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04.2
Erlebte Gedichte
Otto Julius Bierbaum
Frühling
Lachender
Himmel. Es ziehen
gemächlich
schaumige
Schäfchenwolken
darüber, Sonnen-
scheinschimmer
durchflutet
die Luft. Maien-
grün,
die reine feine
Jungfernfarbe der Natur,
lächelt
bräutlich hold und
heiter von Millionen
leise
schwankenden,
zierlich auf- und nieder-
schwebenden
zarten
Blättern.
F r ü h l i n g!
Welch
ein Glanz ruht auf der Wiese, O,
du
lockendes, leises
Klingen über der ruhig
blühenden
Schönheit!
Hoffnung weht mir in
die
Seele friedvoll bewegt.
Weich umhaucht
mich
Wärme der Liebe, wie
der Athem des
bebenden
Mädchens, das den
schlummernden
Freund
an die wogende,
heisse sehnsuchts-
volle
Brust, leise sich
überbiegend, presst. O,
Fülle!
Fülle! Drängende,
treibende Fülle des
Glücks!
Eben, eben noch
klang die Klage,
klang
die Klage um
Heissbegehrtes, Schön-
heitstrahlendes,
Grosses,
klang die Klage um
das
Geheimste,
Herzerfüllende, Heiter-Heilige
mir
im Herzen. Nun, im
grünen Blätter-
schwanken,
nun, im blauen
Himmelslächeln,
nun,
im goldigen
Sonnenstrahlen ist mir schnell
das
Glück geworden, Glück
im Schönen und
im
Schauen werdender
Schönheit. In mein
Auge
strahlte das Glück,
mir im Herzen hebt
es
die Flügel, ach, du
lachendes, lustiges Ding,
lustiges,
lustiges Ding!
Meine Arme breite
ich
aus: Glück! Glück! O
könnt ich es
allen,
allen Menschen
schenken, allen Men-
schen
im drückenden Joch,
allen Menschen
mit
krampfendem Herzen,
allen denen, die
im
Hochflug ihre Flügel zur
goldenen Sonne
breiten
möchten und im
Schmutz harter
Noth
sich mühen müssen, -
aber denen,
denen
zuerst, deren Herzen
liebemächtig
selbst
in Kümmerniss
gütevoll, milde, still in
treuer
Neigung schlagen:
dir zuerst d’rum, o
du
mein braunes, scheues
Rehaug’. O du
Gute,
Gute, Milde! Ob auch
im Herzen das
Glück
mir lacht, lacht und
tanzt, das lustige
Ding:
dein muss ich denken,
traurig, dein und
deines
gütigen wehevollen
Blickes.
zurück
Fund
Was das doch war? In
einem
alten
Notizbuch
windig
hingekritzelt fand ich
Dies
schnurrige Versvolk:
„Im
gelben Schlafrock mit
rothen Quasten
Kommt
mir entgegen die
Kleine mit Würde.
Und
sie klappert mit blauen
Pantöffelchen,
Die
mit Silber und Golde
gestickt sind.
Aber
trotz dieser höchst
kostspieligen
Ausstattung
und trotz
meines schäbigen
Exterieurs
fällt mir um den
Hals gleich
Diese
seidene
Schönheitskönigin“ . . .
Die
Verse sind so
verzweifelt schlecht,
Dass
es mir scheint: das
Ding ist echt . . .
Was
es nur war . . .?
zurück
Alter
Glückszettel
Zwischen
Hetzen und Hasten,
In
Lärmen und Lasten,
Von
Zeit zu Zeit
Mag
gerne ich rasten
In
Nachdenklichkeit.
Fliege,
mein Denken,
zurück, zurück,
Suche,
suche: in heimlichen
Ecken
Dämmerbrauner
Vergangenheit
Mag
wohl von verklungenem
Glück
Blinkend
ein Blättchen stecken
. . .
Und
ich suche in meinem
Andenkenkasten.
Zwischen
Bändern und
Briefen,
Die
lange schliefen,
Aus
trockenen Blumen und
blassen Schleifen
Will
ich mir was Liebes
greifen.
Da
fand einen Zettel ich,
bleistiftbeschrieben,
Der
hat mir die Wärme ins Herz
getrieben.
Was
stand denn da?
Von
meiner Hand:
„I
mag Di gern leid’n. Du:
Magst Du mi aa?“
In
schmächtigen Zügen
darunter stand:
„Ja.“
In
Lärm und Last
In
zager Zeit
War
mir ein Gast
Aus
Glückseligkeit
Dies
kleine „Ja“ der
Vergangenheit.
zurück
Die
Purpurschnecke
Wie
eine Schnecke, träge,
langsam, schleicht
das
Glück“ . . .
Mit
wartendem, klopfendem Herzen steht
der
Mensch und breitet in
Qual und Angst
die
Arme aus und schreit
zum Himmel: „Oh
komm,
komm endlich, löse
mich, löse mich
aus
Fesseln und Banden, -
ein Glüches-
lächeln,
ein einziges nur,
es würde mein Herz
erwärmen
mit lachendem
Leuchten, wie Maien-
sonne
nach Winters Frost
die starre Erde!“ . . .
Er
wartet und fleht lange, lange, und müht
sich
ab im Geschirr des
Lebens, und keucht
und
keucht, gebunden,
gepeitscht, - - möchte
vorwärts:
hinauf! hinauf!
wo es strahlt und
lächelt
das Schöne, Ruhige,
Klare, immer
Ersehnte
. . .
Aber
das Glück, kein stürmischer Engel,
ach,
kein gütig gewährendes
Weib, aber das
Glück,
die purpurne
Schnecke, rückt nur
mühsam,
in langen Fristen,
wenige Schritte
vor
.
. . und ihre träge
gedrehten Fühler
tasten
kalt an eine starre,
augenleere Leiche
im
Grabe.
Verfluchte
Schnecke, o faules Glück!
Indess
du deinen
schleimigen Weg lautlos
vorwärts
schlichest: da
stob, brauste, wütete,
raste
mit Heulen, gewaltig
schnelle, mit Sturmes
Mächten
von allen Seiten
die Schaar der
Furien
los auf den Armen.
Die dürren Weiber!
Die
dürren Weiber!
Hexengestöber, grimmig
jauchzendes
. . .
Mit
ihren Geisseln schlugen sie ihn, mit
ihren
Schlangen schreckten
sie ihn, mit ihren
modrigen
Blicken trieben
sie ihn durch bange
Verzweiflung
und
Wahnsinnsnacht in den
Tod.
Ein
gehetztes, verendetes Wild – im
Grab
stumm liegt er nun: im
Nichts, im
friedevollen,
unbelebten
Nichts ward ihn das
Glück
. . .
Die
dunkelrothe Purpurschnecke kriecht
über
sein Grab, lautlos . .
.
zurück
Frei-weg
Ein
Kettenschleppen,
Ein
müdes Keuchen
Mit
schleifenden Füssen,
Den
Nacken gekrümmt:
Das
ist das Leben
Der
Herdenmenschen.
Gottesfurcht,
Menschenfurcht,
Sorgen,
Aengste,
Dumpfe
Beklemmungen
Vor
den plumpen
Erdengewalten,
Kalte,
niederdrückende
Scheu:
In
zahllosen
Schreckensbildern
Hält
es in lastendem Banne
das Herdenvieh.
Aber
der freie Mensch,
Leuchtenden
Blickes
Schreitet
er aus mit
fröhlichen Schritten,
Offenen
Armen,
Ueber
die Stricke der
falschen Sitte,
Ueber
die Stachelgehecke
der Furcht,
Ueber
die Pfützen gemeiner
Zufriedenheit,
D’rin
sich säuisch
überglücklich,
Angewärmt
von eigenem
Unflath,
Brave
Philister sühlen.
Einsam
schreitet er,
Froh
allein,
Mit
freiem, kräftigem
Athemzug,
Sicher
im Ziel, von der
Gluthenleuchte
Klar
geführt, die im Herzen
ihm brennt.
Vorwärts,
vorwärts,
Mitten
durch stickige
Dunkelheit
Heller
Wahrheit entgegen.
zurück
Segenschwerer
Traum
Mein
Acker wogt, mein
Weizen blüht . . .
Die
Sonne scheint mir ins
Gemüth . . .
In
Ballen flieht der Sorgen
Qualm . . .
Gedichte
spriessen Halm an
Halm . . .
Es
wellt der Hoffnung
Wiesengrün . . .
Der
Liebe Sphinxaugen glühn
. . .
Ein
schmerzlich Glück,
duftwolkenschwer,
Drängt
dunkelsammtenblau
sich her . . .
Und
droht mir schwülend ins
Gemüth . . .
Mein
Acker wogt, mein
Weizen blüht . . .
zurück
Ernste Mahnung
Deine lachenden Augen
ruhen
auf mir
Sonnenscheinwarm
und
trösten mein Herz;
Dein
kleines Grübchen der
rechten Wange
Macht
lustig mein Herz,
denk’ ich blos seiner;
Dein
rascher Schritt belebt
mein Auge
Und
spendet Flügel meinen
Gedanken;
Dein
Schelmenkinn dünkt
mich so witzig
Wie
zehn französische
Komödien
Und
dreissigtausend
urgermanische;
Deiner
Lippen geschwungener
Liebesbogen
jagt
Kusswild auf in meinem
Herzen
(Ich
denke Du findest das
Bildchen zierlich)
Und
wenn Du sprichst,
schwillt auf mein Fühlen,
Dann
bin ich selig ganz,
ganz selig,
Die
Engel im Himmel dann
hör’ ich ja singen!
Aber
nur eins, mein
Mauserl, bitte,
Eins
vermeide, - es macht
nervös mich -,
Sprich
mir nicht das
Hauptwort „Heirat“,
Dieses
Hauptwort klingt so
ledern,
Wie
ein ganzer Leitartikel,
Und
ich hasse sehr
dergleichen.
zurück
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