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04.2
Wilhelm
Busch
Kritik
des Herzens
Er
stellt sich vor sein Spiegelglas
Und
arrangiert noch dies und das.
Er dreht hinaus des Bartes Spitzen,
Sieht zu, wie seine Ringe blitzen,
Probiert auch mal, wie sich das macht,
Wenn er so herzgewinnend lacht,
Übt seines Auges Zauberkraft,
Legt die Krawatte musterhaft,
Wirft einen süßen Scheideblick
Auf sein geliebtes Bild zurück,
Geht dann hinaus zur Promenade,
Umschwebt vom Dufte der Pomade,
Und ärgert sich, als wie ein Stint,
Daß andre Leute eitel sind.
zurück
Ein
dicker Sack - den Bauer Bolte,
Der
ihn zur Mühle tragen wollte,
Um
auszuruhn, mal hingestellt
Dicht
bei ein reifes Ährenfeld -
Legt
sich in würdevolle Falten
Und
fängt 'ne Rede an zu halten.
»Ich«,
sprach er, »bin der volle Sack.
Ihr
Ähren seid nur dünnes Pack.
Ich
bin's, der euch auf dieser Welt
In
Einigkeit zusammenhält.
Ich
bin's, der hoch vonnöten ist,
Daß
euch das Federvieh nicht frißt;
Ich,
dessen hohe Fassungskraft
Euch
schließlich in die Mühle schafft.
Verneigt
euch tief, denn ich bin der!
Was
wäret ihr, wenn ich nicht wär'?«
Sanft
rauschen die Ähren:
»Du
wärst ein leerer Schlauch,
Wenn
wir nicht wären.«
zurück
Sehr
tadelnswert ist unser Tun,
Wir
sind nicht brav und bieder. -
Gesetzt
den Fall, es käme nun
Die
Sintflut noch mal wieder.
Das
wär' ein Zappeln und Geschreck!
Wir
tauchten alle unter;
Dann
kröchen wir wieder aus dem Dreck
Und
wären, wie sonst, recht munter.
zurück
Was ist die alte Mamsell Schmöle
Für
eine liebe treue Seele!
Sie
spricht zu ihrer Dienerin:
»Ach,
Rieke, geh Sie da nicht hin!
Was
will Sie da im Goldnen Löben
Heut
abend auf und nieder schweben?
Denn
wedelt nicht bei Spiel und Tanz
Der
Teufel fröhlich mit dem Schwanz?
Und
überhaupt, was ist es nütz?
Sie
quält sich ab. Sie kommt in Schwitz,
Sie
geht hinaus, erkältet sich
Und
hustet dann ganz fürchterlich.
Drum
bleibe Sie bei mir nur lieber!
Und,
Rieke, geh Sie mal hinüber
Und
hole Sie von Kaufmann Fräse
Ein
Viertel guten Schweizer Käse,
Und
sei Sie aber jajaja
Gleich
zur Minute wieder da!«
So
ist die gute Mamsell Schmöle
Besorgt
für Riekens Heil der Seele.
Ja
später noch, in stiller Nacht,
Ist
sie auf diesen Zweck bedacht
Und
schleicht an Riekens Kammertür
Und
schaut, ob auch die Rieke hier
Und
ob sie auch in Frieden ruht
Und
daß ihr ja nicht wer was tut,
Was
sich nun einmal nicht gehört,
Was
gottlos und beneidenswert.
zurück
Es
wird mit Recht ein guter Braten
Gerechnet
zu den guten Taten;
Und
daß man ihn gehörig mache,
Ist
weibliche Charaktersache.
Ein
braves Mädchen braucht dazu
Mal,
erstens, reine Seelenruh,
Daß
bei Verwendung der Gewürze
Sie
sich nicht hastig überstürze.
Dann,
zweitens, braucht sie Sinnigkeit,
Ja,
sozusagen Innigkeit,
Damit
sie alles appetitlich,
Bald
so, bald so und recht gemütlich
Begießen,
drehn und wenden könne,
Daß
an der Sache nichts verbrenne.
In
summa braucht sie Herzensgüte,
Ein
sanftes Sorgen im Gemüte,
Fast
etwas Liebe insofern.
Für
all die hübschen, edlen Herrn,
Die
diesen Braten essen sollen
Und
immer gern was Gutes wollen.
Ich
weiß, daß hier ein jeder spricht:
»Ein
böses Mädchen kann es nicht.«
Drum
hab' ich mir auch stets gedacht
Zu
Haus und anderwärts:
Wer
einen guten Braten macht,
Hat
auch ein gutes Herz.
zurück
Ferne
Berge seh' ich glühen!
Unruhvoller
Wandersinn!
Morgen
will ich weiter ziehen,
Weiß
der Teufel, wohin!
Ja,
ich will mich nur bereiten,
Will
- was hält mich nur zurück?
Nichts
wie dumme Kleinigkeiten!
Zum
Exempel dein Blick!
zurück
Wirklich, er war unentbehrlich!
Überall,
wo was geschah
Zu
dem Wohle der Gemeinde,
Er
war tätig, er war da.
Schützenfest,
Kasinobälle,
Pferderennen,
Preisgericht,
Liedertafel,
Spritzenprobe,
Ohne
ihn, da ging es nicht.
Ohne
ihn war nichts zu machen,
Keine
Stunde hatt' er frei.
Gestern,
als sie ihn begruben,
War
er richtig auch dabei.
zurück
Ihr kennt ihn doch schon manches Jahr,
Wißt,
was es für ein Vogel war;
Wie
er in allen Gartenräumen
Herumgeflattert
auf den Bäumen;
Wie
er die hübschen roten Beeren,
Die
andern Leuten zugehören,
Mit
seinem Schnabel angepickt
Und
sich ganz lasterhaft erquickt.
Nun
hat sich dieser böse Näscher,
Gardinenschleicher,
Mädchenhäscher,
Der
manchen Biedermann gequält,
Am
Ende selber noch vermählt.
Nun
legt er seine Stirn in Falten,
Fängt
eine Predigt an zu halten
Und
möchte uns von Tugend schwatzen.
Ei,
so ein alter Schlingel! Kaum
Hat
er 'nen eignen Kirschenbaum,
So
schimpft er auf die Spatzen.
zurück
Wärst
du wirklich so ein rechter
Und
wahrhaftiger Asket,
So
ein Welt= und Kostverächter,
Der
bis an die Wurzel geht;
Dem
des Goldes freundlich Blinken,
Dem
die Liebe eine Last,
Der
das Essen und das Trinken,
Der
des Ruhmes Kränze haßt –
Das
Gekratze und Gejucke,
Aller
Jammer hörte auf;
Kracks!
Mit einem einz'gen Rucke
Hemmtest
du den Weltenlauf.
zurück
Es
ging der fromme Herr Kaplan,
Nachdem
er bereits viel Gutes getan,
In
stiller Betrachtung der schönen Natur
Einst
zur Erholung durch die Flur.
Und
als er kam an den Waldessaum,
Da
rief der Kuckuck lustig vom Baum:
»Wünsche
guten Abend, Herr Kollege!«
Der
Storch dagegen, nicht weit vom Wege,
Steigt
in der Wiese auf und ab
Und
spricht verdrießlich: »Plapperapapp!
Gäb's
lauter Pfaffen lobesam,
Ich
wäre längst schon flügellahm!«
Man
sieht, daß selbst der frömmste Mann
Nicht
allen Leuten gefallen kann.
zurück
»Ach, wie geht's dem heil'gen Vater!
Groß
und schwer sind seine Lasten,
Drum,
o Joseph, trag den Gulden
In
Sankt Peters Sammelkasten!«
So
sprach im Seelentrauerton
Die
Mutter zu dem frommen Sohn.
Der
Joseph, nach empfangner Summe,
Eilt
auch sogleich ums Eck herumme,
Bis
er das Tor des Hauses fand,
Wo
eines Bockes Bildnis stand,
Was
man dahingemalt mit Fleiß
Zum
Zeichen, daß hier Bockverschleiß.
Allhier
in einen kühlen Hof
Setzt
sich der Joseph hin und soff.
Und
aß dazu, je nach Bedarf,
Die
gute Wurst, den Radi scharf,
Bis
er, was gar nicht lange währt,
Sankt
Peters Gulden aufgezehrt.
Nun
wird's ihm trauriglich zu Sinn
Und
stille singt er vor sich hin:
»Ach
der Tugend schöne Werke,
Gerne
möcht' ich sie erwischen,
Doch
ich merke, doch ich merke,
Immer
kommt mir was dazwischen.«
zurück
Ich
wußte, sie ist in der Küchen,
Ich
bin ihr leise nachgeschlichen.
Ich
wollt' ihr ew'ge Treue schwören
Und
fragen: »Willst du mir gehören?«
Auf
einmal aber stutzte ich.
Sie
kramte zwischen dem Gewürze;
Dann
schneuzte sie und putzte sich
Die
Nase mit der Schürze.
zurück
Es stand vor eines Hauses Tor
Ein
Esel mit gespitztem Ohr,
Der
käute sich sein Bündel Heu
Gedankenvoll
und still entzwei. -
Nun
kommen da und bleiben stehn
Der
naseweisen Buben zween,
Die
auch sogleich, indem sie lachen,
Verhaßte
Redensarten machen,
Womit
man denn bezwecken wollte,
Daß
sich der Esel ärgern sollte. -
Doch
dieser hocherfahrne Greis
Beschrieb
nur einen halben Kreis,
Verhielt
sich stumm und zeigte itzt
Die
Seite, wo der Wedel sitzt.
zurück
Wer möchte diesen Erdenball
Noch
fernerhin betreten,
Wenn
wir Bewohner überall
Die
Wahrheit sagen täten.
Ihr
hießet uns, wir hießen euch
Spitzbuben
und Halunken,
Wir
sagten uns fatales Zeug,
Noch
eh' wir uns betrunken.
Und
überall im weiten Land
Als
langbewährtes Mittel
Entsproßte
aus der Menschenhand
Der
treue Knotenknittel.
Da
lob'
ich mir die Höflichkeit,
Das
zierliche Betrügen.
zurück
Die erste alte Tante sprach:
»Wir
müssen nun auch dran denken,
Was
wir zu ihrem Namenstag
Dem
guten Sophiechen schenken.«
Drauf
sprach die zweite Tante kühn:
»Ich
schlage vor, wir entscheiden
Uns
für ein Kleid in Erbsengrün,
Das
mag Sophiechen nicht leiden.«
Der
dritten Tante war das recht:
»Ja«,
sprach sie, »mit gelben Ranken!
Ich
weiß, sie ärgert sich nicht schlecht
Und
muß sich auch noch bedanken.
zurück
Da kommt mir eben so ein Freund
Mit
einem großen Zwicker.
»Ei«,
ruft er, »Freundchen, wie mir scheint,
Sie
werden immer dicker.
Jaja,
man weiß oft selbst nicht wie,
So
kommt man in die Jahre;
Pardon,
mein Schatz, hier haben Sie
Schon
eins, zwei graue Haare!« -
»Hinaus,
verdammter Kritikus,
Sonst
schmeiß' ich dich in Scherben.
Du
Schlingel willst mir den Genuß
Der
Gegenwart verderben!«
zurück
Der
alte Förster Püsterich,
Der
ging nach langer Pause
Mal
wieder auf den Schnepfenstrich
Und
brachte auch eine nach Hause.
Als
er sie nun gebraten hätt',
Da
tät ihn was verdreußen;
Das
Tierlein roch wie sonst so nett,
Nur
konnt er's nicht recht mehr beißen.
»Ach
ja!« So seufzt er wehgemut
Und
wischt sich ab die Träne.
»Die
Nase wär' soweit noch gut,
Nur
bloß es fehlen die Zähne.«
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