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04.2
Wilhelm
Busch
Zu
guter Letzt
Gut
und Böse
Tugend will, man
soll sie holen,
Ungern ist sie gegenwärtig;
Laster ist auch unbefohlen
Dienstbereit und fix und fertig.
»Gute Tiere«, spricht der Weise,
»Mußt du züchten, mußt
du kaufen,
Doch die Ratten und die
Mäuse
Kommen ganz von selbst
gelaufen.«
zurück
Beschränkt
Halt dein Rößlein nur im Zügel,
Kommst ja doch nicht allzu weit.
Hinter jedem neuen Hügel
Dehnt sich die Unendlichkeit.
Nenne niemand dumm und säumig,
Der das Nächste recht
bedenkt.
Ach, die Welt ist so
geräumig,
Und der Kopf ist so
beschränkt!
zurück
Geschmacksache
Dies für den und das für jenen.
Viele Tische sind gedeckt.
Keine Zunge soll verhöhnen,
Was der andern Zunge schmeckt.
Lasse jedem seine Freuden,
Gönn ihm, daß er sich erquickt,
Wenn er sittsam und bescheiden
Auf den eignen Teller blickt.
Wenn jedoch bei deinem Tisch er
Unverschämt dich neckt
und stört,
Dann so gib ihm einen
Wischer,
Daß er merkt, was sich
gehört.
zurück
Durchweg lebendig
Nirgend sitzen
tote Gäste.
Allerorten lebt die
Kraft.
Ist nicht selbst der
Fels, der feste,
Eine
Kraftgenossenschaft?
Durch und durch
aus Eigenheiten,
So und so zu sein
bestrebt,
Die sich lieben, die
sich streiten,
Wird die bunte Welt
gewebt.
Hier gelingt es,
da mißglückt es.
Wünsche finden keine
Rast.
Unterdrücker,
Unterdrücktes,
Jedes Ding hat seine
Last.
zurück
Die
Seelen
Der Fährmann lag in seinem
Schiff
Beim Schein des
Mondenlichts,
Als etwas kam und rief
und pfiff,
Doch sehen tat er
nichts.
Ihm war, als stiegen
hundert ein.
Das Schifflein wurde
schwer.
Flink, Fährmann, fahr
uns übern Rhein,
Die Zahlung folgt
nachher.
Und als er seine Pflicht
getan,
Da ging es klinglingling,
Da warf ein Goldstück in
den Kahn
Jedwedes Geisterding.
Husch, weg und
weiter zog die Schar.
Verwundert steht der
Mann:
So Seelen sind zwar
unsichtbar,
Und doch ist etwas dran.
zurück
Nachruhm
Ob er gleich von hinnen schied,
Ist er doch geblieben,
Der so manches schöne
Lied
Einst für uns
geschrieben.
Unser Mund wird ihn
entzückt
Lange noch erwähnen,
Und so lebt er
hochbeglückt
Zwischen hohlen Zähnen.
zurück
Der alte Narr
Ein Künstler auf dem hohen Seil,
Der alt geworden
mittlerweil,
Stieg eines Tages vom
Gerüst
Und sprach: Nun will ich
unten bleiben
Und nur noch
Hausgymnastik treiben,
Was zur Verdauung nötig
ist.
Da riefen alle: »O wie
schad!
Der Meister scheint doch
allnachgrad
Zu schwach und steif zum
Seilbesteigen!«
Ha! denkt er. Dieses
wird sich zeigen!
Und richtig, eh der
Markt geschlossen,
Treibt er aufs neu die
alten Possen
Hoch in die Luft, und
zwar mit Glück,
Bis auf ein kleines
Mißgeschick.
Er fiel herab in großer
Eile
Und knickte sich die
Wirbelsäule.
»Der alte Narr! Jetzt
bleibt er krumm!«
So äußert sich das
Publikum.
zurück
Die Tute
Wenn die Tante Adelheide
Als Logierbesuch
erschien,
Fühlte Fritzchen große
Freude,
Denn dann gab es was für
ihn.
Immer hat die
liebe Gute
Tief im Reisekorb
versteckt
Eine angenehme Tute,
Deren Inhalt köstlich
schmeckt.
Täglich wird dem
braven Knaben
Draus ein hübsches Stück
beschert,
Bis wir schließlich
nichts mehr haben
Und die Tante
weiterfährt.
Mit der Post fuhr
sie von hinnen.
Fritzchens Trauer ist
nur schwach.
Einer Tute, wo nichts
drinnen,
Weint man keine Träne
nach.
zurück
Unberufen
Gestützt auf seine beiden
Krücken,
Die alte Kiepe auf dem
Rücken,
Ging durch das Dorf ein
Bettelmann
Und klopfte stets
vergeblich an.
Erst aus dem
allerletzten Haus
Kam eine gute Frau
heraus,
Die grad den dritten
Mann begraben,
Daher geneigt zu milden
Gaben,
Und legt in seines
Korbes Grund
Ein Brot von mehr als
sieben Pfund.
Ein schmaler Steg führt
gleich danach
Ihn über einen
Rauschebach.
»Jetzt hab' ich Brot,
jetzt bin ich glücklich!«
So rief er froh, und
augenblicklich
Fiel durch den Korb, der
nicht mehr gut,
Sein Brot hinunter in
die Flut. -
Das kommt von solchem
Übermut.
zurück
Kränzchen
In der ersten Nacht des Maien
Läßt's den Hexen keine
Ruh.
Sich gesellig zu
erfreuen,
Eilen sie dem Brocken
zu.
Dorten haben sie
ihr Kränzchen.
Man verleumdet, man
verführt,
Macht ein lasterhaftes
Tänzchen,
Und der Teufel
präsidiert.
zurück
Nicht beeidigt
Willst du gelobt sein, so
verzichte
Auf kindlich blödes
Wesen.
Entschließ dich, deine
himmlischen Gedichte
Den Leuten vorzulesen.
Die Welt ist
höflich und gesellig,
Und eh' man dich
beleidigt,
Sagt wohl ein jeder
leicht, was dir gefällig,
Denn keiner ist beeidigt.
zurück
Sehnsucht
Schon
viel zu lang
Hab' ich der Bosheit mich ergeben.
Ich lasse töten, um zu leben,
Und bös macht bang.
Denn niemals ruht
Die Stimme in des Herzens Tiefe,
Als ob es zärtlich klagend riefe:
»Sei wieder gut!«
Und frisch vom Baum
Den allerschönsten Apfel brach ich.
Ich biß hinein, und seufzend sprach ich,
Wie halb im Traum:
»Du erstes Glück,
Du alter Paradiesesfrieden,
Da noch kein Lamm den Wolf gemieden,
O komm zurück!«
zurück
Die Schändliche
Sie ist ein reizendes
Geschöpfchen,
Mit allen Wassern wohl
gewaschen;
Sie kennt die süßen
Sündentöpfchen
Und liebt es, häufig
draus zu naschen.
Da bleibt den
sittlich Hochgestellten
Nichts weiter übrig, als
mit Freuden
Auf diese Schandperson
zu schelten
Und sie mit Schmerzen zu
beneiden.
zurück
Bewaffneter Friede
Ganz
unverhofft, an einem Hügel,
Sind sich begegnet Fuchs und Igel.
»Halt«, rief der Fuchs, »du Bösewicht!
Kennst du des Königs Ordre nicht?
Ist nicht der Friede längst verkündigt,
Und weißt du nicht, daß jeder sündigt,
Der immer noch gerüstet geht? -
Im Namen Seiner Majestät,
Geh her und übergib dein Fell!«
Der Igel sprach: »Nur nicht so schnell!
Laß dir erst deine Zähne brechen,
Dann wollen wir uns weitersprechen.«
Und alsogleich macht er sich rund,
Schließt seinen dichten Stachelbund
Und trotzt getrost der ganzen Welt,
Bewaffnet, doch als Friedensheld.
zurück
Die Affen
Der Bauer sprach zu seinem
Jungen:
»Heut in der Stadt, da
wirst du gaffen.
Wir fahren hin und sehn
die Affen.
Es ist gelungen
Und um sich
schiefzulachen,
Was die für Streiche
machen
Und für Gesichter,
Wie rechte Bösewichter.
Sie krauen sich,
Sie zausen sich,
Sie hauen sich,
Sie lausen sich,
Beschnuppern dies,
beknuppern das,
Und keiner gönnt dem
andern was,
Und essen tun sie mit
der Hand,
Und alles tun sie mit
Verstand,
Und jeder stiehlt als
wie ein Rabe.
Paß auf, das siehst du
heute.« -
»O Vater", rief
der Knabe,
»Sind Affen denn auch
Leute?« -
Der Vater sprach:
»Nun ja,
Nicht ganz, doch so
beinah.«
zurück
Glaube
Stark in Glauben und Vertrauen
Von der Burg mit festen
Türmen
Kannst du dreist
herniederschauen,
Keiner wird sie je
erstürmen.
Laß sie graben,
laß sie schanzen,
Stolze Ritter, grobe
Bauern,
Ihre Flegel, ihre Lanzen
Prallen ab von deinen
Mauern.
Aber hüte dich
vor Zügen
In die Herrschaft des
Verstandes,
Denn sogleich sollst du
dich fügen
Den Gesetzen seines
Landes.
Bald umringen
dich die Haufen,
Und sie ziehen dich vom
Rosse,
Und du mußt zu Fuße
laufen
Schleunig heim nach
deinem Schlosse.
zurück
Zauberschwestern
Zwiefach sind die Phantasien,
Sind ein
Zauberschwesternpaar,
Sie erscheinen, singen,
fliehen
Wesenlos und wunderbar.
Eine ist die
himmelblaue,
Die uns froh
entgegenlacht,
Doch die andre ist die
graue,
Welche angst und bange
macht.
Jene singt von
lauter Rosen,
Singt von Liebe und
Genuß;
Diese stürzt den
Hoffnungslosen
Von der Brücke in den
Fluß.
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