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04.2
Wilhelm
Busch
Zu
guter Letzt
Die Schnecken
Rötlich dämmert es im Westen,
Und der laute Tag
verklingt,
Nur daß auf den höchsten
Ästen
Lieblich noch die
Drossel singt.
Jetzt in dichtbelaubten
Hecken,
Wo es still verborgen
blieb,
Rüstet sich das Volk der
Schnecken
Für den nächtlichen
Betrieb.
Tastend streckt sich ihr
Gehörne.
Schwach nur ist das
Augenlicht.
Dennoch schon aus weiter
Ferne
Wittern sie ihr
Leibgericht.
Schleimig, säumig, aber
stete,
Immer auf dem nächsten
Pfad,
Finden sie die
Gartenbeete
Mit dem schönsten
Kopfsalat.
Hier vereint zu ernsten
Dingen,
Bis zum
Morgensonnenschein,
Nagen sie geheim und
dringen
Tief ins grüne Herz
hinein.
Darum braucht die Köchin
Jettchen
Dieses Kraut nie ohne
Arg.
Sorgsam prüft sie jedes
Blättchen,
Ob sich nichts darin
verbarg.
Sie hat Furcht, den Zorn
zu wecken
Ihres lieben gnädgen
Herrn.
Kopfsalat, vermischt mit
Schnecken,
Mag der alte Kerl nicht
gern.
zurück
Seelenwanderung
Wohl tausendmal schon ist er
hier
Gestorben und
wiedergeboren,
Sowohl als Mensch wie
auch als Tier,
Mit kurzen und langen
Ohren.
Jetzt ist er ein armer
blinder Mann,
Es zittern ihm alle
Glieder,
Und dennoch, wenn er nur
irgend kann,
Kommt er noch tausendmal
wieder.
zurück
Pst
Es gibt ja leider Sachen und
Geschichten,
Die reizend und pikant,
Nur werden sie von
Tanten und von Nichten
Niemals genannt.
Verehrter Freund, so sei
denn nicht vermessen,
Sei zart und schweig
auch du!
Bedenk. Man liebt den
Käse wohl - indessen,
Man deckt ihn zu.
zurück
Die Meise
Auguste,
wie fast jede Nichte,
Weiß wenig von Naturgeschichte.
Zu bilden sie in diesem Fache,
Ist für den Onkel Ehrensache.
»Auguste«, sprach er, »glaub es mir,
Die Meise ist ein nettes Tier.
Gar zierlich ist ihr Leibesbau,
Auch ist sie schwarz, weiß, gelb und blau.
Hell flötet sie und klettert munter
Am Strauch kopfüber und kopfunter.
Das härtste Korn verschmäht sie nicht,
Sie hämmert, bis die Schale bricht.
Mohnköpfen bohrt sie mit Verstand
Ein Löchlein in den Unterrand,
Weil dann die Sämerei gelind
Von selbst in ihren Schnabel rinnt.
Nicht immer liebt man Fastenspeisen,
Der Grundsatz gilt auch für die Meisen.
Sie gucken scharf in alle Ritzen,
Wo fette Käferlarven sitzen,
Und fangen sonst noch Myriaden
Insekten, die dem Menschen schaden;
Und hieran siehst du außerdem,
Wie weise das Natursystem.« -
So zeigt' er, wie die Sache lag.
Es war kurz vor Martinitag.
Wer da vernünftig ist und kann's
Sich leisten, kauft sich eine Gans.
Auch an des Onkels Außengiebel
Hing eine solche, die nicht übel,
Um, nackt im Freien aufgehangen,
Die rechte Reife zu erlangen.
Auf diesen Braten freute sich
Der Onkel sehr und namentlich
Vor allem auf die braune Haut,
Obgleich er sie nur schwer verdaut.
Martini kam, doch kein Arom
Von Braten spürt' der gute Ohm.
Statt dessen trat voll Ungestüm
Die Nichte ein und zeigte ihm
Die Gans, die kaum noch Gans zu nennen,
Ein Scheusal, nicht zum Wiederkennen,
Zernagt beinah bis auf die Knochen.
Kein Zweifel war, wer dies verbrochen,
Denn deutlich lehrt der Augenschein,
Es konnten nur die Meisen sein.
Also, ade, du braune Kruste! -
»Ja, lieber Onkel«, sprach Auguste,
Die gern, nach weiblicher Manier,
Bei einem Irrtum ihn ertappt:
»Die Meise ist ein nettes Tier.
Da hast du wieder recht gehabt.«
zurück
Pfannkuchen
und Salat
Von
Fruchtomletts, da mag berichten
Ein Dichter
aus den höhern Schichten.
Wir aber, ohne
Neid nach oben,
Mit
bürgerlicher Zunge loben
Uns
Pfannekuchen und Salat.
Wie unsre
Liese delikat
So etwas backt
und zubereitet,
Sei hier in
Worten angedeutet.
Drei Eier,
frisch und ohne Fehl,
Und Milch und
einen Löffel Mehl,
Die quirlt sie
fleißig durcheinand
Zu einem
innigen Verband.
Sodann, wenn
Tränen auch ein Übel,
Zerstückelt
sie und mengt die Zwiebel
Mit Öl und
Salz zu einer Brühe,
Daß der Salat
sie an sich ziehe.
Um diesen
ferner herzustellen,
Hat sie
Kartoffeln abzupellen.
Da heißt es,
fix die Finger brauchen,
Den Mund zu
spitzen und zu hauchen,
Denn heiß
geschnitten nur allein
Kann der Salat
geschmeidig sein.
Hierauf so
geht es wieder heiter
Mit unserm
Pfannekuchen weiter.
Nachdem das
Feuer leicht geschürt,
Die Pfanne
sorgsam auspoliert,
Der
Würfelspeck hineingeschüttelt,
So daß es
lustig brät und brittelt,
Pisch, kommt
darüber mit Gezisch
Das
ersterwähnte Kunstgemisch
Nun zeigt
besonders und apart
Sich Lieschens
Geistesgegenwart,
Denn nur zu
bald, wie allbekannt,
Ist solch ein
Kuchen angebrannt.
Sie prickelt
ihn, sie stockert ihn,
Sie rüttelt,
schüttelt, lockert ihn
Und lüftet
ihn, bis augenscheinlich
Die Unterseite
eben bräunlich,
Die,
umgekehrt, geschickt und prompt
Jetzt
ihrerseits nach oben kommt.
Geduld, es
währt nur noch ein bissel,
Dann liegt der
Kuchen auf der Schüssel.
Doch späterhin
die Einverleibung,
Wie die zu
Mund und Herzen spricht,
Das spottet
jeglicher Beschreibung,
Und darum
endet das Gedicht.
zurück
Der
kluge Kranich
»Ich
bin mal so«, sprach Förster Knast,
»Die Flunkerei ist mir verhaßt;
Doch sieht man oft was Sonderbares.
Im Frühling vor fünf Jahren war es,
Als ich stockstill, den Hahn gespannt,
Bei Mondschein vor dem Walde stand.
Da läßt sich plötzlich flügelsausend
Ein Kranichheer, wohl an die tausend,
Ganz dicht zu meinen Füßen nieder.
Sie kamen aus Ägypten wieder
Und dachten auf der Reise nun
Sich hier ein Stündchen auszuruhn.
Ich selbstverständlich, schlau und sacht,
Gab sehr genau auf alles acht.
,Du, Hans', so rief der Oberkranich,
,Hast heut die Wache, drum ermahn' ich
Dich ernstlich, halt dich stramm und paß
Gehörig auf, sonst gibt es was!' -
Bald schlief ein jeder ein und sägte.
Hans aber stand und überlegte.
Er nahm sich einen Kieselstein,
Erhob ihn mit dem rechten Bein
Und hielt sich auf dem linken nur
In Gleichgewicht und Positur.
Der arme Kerl war schrecklich müd.
Erst fiel das linke Augenlid,
Das rechte blinzelt zwar noch schwach,
Dann aber folgt's dem andern nach.
Er schnarcht sogar. - Ich denke schon:
Wie wird es dir ergehn, mein Sohn? -
So denk' ich, doch im Augenblick,
Als ich es dachte, geht es klick
Der Stein fiel Hänschen auf die Zeh,
Das weckt ihn auf, er schreit: ,Auweh!'
Er schaut sich um, hat mich gewittert
Pfeift, daß es Mark und Bein erschüttert,
Und alsogleich im Winkelflug
Entschwebt der ganze Heereszug.
Ich rief ,Hurra!' und schwang den Hut.
Der Vogel, der gefiel mir gut.
Er lebt auch noch. Schon oft seither
Sah man ihn fern am Schwarzen Meer
Auf einem Bein auf Posten stehn.
Dies schreibt mein Freund, der Kapitän,
Und was er sagt, ist ohne Frage
So wahr, als was ich selber sage.«
zurück
Kopf und Herz
Wie es scheint, ist die Moral
Nicht so bald beleidigt,
Während Schlauheit
allemal
Wütend sich verteidigt.
Nenn den Schlingel
liederlich,
Leicht wird er's
verdauen;
Nenn ihn dumm, so wird
er dich,
Wenn er kann, verhauen.
zurück
Fink und Frosch
Auf
leichten Schwingen frei und flink
Zum Lindenwipfel flog der Fink
Und sang an dieser hohen Stelle
Sein Morgenlied so glockenhelle.
Ein Frosch, ein dicker, der im Grase
Am Boden hockt, erhob die Nase,
Strich selbstgefällig seinen Bauch
Und denkt: Die Künste kann ich auch.
Alsbald am rauhen Stamm der Linde
Begann er, wenn auch nicht geschwinde,
Doch mit Erfolg, emporzusteigen,
Bis er zuletzt von Zweig zu Zweigen,
Wobei er freilich etwas keucht,
Den höchsten Wipfelpunkt erreicht
Und hier sein allerhöchstes Quacken
Ertönen läßt aus vollen Backen.
Der Fink, dem dieser Wettgesang
Nicht recht gefällt, entfloh und schwang
Sich auf das steile Kirchendach.
»Wart«, rief der Frosch, »ich komme nach!«
Und richtig ist er fortgeflogen,
Das heißt, nach unten hin im Bogen,
So daß er schnell und ohne Säumen
Nach mehr als zwanzig Purzelbäumen
Zur Erde kam mit lautem Quack,
Nicht ohne großes Unbehagen.
Er fiel zum Glück auf seinen Magen,
Den dicken, weichen Futtersack,
Sonst hätt' er sicher sich verletzt. -
Heil ihm! Er hat es durchgesetzt.
zurück
Verwunschen
»Geld gehört zum Ehestande,
Häßlichkeit ist keine
Schande,
Liebe ist beinah absurd.
Drum, du nimmst den
Junker Jochen
Innerhalb der nächsten
Wochen!« -
Also sprach der Ritter
Kurt.
»Vater«, flehte
Kunigunde,
»Schone meine
Herzenswunde,
Ganz umsonst ist dein
Bemühn.
Ja, ich schwör's bei Erd
und Himmel,
Niemals nehm' ich diesen
Lümmel,
Ewig, ewig hass' ich
ihn!«
»Nun, wenn Worte nicht
mehr nützen,
Dann so bleibe ewig
sitzen,
Marsch mit dir ins
Burgverlies!«
Zornig sagte dies der
Alte,
Als er in die feuchte,
kalte
Kammer sie
hinunterstieß.
Jahre kamen, Jahre
schwanden,
Nichts im Schlosse blieb
vorhanden
Außer Kunigundens Geist.
Dort, wo graue Ratten
rasseln,
Sitzt sie zwischen
Kellerasseln,
Von dem Feuermolch
umkreist.
Heut noch ist es nicht
geheuer
In dem alten Burggemäuer
Um die Mitternacht herum.
»Wehe!« ruft ein weißes
Wesen.
»Will denn niemand mich
erlösen?«
Doch die Wände bleiben
stumm.
zurück
Ungenügend
Sei es freundlich, sei es böse,
Meist genügend klar und
scharf
Klingt des Mundes
Wortgetöse
Für den täglichen
Bedarf.
Doch die Höchstgefühle
heischen
Ihren ganz besondern
Klang;
Dann sagt Grunzen oder
Kreischen
Mehr als Rede und Gesang.
zurück
Der Wetterhahn
Wie hat sich sonst so schön der
Hahn
Auf unserm Turm gedreht
Und damit jedem
kundgetan,
Woher der Wind geweht.
Doch seit dem letzten
Sturme hat
Er keinen rechten Lauf;
Er hängt so schief, er
ist so matt,
Und keiner schaut mehr
drauf.
Jetzt leckt man an den
Finger halt
Und hält ihn hoch
geschwind.
Die Seite, wo der Finger
kalt,
Von daher weht der Wind.
zurück
Scheu
und treu
Er liebte sie in aller Stille,
Bescheiden, schüchtern
und von fern
Schielt er ihr nach
durch seine Brille
Und hat sie doch so
schrecklich gern.
Ein Mücklein, welches an
der Nase
des schönen Kindes
saugend saß,
Ertränkte sich in seinem
Glase.
Es schmeckt' ihm fast
wie Ananas.
Sie hatte Haare wie 'ne
Puppe,
So unvergleichlich blond
und kraus.
Einst fand er eines in
der Suppe
Und zog es hochbeglückt
heraus.
Er rollt es auf zu einem
Löckchen,
Hat's in ein Medaillon
gelegt.
Nun hängt es unter
seinem Röckchen,
Da, wo sein treues Herze
schlägt.
zurück
Querkopf
Ein eigner
Kerl war Krischan Bolte.
Er tat nicht
gerne, was er sollte.
Als Kind schon
ist er so gewesen.
Religion,
Rechtschreiben und Lesen
Fielen für ihn
nicht ins Gewicht:
Er sollte zur
Schule und wollte nicht.
Später kam er
zu Meister Pfriem.
Der zeigte ihm
redlich und sagte ihm,
Jedoch
umsonst, was seine Pflicht:
Er sollte
schustern und wollte nicht.
Er wollte sich
nun mal nicht quälen,
Deshalb
verfiel er auf das Stehlen.
Man faßt' ihn,
stellt' ihn vor Gericht:
Er sollte
bekennen und wollte nicht.
Trotzdem
verdammt man ihn zum Tode
Er aber blieb,
nach seiner Mode,
Ein
widerspenstiger Bösewicht:
Er sollte
hängen und wollte nicht.
zurück
Noch zwei
Durch das Feld ging die Familie,
Als mit glückbegabter
Hand
Sanft errötend Frau
Ottilie
Eine Doppelähre fand.
Was die alte Sage kündet,
Hat sich öfter schon
bewährt:
Dem, der solche Ähren
findet,
Wird ein Doppelglück
beschert.
Vater Franz blickt scheu
zur Seite.
Zwei zu fünf, das wäre
viel.
»Kinder«, sprach er,
»aber heute
ist es ungewöhnlich
schwül.«
zurück
Die Teilung
Es hat einmal, so wird gesagt,
Der Löwe mit dem Wolf
gejagt.
Da haben sie vereint
erlegt
Ein Wildschwein, stark
und gut gepflegt.
Doch als es ans
Verteilen ging,
Dünkt das dem Wolf ein
mißlich Ding.
Der Löwe sprach: »Was
grübelst du?
Glaubst du, es geht
nicht redlich zu?
Dort kommt der Fuchs, er
mag entscheiden
Was jedem zukommt von
uns beiden.«
»Gut«, sagt der Wolf,
dem solch ein Freund
Als Richter gar nicht
übel scheint.
Der Löwe winkt dem Fuchs
sogleich:
»Herr Doktor, das ist
was für Euch.
Hier dieses jüngst
erlegte Schwein,
Bedenkt es wohl, ist
mein und sein.
Ich faßt' es vorn, er
griff es hinten;
Jetzt teilt es uns, doch
ohne Finten.«
Der Fuchs war ein Jurist
von Fach.
»Sehr einfach«, spricht
er, »liegt die Sach
Das Vorderteil, ob viel,
ob wenig,
Erhält mit Fug und Recht
der König.
Dir aber, Vetter Isegrim,
Gebürt das Hinterteil.
Da nimm!«
Bei diesem Wort trennt
er genau
Das Schwänzlein hinten
von der Sau.
Indes der Wolf
verschmäht die Beute,
Verneigt sich kurz und
geht beiseite.
»Fuchs«, sprach der
Löwe, »bleibt bei mir
Von heut an seid Ihr
Großwesir.«
zurück
Wie üblich
Suche
nicht apart zu scheinen,
Wandle auf betretnen Wegen.
Meinst du, was die andern meinen,
Kommt man freundlich dir entgegen.
Mancher, auf dem Seitensteige,
Hat sich im Gebüsch verloren,
Und da schlugen ihm die Zweige
Links und rechts um seine Ohren.
zurück
Gemartert
Ein gutes Tier
Ist das
Klavier,
Still,
friedlich und bescheiden,
Und muß dabei
Doch vielerlei
Erdulden und
erleiden.
Der Virtuos
Stürzt darauf
los
Mit
hochgesträubter Mähne.
Er öffnet ihm
Voll Ungestüm
Den Leib
gleich der Hyäne.
Und rasend
wild,
Das Herz
erfüllt
Von
mörderlicher Freude,
Durchwühlt er
dann,
Soweit er kann,
Des Opfers
Eingeweide.
Wie es da
schrie,
Das arme Vieh,
Und unter
Angstgewimmer
Bald hoch,
bald tief
Um Hilfe rief,
Vergess' ich
nie und nimmer.
zurück
oben
weiter
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