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04.2
Erlebte Gedichte
Otto Julius Bierbaum
Schön
ist die Dämmerung,
die im Walde webt,
Leise,
leise schwebt sie
nieder
Durch
Zweiggewirre und
Blättersäuseln,
Ein
duftgewobener Schleier
vom Himmel.
Verhallendes
Zirpen, Summen
und Wispern
Verklingt
in schläfrigem Blätterrauschen
Müde,
lauschig.
Hoch
in den Lüften der
steigende Vogel selbst,
Das
Dunkel schauend, das
sich mächtig
Ueber
die Fluren breitet,
kehrt
Nieder
zum warmen, wohligen
Neste,
Duckt
sich und schlummert.
Leise
hauchend weht der
Athem der Nacht
Aus
Millionen Kelchen
wundersüsse,
Welche
Gerüche.
Die
schwanken und
streichen,
Breiten
sich, spreiten
sich,
Wogen
und wanken
Weithin
über die Gräser und
Blüthen,
Umduften
mit Träumen
geruhig und sanft
Die
dunkle Erde.
Ein
sammtenes Grau hebt
sich in Nebeln,
Goldene,
letzte Sommeraugen
Blicken
scheidend noch
einmal milde
In
den mälig schlummernden
Wald.
Oh
schön, ja himmlisch
schön und beglückend sind,
Wundersam
selig die
Dämmerungszauber
Im
Abendwalde.
Aber
schöner noch,
wahrlich, schöner und gütiger
Bist
du, oh Dämmerung, wenn
du barmherzig
Herabsteigst
in die
russigen Strassen
Qualvollen,
hastigen
Stadtgewirres,
Wenn
du freundlich öffnest
die qualmigen Säle,
In
denen arme Menschen
eisern
An
schmutzige Frohne freudebar,
hoffnunglos
Ewig
gefesselt.
Vor
deines weich
mattgoldenen Blickes Strahl
Stockt
der Maschinen
Knarren und Keuchen,
Und
aus dem düsteren
Sklavenauge
Bricht
es wie schimmernder
Dank der Erlösung.
Freiheit
auf wenige
Stunden nur schenkst du,
Aber
doch Freiheit,
jubelndes Regen
Zwangentfesselten
Menschenherzens,
Hochaufbrausenden
Lebensdranges,
Der
aus gepresster, lange
gequälter
Menschenbrust
lohend
gewaltig herausschlägt,
Sehnend,
sehnend nach
edler, reiner,
Gütiger
Menschenliebe
treibt.
Hoffnung!
Liebe! - - Oh du
barmherziger,
Milder,
leuchtender
Dämmerungszauber!
Giesse
der Hoffnung selige
Wärme,
Giesse
der Liebe lachendes
Leuchten
Gnädig
aus in die armen
Herzen
Glückenterbter,
hassumfrosteter,
Elender
Menschen!
zurück
Traum durch die Dämmerung
Weite
Wiesen im Dämmergrau;
Die
Sonne verglomm, die
Sterne ziehn;
Nun
geh’ ich zu der
schönsten Frau,
Weit
über Wiesen im
Dämmergrau,
Tief
in den Busch von
Jasmin.
Durch
Dämmergrau in der
Liebe Land;
Ich
gehe nicht schnell, ich
eile nicht;
Mich
zieht ein weiches,
sammtenes Band
Durch
Dämmergrau in der Liebe
Land,
In
ein blaues, mildes
Licht.
zurück
Sonntagmorgen
(An Gabriel Max in dankbarer
Verehrung)
Durch den breiten
Fensterbogen
Blick' ich hinaus in stürmischen Frühling.
Grobgraue Wolken in dicken Flocken
Schieben sich drängend über das bleiige
Blau des Himmels, schwarze, geballte
Wolkenfäuste drohend voran.
Unten der Sturm faucht in das junge Grün
Wie eine gierige Löwenkatze,
Zaust die buschigen Wipfel, rauft,
Zerrt in den zitternden Locken des Laubs.
Steinern starr, spitzig schlank,
Ragt im grünen Sturmgeschwank,
Schnörkelblütig, rankenumklettert,
Keck in die Höh' zu den jagenden Wolken,
Hochaufreckend ein goldenes Kreuz,
Der gothische Thurm.
Und es klingt durch den Sturm
Vom Thurm herab,
Dunkeltönig, wellig, breit,
Dumpf, ernst, tief
Kirchengeläute:
"Kommt - kommt, kommt - kommt,
Gott - ruft, Gott - ruft -
Der
Sturm stösst weiter, die Glocke verklingt,
Die
Wolkenfäuste spreizen die schwarzen,
Knolligen
Finger: Der Regen träuft.
Da schweigt der Sturm.
Ein Nebelgespinnst, eintönig grau,
Schwankt vor dem Fenster.
Leises Rieselrauschen flirrt,
Frische Düfte athmenden Lebens
Kühlen herein.
Und ferne, ferne, über dem Mosaik
Des langen Kirchendaches (ein Messgewand,
Steif golden hangend von Priesterschultern)
Thut lachend ein blaues Himmelsauge
Sich heiter auf.
Fröhlichen Lichtes ein kleines, blaues
Flämmlein, blinzelt es liebenswürdig
Und ein wenig malitiös
Ueber das protzige, fromme Dach,
Lacht und leuchtet, lacht und leuchtet,
Und wird grösser im Lachen und Leuchten,
Und unermesslich gross
- Gottes Auge! -,
Wie die dumpfen Kirchenglocken
Heimwärts bimmeln ihre Heerde:
"Geht - geht, geht - geht!
Fromm - fromm, fromm - fromm,
fromm
. . . . ."
Heiter
milde lacht das grosse,
Blaue
Gottesauge.
zurück
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