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04.2
Erlebte Gedichte
Otto Julius Bierbaum
Kamerad
Anna
(An die Dichterin Anna
Croissant-Rust)
Sommerabend!
(„Mild
und labend“
Reimen
drauf die deutschen
Dichter);
So
ein schöner Sommerabend,
Der
mit leisem, warmem
Athemzug
Ueber
die Erde Segen und
Frieden weht.
Nur
das Kirchenbimmeln
stört mich,
Dies
aufdringliche
Erinnern:
Bum
–die Dummheit, bam –
regiert noch.
Bum
–
sie schlägt dich, bam – noch todt.
Also
gut, stultitia sacra,
Bimbambumle
immer weiter,
Schönheit
lässt uns dich
vergessen,
Schönheit
wiegt uns in die
goldenen
Höhen
schweigenden Gebetes,
Wo
des Herzens Glocke
einzig
Tönt,
die klare, helle
Stimme
Heissen,
rothen
Menschenblutes.
Sommerabend.
Kamerad
Anna
Sitzt
vor’m
Schusterveitlhause
Im
geliebten Brannenburg.
Schweigend,
eine
Riesengarde
Von
Bewunderern, steh’n die
Berge.
Diese
grossen, lieben
Kerle,
Und
die Bäume rauschen leise,
Und
die Wiese wellt im
Winde,
Und
der Himmel giebt in
Farben
Ein
symbolisches Konzert.
Gleissend,
ein goldener
Ball, versank
Langsam
die Sonne am
Horizonte,
Farbenlos.
Aber,
da nun die
Herrscherin ging,
Kommt
der Cortège der Pagen
und Zofen;
Rosawölkchen
und duftige
Streifen
Zartesten
Veilchenblaus
schweben und weben,
Schweigenden
Reigen am
westlichen Himmel.
Umrissscharf
wie
schwarzgrauer Stahl,
Stehen
die Berge, die
grimmigen Ritter,
Bis
ironische Wolkengeister
Ihren
Häuptern wattene
Hauben
Ueberstülpen,
wie
Philistern.
Ach!
Gilt
dies Ach den armen
Rittern
In
den Wolkenwattenhauben,
Oder
gilt es etwa mir?
Kamerad
Anna, Kamerad Anna,
Wisse,
dass ich dich
beneide
Um
dein Schusterveitlhaus.
Sieh,
ich sitze hier fünf
Treppen
In
der lauten Sonnenstrasse.
Und
vom Sonnenuntergange
Seh’
ich kaum ein blasses
Streifchen,
Und
um dies zu sehen muss
ich
Erst
noch auf den
Schreibtisch klettern
Stehend
dann auf allen
meinen
Unglückseligen
Manuskripten
(Fünfzig
Centimeter Lyrik!)
Wird
mir klar doch nur das
Eine:
Dass
ich mich von Sehnsucht
nähren
Und
dabei verhungern muss.
Und
das Lärmen von der
Strasse,
Droschkenknattern,
Trambahnbummern,
Klingeln,
Knarren,
Schreien, Preifen, -
Ach,
der schöne Sommerabend
Ist
doch hier nicht ganz
komplett.
Und
ich steige von dem Tische,
Steige
von dem Lyrikberge,
Und
ich wandle wie ein
Eisbär
Hin
und wider in dem Käfig.
Der
fünf Treppen hoch
gelegen
In
der lauten
Sonnenstrasse,
Und
ich monologisiere:
Wie
hundsföttisch
niederträchtig
Das
Geschick doch mit mir
umgeht,
Dass
ich lyrisches
Herrgottsschäfchen
Zwischen
Steinen kriechen
muss,
Statt
das ich auf grünen
Wiesen
Blaue,
rothe, gelbe, weisse
Stimmungsblüthen
pflücken
darf.
Da,
in meine
Missvergnügtheit,
Bläst
ein Wirbelwind;
durchs Fenster
Fährt
er hin mit Hui und
Hasten,
Und,
als wär es Pflicht und
Amt ihm,
Saust
er schnell durch alle
Bücher,
Raschelt
durch Novellen,
Dramen,
Lyrik
und Kritik, - na! na!
Lieber
Freund, nicht
unmanierlich!
Brr!
Da packt er die
„Gesellschaft“,
Wirbelwüthend
schlägt er
auf,
Saust
entsetzt durchs „Dichteralbum“,
Heult
durch die „Kritik“
mit Keuchen.
Plötzlich
aber wird er lieb
–
Leise
schlägt er Blatt um
Blatt um,
In
gefällig weicher Rundung
Legt
er jedes zart aufs
andre,
Ganz
unhörbar, wie mit
feinen,
Lieben,
weichen
Mädchenhänden,
Und
dann ist er fortgeweht.
Sommerabendwind,
was hast
du
Launenhafter
aufgeschlagen?
Und
ich lese: „Feierabend“.
Ah,
Respekt, Posaunenengel,
Mehr
Geschmack hast du,
beim Zephyr,
Als
das deutsche Publikum,
Und
du bist ein guter
Rather.
Und
ich las den
„Feierabend“,
Las
ihn wohl zum sechsten
Male,
Und
dein klares Auge sah
ich,
Kamerad
Anna, das dem Leben
In
das tiefst Verborgene
sieht.
Und
ich fühlte, wie dein
warmes
Herz,
das mitschlägt allem
Leiden,
Heiss
in dieser Wahrheit
pocht.
Wahrheit,
herzensgluthdurchpulst,
Das
ist deine Kunst, Frau
Anna,
Und
mich dünkt, das ist das
Trumpfwort
Unsrer
ganzen neuen Kunst.
Aber
eh das Wort gemünzt
ward,
Prägtest
du aus seinem
Sinne
Schon
den fertigvollen
Werth,
Dichtern!
Mit
diesem Worte
Leg’
ich aus der Hand die
Feder,
Kamerad
Anna, Dichterin!
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