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Literatur


04.2



Wilhelm Busch
Fliegende Blätter

Beiträge aus den Jahren 1859-1868
 

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Lieder eines Lumpen

I.


Als ich ein kleiner Bube war,
War ich ein kleiner Lump;
Cigarren raucht ich heimlich schon,
Trank auch schon Bier auf Pump.

Zur Hose hing das Hemd heraus,
Die Stiefel lief ich krumm,
Und statt zur Schule hinzugeh'n,
Strich ich im Wald herum.

Wie hab' ich's doch seit jener Zeit
So herrlich weit gebracht! -
Die Zeit hat aus dem k l e i n e n Lump
'n g r o ß e n Lump gemacht.
   
II.


Der Mond und all' die Sterne,
Die scheinen in der Nacht,
Hinwiderum die Sonne
Bei Tag am Himmel lacht.
 
Mit Sonne, Mond und Sternen
Bin ich schon lang' vertraut!
Sie scheinen durch den Aermel
Mir auf die bloße Haut.

Und was ich längst vermuthet,
Das wird am Ende wahr:
Ich krieg' am Ellenbogen
Noch Sommersprossen gar.
 
III.


Ich hatt' einmal zehn Gulden! -
Da dacht' ich hin und her,
Was mit den schönen Gulden
Nun wohl zu machen wär'.

Ich dacht' an meine Schulden,
Ich dacht' an's Liebchen mein,
Ich dacht' auch an's Studieren,
Das fiel zuletzt mir ein.

Zum Lesen und Studieren,
Da muß man Bücher han,
Und jeder Manichäer
Ist auch ein Grobian.

Und obendrein das Liebchen,
Das Liebchen fromm und gut,
Das quälte mich schon lange
Um einen neuen Hut.

Was sollt' ich Ärmster machen?
Ich wußt' nicht aus noch ein. -
Im Wirtshaus an der Brucken,
Da schenkt man guten Wein.

Im Wirtshaus an der Brucken
Saß ich den ganzen Tag,
Ich saß wohl bis zum Abend
Und sann dem Dinge nach.

Im Wirtshaus an der Brucken,
Da wird der Dümmste klug;
Des Nachts um halber Zwölfe,
Da war ich klug genug.

Des Nachts um halber Zwölfe
Hub ich mich von der Bank
Und zahlte meine Zeche
Mit zehen Gulden blank.

Ich zahlte meine Zeche,
Da war mein Beutel leer. -
Ich hatt' einmal zehn Gulden,
Die hab' ich jetzt nicht mehr.
 
IV.


Im Carneval, da hab' ich mich
Recht wohlfeil amüsiert,
Denn von Natur war ich ja schon
Fürtrefflich costümiert.

Bei Maskeraden konnt' ich so
Passieren frank und frei;
Man meinte am Entrée, daß ich
Charaktermaske sei.

Recht unverschämt war ich dazu
Noch gegen Jedermann
Und hab' aus manchem fremden Glas
Manch' tiefen Zug gethan.

Darüber freuten sich die Leut'
Und haben recht gelacht,
Daß ich den echten Lumpen so
Natürlich nachgemacht.

Nur einem groben Kupferschmid,
Dem macht' es kein Pläsier,
Daß ich aus seinem Glase trank, -
Er warf mich vor die Thür.
 
V.


Von einer alten Tante
Ward ich recht schön bedacht:
Sie hat fünfhundert Gulden
Beim Sterben mir vermacht.

Die gute alte Tante! !-
Fürwahr! Ich wünschte sehr,
Ich hätt' noch mehr der Tanten
Und - hätt' sie bald nicht mehr!
 
VI.


Ich bin einmal hinausspaziert,
Hinaus wohl vor die Stadt.
Da kam es, daß ein Mädchen mir
Mein Herz gestohlen hat.

Ihr Aug' war blau, ihr Mund war roth,
Blondlockig war ihr Haar. -
Mir that's in tiefster Seele weh,
Daß solch ein Lump ich war.
 
VII.

 

Seit ich das liebe Mädchen sah,
War ich wie umgewandt,
Es hätte mich mein bester Freund
Wahrhaftig nicht gekannt.

Ich trug, fürwahr, Glacéhandschuh',
Glanzstiefel, Chapeau claque;
Vom feinsten Schnitt war das Gilet
Und magnifik der Frack.

Vom Fuße war ich bis zum Kopf
Ein Stutzer comme il faut;
Ich war, was mancher And're ist,
Ein Lump, incognito.

VIII.



Was that ich ihr zuliebe nicht?!
Zum ersten Mal im Leben
Hab' ich mich neulich ihr zu Lieb'
Auf einen Ball begeben.

Sie sah wie eine Blume aus
In ihrer Crinolinen,
Ich bin als schwarzer Käfer mir
In meinem Frack erschienen.

Für einen Käfer - welche Lust!
An einer Blume baumeln;
Für mich - welch' Glück, an ihrer Brust
Im Tanz dahin zu taumeln!

Doch ach! Mein schönes Käferglück,
Das war von kurzer Dauer;
Ein kläglich schnödes Mißgeschick
Lag heimlich auf der Lauer.

Denn, weiß der Teufel, wie's geschah,
Es war so glatt im Saale -
Ich rutschte - und so lag ich da
Rumbums! mit einem Male.

An ihrem seidenen Gewand
Dacht' ich mich noch zu halten -
Ritsch, ratsch! Da hielt ich in der Hand
Ein halbes Dutzend Falten.

Sie floh entsetzt. - Ich armer Tropf,
Ich meint' ich müßt' versinken,
Ich kratzte mir beschämt den Kopf
Und thät bei Seite hinken.

IX.

 

Den ganzen noblen Plunder soll,
Den soll der Teufel holen!!
Ein Leutnant von der Garde hat
Mein Liebchen mir gestohlen.

Du neuer Hut, du neuer Frack,
Ihr müßt ins Pfandhaus wandern.
Ich selber sitz' im Wirtshaus nun
Von einem Tag zum andern.

Ich sitz' und trinke aus Verdruß
Und Aerger manchen Humpen.
Die Lieb', die mich solid gemacht,
Die macht mich nun zum Lumpen.

Und wem das Lied gefallen hat,
Der lasse sich nicht lumpen;
Der mög' dem Lumpen, der es sang,
Zum Dank - 'n Gulden pumpen.


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Unglücklicher Zufall

Ich ging wohl hundert Male
Die Straße ein und aus,
Ich stand bei Sturm und Regen
Vor meiner Liebsten Haus.

Bei Sturm und kaltem Regen
Stand ich vergeblich dort,
Denn die gestrenge Mutter,
Die ließ sie ja nicht fort.

Ich selber hab' dem Regen,
Ich hab' dem Sturm getrutzt,
Nur meine neuen Stiefel,
Die sind ganz abgenutzt.

Und heute, da ich lässig
An meinem Fenster steh',
Trifft sich's, daß ich mein Liebchen
Vorübergehen seh'.

Sie nickt und winkt verstohlen,
Sie sieht mich zärtlich an,
Und ich, ich kann's nicht sagen,
Daß ich nicht kommen kann.

Ich kann's ihr ja nicht sagen,
Dem wunderholden Kind,
Daß meine einz'gen Stiefel
Heut grad beim Schuster sind.

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