lifedays-seite

moment in time



Literatur


04.2



Wilhelm Busch

Schein und Sein
 

Popup

Der fremde Hund

Was fällt da im Boskettgesträuch
Dem fremden Hunde ein?
Geht man vorbei, so bellt er gleich
Und scheint wie toll zu sein.
                   
Der Gärtner holt die Flinte her.
Es knallt im Augenblick.
Der arme Hund, getroffen schwer,
Wankt ins Gebüsch zurück.
 
Vier kleine Hündchen liegen hier
Nackt, blind und unbewußt.
Sie saugen emsig alle vier
An einer toten Brust.

zurück




Die Nachbarskinder

Die Nachbarskinder
Wer andern gar zu wenig traut,
Hat Angst an allen Ecken;
Wer gar zu viel auf andre baut,
Erwacht mit Schrecken.
 
Es trennt sie nur ein leichter Zaun,
Die beiden Sorgengründer;
Zu wenig und zu viel Vertraun
Sind Nachbarskinder.

zurück




Auch er

Rührend schöne Herzgeschichten,
Die ihm vor der Seele schweben,
Weiß der Dichter zu berichten.
Wovon aber soll er leben?
 
Was er fein zusammenharkte,
Sauber eingebundne Werklein,
Führt er eben auch zu Markte,
Wie der Bauer seine Ferklein.
 
zurück




Von selbst
 
Spare deine guten Lehren
Für den eigenen Genuß.
Kaum auch wirst du wen bekehren,
Zeigst du, wie man's machen muß.
 
Laß ihn im Galoppe tollen,
Reite ruhig deinen Trab.
Ein zu ungestümes Wollen
Wirft von selbst den Reiter ab.

zurück


 

Eitelkeit

Ein Töpfchen stand im Dunkeln
An stillverborgener Stelle.
»Ha«, rief es, »wie wollt' ich funkeln,
Käm' ich nur mal ins Helle.«
 
Ihm geht es wie vielen Narren.
Säß einer auch hinten im Winkel,
Wo hat er doch seinen Sparren
Und seinen aparten Dünkel.

zurück




Alte Sorge

Er kriegte Geld. Die Sorge wich,
Die ihn bisher beklommen.
Er hat die Jungfer Fröhlich sich
Zu seinem Schatz genommen.
 
Sie tranken Wein, sie aßen fein,
Sie sangen zum Klaviere;
Doch wie sie sich so recht erfreun,
Da klopft es an die Türe.
 
Die alte Sorge war's, o weh,
Die magerste der Sorgen.
Sie setzte sich ins Kanapee
Und wünschte guten Morgen.

zurück

 
 

Wanderlust

Die Zeit, sie orgelt emsig weiter,
Sein Liedchen singt dir jeder Tag,
Vermischt mit Tönen, die nicht heiter,
Wo keiner was von hören mag.
 
Sie klingen fort. Und mit den Jahren
Wird draus ein voller Singverein.
Es ist, um aus der Haut zu fahren.
Du möchtest gern woanders sein.
 
Nun gut. Du mußt ja doch verreisen.
So fülle denn den Wanderschlauch.
Vielleicht vernimmst du neue Weisen,
Und Hühneraugen kriegst du auch.

zurück



 
Beruhigt

Zwei mal zwei gleich vier ist Wahrheit.
Schade, daß sie leicht und leer ist,
Denn ich wollte lieber Klarheit
Über das, was voll und schwer ist.
 
Emsig sucht' ich aufzufinden,
Was im tiefsten Grunde wurzelt,
Lief umher nach allen Winden
Und bin oft dabei gepurzelt.
 
Endlich baut' ich eine Hütte.
Still nun zwischen ihren Wänden
Sitz' ich in der Welten Mitte,
Unbekümmert um die Enden.

zurück

 

 
Gedankenvoll

Ich weiß ein stilles Fensterlein,
Liegt heimlich und versteckt,
Das hat mit Laub der grüne Wein
Und Ranken überdeckt.
 
Im Laube spielt der Sommerwind,
Die Rebe schwankt und nickt,
Dahinter sitzt ein hübsches Kind
Gedankenvoll und stickt.
 
Im jugendklaren Angesicht
Blüht wundersüß der Mund
Als wie ein Rosenknösplein licht
Früh in der Morgenstund.
 
Im Netzgeflecht das blonde Haar
Umfaßt ein braunes Band,
Das liebe blaue Augenpaar
Blickt sinnend auf die Hand.
 
Und 's Köpfchen scheint so still zu sein.
Ist doch ein Taubenschlag.
Gedanken fliegen aus und ein
Den lieben langen Tag.
 
Sie fliegen über Wald und Flur
Ins weite Land hinaus.
Ach, käm' ein einzig Täubchen nur
Und flöge in mein Haus.

zurück

 


Vielleicht

Sage nie: »Dann soll's geschehen!«
Öffne dir ein Hinterpförtchen
Durch »Vielleicht«, das nette Wörtchen,
Oder sag: »Ich will mal sehen!«
 
Denk an des Geschickes Walten.
Wie die Schiffer auf den Plänen
Ihrer Fahrten stets erwähnen:
»Wind und Wetter vorbehalten!«

zurück




Niemals

Wonach du sehnlich ausgeschaut,
Es wurde dir beschieden.
Du triumphierst und jubelst laut:
»Jetzt hab ich endlich Frieden!«
 
Ach, Freundchen, rede nicht so wild,
Bezähme deine Zunge!
Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt,
Kriegt augenblicklich Junge.

zurück




Unbillig

Nahmst du in diesem großen Haus
Nicht selbst Quartier?
Mißfällt es dir, so zieh doch aus.
Wer hält dich hier?

Und schimpfe auf die Welt, mein Sohn,
Nicht gar zu laut.
Eh' du geboren, hast du schon
Mit dran gebaut.

zurück




Er ist mal so

Zwar mit seinem losen Mund
Neigt er zum Krakeele.
Dabei ist er doch im Grund
Eine treue Seele.
                            
Die er seine Freunde nennt,
Dulden seine Witze,
Denn ein jeder, der ihn kennt,
Kennt auch seine Mütze.

zurück




Befriedigt

Er 'hört, als eines von den Lichtern,
Die höher stets und höher steigen,
Bereits zu unsern besten Dichtern,
Das läßt sich leider nicht verschweigen.
 
Was weiß man von den Sittenrichtern? -
Er lebt von seiner Frau geschieden,
Hat Schulden, ist nicht immer nüchtern -
Aha, jetzt sind wir schon zufrieden!

zurück




Fehlgeschossen

Fritz war ein kecker Junge
Und sehr geläufig mit der Zunge.
Einstmals ist er beim Ährenlesen
Draußen im Felde gewesen,
Wo die Weizengarben, je zu zehn,
Wie Häuslein in der Reihe stehn.
Ein Wetter zog herauf.
Da heißt es: »Lauf!«
Und flink wie ein Mäuslein
Schlüpft er ins nächste Halmenhäuslein.
Krach! - Potztausend nochmal!
Dicht daneben zündet der Wetterstrahl.
»Ätsch!« rief der Junge, der nicht bange,
Und streckt die Zunge aus, die lange:
»Fehlgeschossen, Herr Blitz!
Hier saß der Fritz!«

zurück




Verzeihlich

Er ist ein Dichter, also eitel.
Und, bitte, nehmt es ihm nicht krumm,
Zieht er aus seinem Lügenbeutel
So allerlei Brimborium.
 
Juwelen, Gold und stolze Namen,
Ein hohes Schloß im Mondenschein
Und schöne, höchstverliebte Damen,
Dies alles nennt der Dichter sein.
 
Indessen ist ein enges Stübchen
Sein ungeheizter Aufenthalt.
Er hat kein Geld, er hat kein Liebchen,
Und seine Füße werden kalt.

zurück




Armer Haushalt

Weh, wer ohne rechte Mittel
Sich der Poesie vermählt!
Täglich dünner wird der Kittel,
Und die Milch im Hause fehlt.
 
Ängstlich schwitzend muß er sitzen,
Fort ist seine Seelenruh,
Und vergeblich an den Zitzen
Zupft er seine magre Kuh.

zurück






weiter




   lifedays-seite - moment in time