|
|
|
|
|
lifedays-seite
moment
in time
|
|
|
04.2
Wilhelm
Busch
Zu
guter Letzt
Strebsam
Mein
Sohn, du hast allhier auf Erden
Dir vorgenommen, was zu werden,
Sei nicht zu keck;
Und denkst du, sei ein stiller Denker!
Nicht leicht befördert wird der Stänker.
Mit Demut salbe deinen Rücken,
Voll Ehrfurcht hast du dich zu bücken,
Mußt heucheln, schmeicheln, mußt dich fügen,
Denn selbstverständlich nur durch Lügen
Kommst du vom Fleck.
Oh, tu's mit Eifer, tu's geduldig,
Bedenk, was du dir selber schuldig!
Das Gönnerherz wird sich erweichen,
Und wohl verdient wirst du erreichen
Den guten Zweck.
zurück
Der
innere Architekt
Wem's in der Unterwelt zu still,
Wer oberhalb erscheinen
will,
Der baut sich, je nach
seiner Weise,
Ein sichtbarliches
Wohngehäuse.
Er ist ein blinder
Architekt,
Der selbst nicht weiß,
was er bezweckt.
Dennoch verfertigt er
genau
Sich kunstvoll seinen
Leibesbau.
Und sollte mal was dran
passieren,
Kann er's verputzen und
verschmieren,
Und ist er etwa gar ein
solch
Geschicktes Tierlein wie
der Molch,
Dann ist ihm alles
einerlei,
Und wär's ein Bein, er
macht es neu.
Nur schad, daß, was so
froh begründet,
So traurig mit der Zeit
verschwindet,
Wie schließlich jeder
Bau hienieden,
Sogar die stolzen
Pyramiden!
zurück
Das
Brot
Er saß beim Frühstück äußerst
grämlich,
Da sprach ein Krümchen
Brot vernehmlich:
»Aha, so ist es mit dem
Orden
Für diesmal wieder
nichts geworden.
Ja, Freund, wer seinen
Blick erweitert
Und schaut nach hinten
und nach vorn,
Der preist den Kummer,
denn er läutert.
Ich selber war ein
Weizenkorn.
Mit vielen, die mir
anverwandt,
Lag ich im rauhen
Ackerland.
Bedrückt von einem
Erdenkloß,
Macht' ich mich mutig
strebend los.
Gleich kam ein alter Has
gehupft
Und hat mich an der Nas
gezupft.
Und als es Winter ward,
verfror,
Was peinlich ist, mein
linkes Ohr.
Und als ich reif mit
meiner Sippe,
O weh, da hat mit seiner
Hippe
Der Hans uns rutschweg
abgesäbelt
Und zum Ersticken
festgeknebelt
Und auf die Tenne
fortgeschafft,
Wo ihrer vier mit voller
Kraft
In regelrechtem
Flegeltakte
Uns klopften, daß die
Schwarte knackte.
Ein Esel trug uns nach
der Mühle.
Ich sage dir, das sind
Gefühle,
Wenn man, zerrieben und
gedrillt
Zum allerfeinsten
Staubgebild,
Sich kaum besinnt und
fast vergißt,
Ob Sonntag oder Montag
ist.
Und schließlich schob
der Bäckermeister,
Nachdem wir erst als
zäher Kleister
In seinem Troge baß
gehudelt,
Vermengt, geknetet und
vernudelt,
Uns in des Ofens höchste
Glut.
Jetzt sind wir Brot. Ist
das nicht gut?
Frischauf, du hast
genug, mein Lieber,
Greif zu und schneide
nicht zu knapp,
Und streiche tüchtig
Butter drüber,
Und gib den andern auch
was ab!«
zurück
Nicht artig
Man ist ja von Natur
kein Engel,
Vielmehr ein Welt- und
Menschenkind.
Und ringsumher ist ein
Gedrängel
Von solchen, die
dasselbe sind.
In diesem Reich geborner
Flegel,
Wer könnte sich des
Lebens freun,
Würd' es versäumt, schon
früh die Regel
Der Rücksicht kräftig
einzubleun.
Es saust der Stock, es
schwirrt die Rute.
Du darfst nicht zeigen,
was du bist.
Wie schad, o Mensch, daß
dir das Gute
Im Grunde so zuwider ist!
zurück
Sonst
und jetzt
Wie standen ehedem die Sachen
So neckisch da in ihrem
Raum
Schwer war's, ein Bild
davon zu machen,
Und selbst der Beste
konnt' es kaum.
Jetzt, ohne sich zu
überhasten,
Stellt man die
Guckmaschine fest
Und zieht die Bilder aus
dem Kasten
Wie junge Spatzen aus
dem Nest.
zurück
Drum
Wie dunkel ist der Lebenspfad,
Den wir zu wandeln
pflegen.
Wie gut ist da ein
Apparat
Zum Denken und Erwägen.
Der Menschenkopf ist
voller List
Und voll der schönsten
Kniffe;
Er weiß, wo was zu
kriegen ist,
Und lehrt die rechten
Griffe.
Und weil er sich so
nützlich macht,
Behält ihn jeder gerne.
Wer stehlen will, und
zwar bei Nacht,
Braucht eine
Diebslaterne.
zurück
Reue
Die
Tugend will nicht immer passen.
Im ganzen läßt sie etwas kalt,
Und daß man eine unterlassen,
Vergißt man bald.
Doch schmerzlich denkt manch alter Knaster
Der von vergangnen Zeiten träumt,
An die Gelegenheit zum Laster,
Die er versäumt.
zurück
Unverbesserlich
Wer Bildung hat, der ist empört,
Wenn er so schrecklich
fluchen hört.
Dies »Nasowolltich«,
dies »Parblö«,
Dies ewige »Ojemine«,
Dies
»Eipotztausendnocheinmal«,
Ist das nicht eine
Ohrenqual?
Und gar
»Daßdichdasmäusleinbeiß«,
Da wird mir's immer kalt
und heiß,
Wie oft wohl sag' ich:
»Es ist häßlich,
Ist unanständig, roh und
gräßlich.«
Ich bitt' und flehe:
»Laßt es sein,
Denn es ist sündlich.« -
Aber nein,
Vergebens ring' ich
meine Hände,
Die Flucherei nimmt doch
kein Ende!
zurück
Der
Schatz
Der Stoffel wankte frohbewegt
Spät in der Nacht nach
Haus.
Da ging, wie das zu
kommen pflegt,
Ihm seine Pfeife aus.
Wer raucht, der raucht
nicht gerne kalt.
Wie freut sich Stoffel
da,
Als er ganz dicht vor
sich im Wald
Ein Kohlenfeuer sah.
Die Kohlen glühn in
einem Topf.
Der frohe Stoffel drückt
Gleich eine in den
Pfeifenkopf
Und zieht als wie
verrückt.
Wohl sieht er, wie die
Kohle glüht.
Nur daß sie gar nicht
brennt.
Da überläuft es sein
Gemüt,
Er flucht:
»Potzzapperment!«
Das Wort war hier nicht
recht am Platz.
Es folgt ein
Donnerschlag.
Versunken ist der
Zauberschatz
Bis an den Jüngsten Tag.
Die Pfeife fällt vor
Schreck und Graus
Auf einen harten Stein.
Ein Golddukaten rollt
heraus
Blitzblank im
Mondenschein.
Von nun an, denkt der
Stoffel schlau,
Schweig' ich am rechten
Ort. -
Er kehrte heim zu seiner
Frau
Und sprach kein einzig
Wort.
zurück
Der
Kohl
Unter all den hübschen Dingen
In der warmen Sommerzeit
Ist ein Korps von
Schmetterlingen
Recht ergötzlich
insoweit.
Bist du dann zu deinem
Wohle
In den Garten
hinspaziert,
Siehst du über deinem
Kohle
Muntre Tänze aufgeführt.
Weiß gekleidet und
behende
Flattert die vergnügte
Schar,
Bis daß Lieb und Lust zu
Ende
Wieder mal für dieses
Jahr.
Zum getreuen Angedenken,
Auf den Blättern kreuz
und quer,
Lassen sie zurück und
schenken
Dir ein schönes
Raupenheer.
Leidest du, daß diese
Sippe
Weiterfrißt, wie sie
begehrt,
Kriegst du, nebst dem
Blattgerippe,
Nur noch Proben ohne
Wert.
Also ist es zu empfehlen,
Lieber Freund, daß du
dich bückst
Und sehr viele
Raupenseelen,
Pitsch, aus ihren Häuten
drückst.
Denn nur der ist
wirklich weise,
Der auch in die Zukunft
schaut.
Denk an deine
Lieblingsspeise:
Schweinekopf mit
Sauerkraut.
zurück
Der gütige Wanderer
Fing man vorzeiten einen Dieb,
Hing man ihn auf mit
Schnellbetrieb,
Und meinte man, er sei
verschieden,
Ging man nach Haus und
war zufrieden.
Ein Wandrer von der
weichen Sorte
Kam einst zu solchem
Galgenorte
Und sah, daß oben einer
hängt,
Dem kürzlich man den
Hals verlängt.
Sogleich, als er ihn
baumeln sieht,
Zerfließt in Tränen sein
Gemüt.
Ich will den armen
Schelm begraben,
Denkt er, sonst fressen
ihn die Raben.
Nicht ohne Müh, doch mit
Geschick,
Klimmt er hinauf und
löst den Strick;
Und jener, der im Wind
geschwebt,
Liegt unten, scheinbar
unbelebt.
Sieh da, nach Änderung
der Lage
Tritt neu die
Lebenskraft zutage,
So daß der gute
Delinquent
Die Welt ganz deutlich
wiederkennt.
Zärtlich, als wär's der
eigne Vetter,
Umarmt er seinen
Lebensretter,
Nicht einmal, sondern
noch einmal,
Vor Freude nach so
großer Qual.
»Mein lieber Mitmensch«,
sprach der Wandrer,
»Geh in dich, sei hinfür
ein andrer.
Zum Anfang für dein
neues Leben
Werd' ich dir jetzt zwei
Gulden geben.«
Das Geben tat ihm immer
wohl.
Rasch griff er in sein
Kamisol,
Wo er zur langen
Pilgerfahrt
Den vollen Säckel
aufbewahrt.
Er sucht' und sucht' und
fand ihn nicht,
Und länger wurde sein
Gesicht.
Er sucht' und suchte wie
ein Narr,
Weit wird der Mund, das
Auge starr,
Bald ist ihm heiß, bald
ist ihm kalt.
Der Dieb verschwand im
Tannenwald.
zurück
Die
Freunde
Zwei Knaben, Fritz und
Ferdinand,
Die gingen immer Hand in
Hand,
Und selbst in einer
Herzensfrage
Trat ihre Einigkeit
zutage.
Sie liebten beide
Nachbars Käthchen,
Ein blondgelocktes
kleines Mädchen.
Einst sagte die
verschmitzte Dirne:
»Wer holt mir eine
Sommerbirne,
Recht saftig, aber nicht
zu klein?
Hernach soll er der
Beste sein.«
Der Fritz nahm seinen
Freund beiseit
Und sprach: »Das machen
wir zu zweit;
Da drüben wohnt der alte
Schramm,
Der hat den schönsten
Birnenstamm;
Du steigst hinauf und
schüttelst sacht,
Ich lese auf und gebe
acht.«
Gesagt, getan. Sie sind
am Ziel.
Schon als die erste
Birne fiel,
Macht' Fritz damit sich
aus dem Staube,
Denn eben schlich aus
dunkler Laube,
In fester Faust ein
spanisch Rohr,
Der aufmerksame Schramm
hervor.
Auch Ferdinand sah ihn
beizeiten
Und tät am Stamm
heruntergleiten
In Ängstlichkeit und
großer Hast,
Doch eh' er unten Fuß
gefaßt,
Begrüßt ihn Schramm
bereits mit Streichen,
Als wollt' er einen
Stein erweichen.
Der Ferdinand voll
Schmerz und Hitze,
Entfloh und suchte
seinen Fritze.
Wie angewurzelt blieb er
stehn.
Ach, hätt' er es doch
nie gesehn:
Die Käthe hat den Fritz
geküßt,
Worauf sie eine Birne
ißt. -
Seit dies geschah, ist
Ferdinand
Mit Fritz nicht mehr so
gut bekannt.
zurück
Der Kobold
In einem Häuschen, sozusagen
(Den ersten Stock
bewohnt der Magen),
In einem Häuschen war's
nicht richtig,
Darinnen spukt' und
tobte tüchtig
Ein Kobold, wie ein
wildes Bübchen,
Vom Keller bis zum
Oberstübchen.
Fürwahr, es war ein bös
Getös.
Der Hausherr wird
zuletzt nervös,
Und als ein desperater
Mann
Steckt er kurzweg sein
Häuschen an
Und baut ein Haus sich
anderswo
Und meint, da ging es
ihm nicht so.
Allein, da sieht er sich
betrogen.
Der Kobold ist mit
umgezogen
Und macht Spektakel und
Rumor
Viel ärger noch als wie
zuvor.
»Ha«, riet der Mann,
»wer bist du, sprich?«
Der Kobold lacht: »Ich
bin dein Ich!«
zurück
Bestimmung
Ein Fuchs von
flüchtiger Moral
Und
unbedenklich, wenn er stahl,
Schlich sich
bei Nacht zum Hühnerstalle
Von einem
namens Jochen Dralle,
Der, weil die
Mühe ihn verdroß,
Die Tür mal
wieder nicht verschloß.
Er hat sich,
wie er immer pflegt,
So, wie er
war, zu Bett gelegt.
Er schlief und
schnarchte auch bereits.
Frau Dralle,
welche ihrerseits
Noch wachte,
denn sie hat die Grippe,
Stieß Jochen
an die kurze Rippe.
»Du«, rief sie
flüsternd, »hör doch bloß,
Im
Hühnerstall, da ist was los;
Das ist der
Fuchs, der alte Racker!«
Und schon
ergriff sie kühn und wacker,
Obgleich sie
nur im Nachtgewand,
Den Besen, der
am Ofen stand,
Indes der
Jochen leise flucht
Und erst mal
Licht zu machen sucht.
Sie ging
voran, er hinterdrein.
Es pfeift der
Wind, die Hühner schrein.
»Nur zu«,
mahnt Jochen, »sei nur dreist,
Und sag
Bescheid, wenn er dich beißt!«
Umsonst sucht
sich der Dieb zu drücken
Vor Madame
Dralles Geierblicken.
Sie schlägt
ihm unaussprechlich schnelle
Zwei-, dreimal
an derselben Stelle
Mit ihres
Besens hartem Stiel
Aufs
Nasenbein. Das war zuviel. -
Ein jeder
kriegt, ein jeder nimmt
In dieser
Welt, was ihm bestimmt.
Der Fuchs,
nachdem der BaIg herab,
Bekommt ein
Armesündergrab.
Frau Dralle,
weil sie leichtgesinnt
Sich
ausgesetzt dem Winterwind
Zum Trotz der
Selbsterhaltungspflicht,
Kriegt zu der
Grippe noch die Gicht.
Doch Jochen
kriegte hocherfreut
Infolge der
Gelegenheit
Von Pelzwerk
eine warme Kappe
Mit Vorder-
und mit Hinterklappe.
Stets hieß es
dann, wenn er sie trug:
Der ist es,
der den Fuchs erschlug!
zurück
Beiderseits
»Frau Welt, was ist das nur mit
Euch?«
Herr Walter sprach's,
der alte.
»Ihr werdet grau und
faltenreich
Und traurig von
Gestalte.«
Frau Welt darauf
erwidert schnippsch:
»Mein Herr, seid lieber
stille.
Ihr scheint mir auch
nicht mehr so hübsch
Mit eurer schwarzen
Brille.«
zurück
Die Welt
»Es
geht ja leider nur soso
Hier auf der Welt«, sprach Salomo.
Dies war verzeihlich. Das Geschnatter
Von tausend Frauen, denn die hatt' er,
Macht auch den Besten ungerecht.
Uns aber geht es nicht so schlecht.
Wer, wie es Brauch in unsern Tagen,
Nur eine hat, der soll nicht sagen
Und klagen, was doch mancher tut:
»Ich bin für diese Welt zu gut.«
Selbst wem es fehlt an dieser einen,
Der braucht darob nicht gleich zu weinen
Und sich kopfüber zu ertränken.
Er hat, das mag er wohl bedenken,
Am Weltgebäude mitgezimmert
Und allerlei daran verschlimmert.
Und wenn er so in sich gegangen,
Gewissenhaft und unbefangen,
Dann kusch er sich und denke froh:
Gottlob, ich bin kein Salomo;
Die Welt, obgleich sie wunderlich,
Ist mehr als gut genug für mich!
zurück
Die Mücken
Dich freut die warme Sonne.
Du lebst im Monat Mai.
In deiner Regentonne,
Da rührt sich allerlei.
Viel kleine Tierlein
steigen
Bald auf-, bald
niederwärts,
Und, was besonders eigen,
Sie atmen mit dem Sterz.
Noch sind sie ohne
Tücken,
Rein kindlich ist ihr
Sinn.
Bald aber sind sie Mücken
Und fliegen frei dahin.
Sie fliegen auf und
nieder
Im Abendsonnenglanz
Und singen feine Lieder
Bei ihrem Hochzeitstanz.
Du gehst zu Bett um
zehne,
Du hast zu schlafen vor,
Dann hörst du jene Töne
Ganz dicht an deinem
Ohr.
Drückst du auch in die
Kissen
Dein wertes Angesicht,
Dich wird zu finden
wissen
Der Rüssel, welcher
sticht.
Merkst du, daß er dich
impfe,
So reib mit Salmiak
Und dreh dich um und
schimpfe
Auf dieses Mückenpack.
zurück
oben
weiter
|
lifedays-seite
- moment in time |
|
|
|
|
|
|
|