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04.2
Erlebte Gedichte
Otto Julius Bierbaum
Nachtfahrt
im Frühling
Die
keuchende Schlange der
Schnelligkeit,
Der
Dampfzug, schiesst
durch die Frühlingsnacht.
Im
süssen Erwachen aus
kalter Ruhe
Aufathmet
die Erde,
feuchtwarme Winde
Schwellen
sehnsüchtig,
breit ausschwebend
Ueber
die Fluren.
Blinzelnde
Lichter gucken
freundlich,
Schalkhaft
gemüthlich und
wie erstaunt,
Aus
stillen Dörfern.
Jetzt
sitzen sie dort am
Abendtische
Und
tauchen mit schwieliger
Hand den Löffel
Reihum
in die Schüssel.
Was
aber jung ist, fühlt
den Frühling,
Und
den Verliebten glänzen
seltsam
Ueber
die Suppe hinweg die
Augen,
Und
unten telegraphieren
die Füsse
Schnell
verstandene
Gefühle. –
Oh,
dass ich ein Gegenüber
hätte,
Mit
welchem ich
telegraphieren könnte!
Aber
nur eine von jenen
furchtbar’n
Gottesruthen,
die
hunderfältig
Nach
allen Seiten des
Erdrund’s täglich
Ueber
die Welt hinfegen,
zur Seite
Jenes
ominös-lacklederne
Waarenpacket
und im Munde
immer,
Immer
und ewig dieselben
schlechten,
Nicht
wohlduftenden Witze
und Zoten: -
Nur
ein adonisisch glatter
Kaufmannsreisender,
blaubezwickert,
Glotzt
mich an mit dem
Blicke der Wehmuth,
Welcher
der
Leinwandsbranche eigen.
Dieser
Barbar, ich fürchte,
berechnet
Unterhosenprozente,
indessen
Draussen
der Lenzwind
tausend Keimen
Säuselnde
Liebeserklärungen
flüstert,
Oder
mit mächtigem Wehen
hinaufschwillt,
Auch
den Sternen, den
kalt-blasierten,
Die
so unverschämt
gleichgültig
Auf
die bräutliche Erde
blinzeln,
Laut
zu künden den Drang
der Liebe. –
Nächtiger
Lenzwind! Sänge
ich Hymnen,
Sicherlich
schwöllen mir
dithyrambisch
Hochbegeisterte
Seligkeitsworte
Stürmisch
flammend aus
freudigem Herzen.
Aber,
ach, unpathetisch ist
leider
Meiner
bescheidenen Lyra
Grundton.
Ob
ich auch manchmal
überschwänglich
In
die vergriffenen Saiten
reisse,
Immer
doch schnarrt aus dem
tückischen Schallloch
Sehr
perfid die höhnische
Wahrheit:
„Schäkerchen,
Freundchen,
Du ruinierst mich!
Klimpre
kleine
Schelmenlieder,
Spiel
dir hin und wieder
schmunzelnd
Mal
’nen Hopser zur
Ergötzung
Deines
flatternden
Gemüthes,
Säusle
auch durch meine
Saiten
Ueber
Blauaugen,
geheimnissvolle,
Ueber
den Schwung
kusslockender Lippen,
Oder
auch über die
heimliche Wonne
Einer
grübchenreichen
Patschhand, -
Aber
lass mich um
Gotteswillen
Mit
pindarischem Schwung in
Ruhe!
Solcherlei,
Freundchen,
vertrag ich nicht.“ –
Und
so weht der nächtige
Lenzwind,
Ohne
von mir besungen zu
werden. –
Aber
er selbst singt ganz
vorzüglich.
Ja,
das heiss’ ich wahrlich
erhaben,
Wie
volltönig gewaltig er
einsetzt,
Wie
er mühelos die Stimme
aushält.
Welch
gewaltige Melodieen
Rhythmisch
und fessellos
dennoch er aushaucht.
Süss
zuweilen, wie ein
italisch
Gluthverhaltenes
Liebesständchen,
Oder
so sehnlich und
stillbeklommen
Voll
geheimnisvoller
Schwermuth,
Wie
die Seele des
slavischen Volkslieds
Aber
seine Bravour erzeigt
sich
Doch
im gemanischen
Heldensange,
Wenn
er Sehnen und Säuseln
vertönt hat
Und
in brausenden
Mannheitsrhythmen
Jubelnd
und furchtbar seine
Stimme
Ueber
die bräutlich zagende
Erde
Riesig
dahindröhnt. –
Brausewind
Lenz, der
Lyriker Grösster
Bist
du, und Keiner hat
dich bezwungen
All’
der tausend
Menschensänger,
Denen
ein Hauch von dir im
Herzen
Schwoll
und auf den Mund
sich drängte.
Singe
mich ein in
schimmernde Träume,
Brause
auch mir in die
bangende Seele,
Dass
ich zu meinen
Erdenbrüdern
Reden
könne in
Frühlingsworten!
Brause
mir . . . aber da
quickt schon wieder
Elende
Mahnung mir aus dem
Schallloch:
„Schäkerchen,
Freundchen!“
– Und ich vernehme,
Wie
der Leinewandene
mächtig
Schnarcht,
als ob man
Barchent risse.
Muthlos
fühl ich mich,
schwach, unendlich
Machtlos
. . . Durch die
Frühlingswogen
Drängt
sich prustend der
eherne Dampfzug,
Und
umsungen von höheren
Weisen
Braus’
ich entgegen dem
innigen Willkommen
Eines
wartenden
Mutterherzens.
zurück
Dämmerung
Dämmerung
mit den milden,
grauen Augen
schreitet
über die Erde.
Kühl weht ihr
Athem,
weich und kühl,
milde wie ruhiger
Athemzug
eines
schlummergeküssten, backen-
rothen
Kindes. An
lauschender Ferne
ruhendem
Rund ein goldenes
Glänzen, matt
verscheidend,
zerrinend in
zarten, grauen
Duft
. . .
O
Ruhe! Ruhe! Gabe der
Seligkeit,
die
du auf Flügeln der
Dämmerung linde vom
Himmel
niederschwebst,
linde das Herz mit
warmem
Hauche,
sorgenscheuchend, berührst,
Ruhe,
Frieden, Fülle des
Seins! Heut’ aus
grauen
Dämmeraugen blickst
du mich liebreich
an
und verheissend, und mein
Dank schwillt
auf
im Herzen, wie im Auge
der seligen
Braut
warme, lachende
Thränenfluth, - aber
mein
Herz muss an
verklungene Tage höheren
Glückes
denken, da ihm
friedevolle Liebe gütig
fromm
entgegenleuchtete aus
zwei braunen
Mädchenaugen,
Sonnen der Liebe.
zurück
Ein
Menuett
Nestwarmweiche
Lagerstätte,
Himmelblaues
Himmelbette,
Seidenkissen,
Spitzenzier,
Rosawolken,
mullgebauschte,
Hinter
denen Amor lauschte,
Unsrer
Liebe, Dir und mir,
Kräuselte
der Tapezier.
Aus
der Ampel quillt in
hellen
Morgenrötenrosenwellen
Schmeichelweiches
Liebeslicht.
Wie
in einem Rosenhaine,
Rose
selber, ruht die
Meine,
Und
von Rosen ein Gedicht
Ihres
Busens Heben spricht.
Leise,
leise, ihren rothen
Lippen
Morgengruss geboten.
Augen
auf. Bon jour Madam’!
Zweier
Sonnen hell
Erwachen,
Zweier
Sonnen selig Lachen
. . .
Als
ich in den Arm sie
nahm,
Amor
aus der Wolke kam.
zurück
Sonnenblicke
Leises
Blätterrauschen
rings,
Traumhaft,
wie im
Märchenwalde . . .
Vogelsingen
von den
Zweigen,
Schmelzend
bald in
langgezogenen,
Schluchzenden
Tönen, bald
in lautem,
Hochaufschmetternden
Jubelruf. –
Leise
der Wind weht . . .
Leise die Düfte
Ferner
Blumen schwanken im
Winde.
Schweigend
kreisen Blüthen
und Blätter
Langsam
nieder –
frühgewelkte;
Milde
blickt mit tausend
blauen
Augen
durchs Geäst der
Himmel . . .
Blaue,
milde, schöne Augen,
Feucht
erglänzend in
fraulicher Güte,
Haben
mir tief in die Seele
geleuchtet –
Sonnenblicke,
Sonnenblicke
. . .
Trüb
und dumpf, von Qual
und Zweifel
Aufgestachelt
und
niedergedrückt,
Schwankte
mein Herz in öder
Leere.
Sehnsucht,
Sehnsucht
breitete aus,
Schloss
und breitete
wiederum
Ihre
dürren Arme aus . . .
Träume,
nur Träume kamen
und schauerten
Holde
Bilder in meine
Seele,
Schönheitsvolle
glückselige
Bilder,
Buntgestaltige,
schön in
Liebe, -
Aber
mit rauhem Griff
zerriss
Grausam
kalt die
unerbittliche,
Grelle
Wirklichkeit die
schimmernden.
Und
mein thränenloses Auge
Sah
in die Welt zu klar ,
zu klar. –
Drinnen,
tief im leeren
Innern,
Ewige
Nebelnacht der Seele,
Kalt
und schweigend,
Einsam,
Todt
-:
Unkrautüberwucherter
Friedhof
Hingestorbener
Gefühle.
Grässliche
Ruhe. Ruhe des
Scheintodes;
Stummes
Krampfen, jäh
unterbrochen
Schmerzlich
von zuckenden,
heulenden Stössen
Wühlenden
Verzweiflungssturms.
Milde
glanzvoll, feucht
erschimmernd,
Sonnenstrahlenklar
und
wärmend
Drang
in dieses stumme
Dunkel
Zweier
Augen seliges Licht.
Helle
ward’s. Und heiter
weitete
Sich
das Herz in
freundlichen Schimmer
Dieser
Menschen-Sonnenblicke,
Und
es keimte, schwellte,
wuchs,
Drangvoll,
frühlingsgläubig, selig
In
dem milden, warmen
Lichte
Hoch
empor die Blüthe der
Liebe.
zurück
Wartelohn
Morgenjunge
Herrlichkeit,
Hell
die Welt und frisch
der Wind,
Wartend
klopft mein Herz
geschwind –
Eine
Minute schon über der
Zeit!
Ach,
wie oft schon sagt’
ich’s Kind:
Pünktlichkeit!
Und
ich spähe augenweit,
Und
ich schaue fast mich
blind,
Ist
das Mädel nicht
gescheidt?
Zehn
Minuten schon über der
Zeit!
Soll
ich eine Ewigkeit
Warten
und sehnen?! –
Langsam rinnt
Der
Minuten Folge, breit
Wie
ein Theerstrom. – Zeit,
oh Zeit !
Deine
Minuten wie Stunden
sind! . . .
Sieh,
da flattert ihr
blaues Kleid,
Flattert
im Wind!
Alles
Warten ist verwunden,
Hat
sich Mund auf Mund
gefunden,
Blick
in Blick sich
eingesenkt.
Dehnten
sich jetzt die S e k
u n d e n
Aus
zu langen
Dämmerstunden.
Wär’s
kein Umstand, der uns
kränkt,
Da
der Wind mit leisem
Neigen
Ein
Panier aus
Frühlingszweigen
Ueber
unsren Küssen
schwenkt.
zurück
Schlagende
Herzen
Ueber
Wiesen und Felder ein
Knabe ging,
Kling-klang
schlug ihm das
Herz,
Es
glänzt ihm am Finger von
Golde ein Ring,
Kling-klang
schlug ihm das
Herz.
„Oh
Wiesen, oh Felder,
Wie
seid ihr schön!
Oh
Berge, oh Wälder,
Wie
seid ihr schön!
Wie
bist du gut, wie bist
du schön,
Du
goldene Sonne in
Himmelshöh’n!“
Kling-klang
schlug ihm das
Herz.
Schnell
eilte der Knabe mit
fröhlichem Schritt,
Kling-klang
schlug ihm das
Herz,
Nahm
manche lachende Blume
mit,
Kling-klang
schlug ihm das
Herz.“
„Ueber
Wiesen und Felder
Weht
Frühlingswind,
Ueber
Berge und Wälder
Weht
Frühlingswind.
Im
Herzen mir innen weht
Frühlingswind,
Der
treibt zu Dir mich
leise, lind!“
Kling-klang
schlug ihm das
Herz.
Zwischen
Wiesen und Feldern
ein Mädel stand,
Kling-klang
schlug ihr das
Herz,
Hielt
über die Augen zum
Schauen die Hand,
Kling-klang
schlug ihr das
Herz.
„Ueber
Wiesen und Felder
Schnell
kommt er her,
Ueber
Berge und Wälder
Schnell
kommt er her.
Zu
mir, zu mir schnell
kommt er her!
Oh
wenn er bei mir nur, bei
mir schon wär’!“
Kling-klang
schlug ihr das
Herz.
zurück
oben
weiter
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