wirr durchbebt . . .
. . . Kennst du die Mär der Kinderseelen -
Der Seele, die in Blumen lebt. —
 
Und die, erwacht zu Daseinsschmerzen,
Noch Blütenodem mit sich bringt,
Dass es ihr oft im tiefsten Herzen
Wie duftiges Erinnern klingt . . .?
 
Wenn ich dich schau' . . . in halbem Bangen
Denk' ich der schaurig-süssen Mär . . .
Hab' ich von dir das Glutverlangen
Von dir die kranke Seele her . . .?

zurück 

Matt


Und Nelken, die freudigen, glutenden,
Und Rosen, die liebenden, blutenden
Sind mir zu laut . . .
Mich schmerzt das gelbe Sonnenlicht,
Das jäh in braune Träume bricht
. . . So gelb und laut!
 
Und Nächte will ich . . . flüssig . . . lind,
Wo alles lau in Duft zerrinnt
Und leise Stimmen hat . . .
Und Schlummer, der mich blau umschwebt
Und von Vergessen ist durchwebt — —
Ich bin so matt . . .

zurück

Erstarrt


Gebannt in dumpfes Nichts lag meine Seele.
 
Rings flammte Lieb' und Sommer in den Kelchen,
Rings blühten duftig die Gedichte auf . . .
Doch meine Seele schlich erblindet, träge
Und todt— durch goldigblonde Rhythmen hin . . .
Durch aller Räthsel ahnungsvolles Raunen
Gespensterkühl . . . matt und verständnislos.
 
Gebannt in dumpfes Nichts lag meine Seele.
 
Da kam ihr plötzlich . . . langersehnt. . . der jähe
Urtiefe Schmerz, der sie befreien soll.
Er soll mit Blitzesbrand mein Herz erschüttern,
Er soll versengen, dass aus grauem Schutt
Die neue Blüte blass und düfteschwer
Emportaucht . . . Endlich! weine, meine Seele!
 
Sie weinte nicht . . . die schweren Flügel zuckten,
Dann stöhnte sie ein wenig und sie schwieg . . .
 
Es kam kein Blitz . . . Nur Kälte . . . Kälte . . . Kälte . . .
Dass alle Thränen ihr in Eis erstarrt . . .

zurück

oben

 weiter



   lifedays-seite - moment in time - literatur