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04.2
Wilhelm
Busch
Zu
guter Letzt
Überliefert
Zu Olims Zeit, auf der Oase,
Am Quell, wo schlanke
Palmen stehen,
Saß einst das Väterchen
im Grase
Und hatte allerlei
Ideen.
Gern sprach davon der
Hochverehrte
Zu seinen Söhnen, seinen
Töchtern,
Und das Gelehrte, oft
Gehörte
Ging von Geschlechte zu
Geschlechtern.
Auch wir, in mancher
Abendstunde,
Wenn treue Liebe uns
bewachte,
Vernahmen froh die gute
Kunde
Von dem, was Väterchen
erdachte.
Und sicher klingt das
früh Gewußte
So lang in wohlgeneigte
Ohren,
Bis auf der kalten
Erdenkruste
Das letzte Menschenherz
erfroren.
zurück
Verstand
und Leidenschaft
Es ist ein recht beliebter Bau.
Wer wollte ihn nicht
loben?
Drin wohnt ein Mann mit
seiner Frau,
Sie unten und er oben.
Er, als ein
schlaugewiegter Mann,
Hält viel auf weise
Lehren,
Sie, ungestüm und drauf
und dran,
Tut das, was ihr
Begehren.
Sie läßt ihn reden und
begeht,
Blind, wie sie ist, viel
Wüstes,
Und bringt sie das in
Schwulität:
»Na«, sagt er kühl, »da
siehst es.«
Vereinen sich jedoch die
zwei
Zu traulichem Verbande,
Dann kommt die schönste
Lumperei
Hübsch regelrecht
zustande.
So geht's in diesem
Hause her.
Man möchte fast
erschrecken.
Auch ist's beweglich,
aber mehr
Noch als das Haus der
Schnecken.
zurück
Lache
nicht
Lache
nicht, wenn mit den Jahren
Lieb und Freundlichkeit vergehen,
Was Paulinchen ist geschehen,
Kann auch dir mal widerfahren.
Sieh nur, wie verändert hat sich
Unser guter Küchenbesen,
Er, der sonst so weich gewesen,
Ist jetzunder stumpf und kratzig.
zurück
Im Herbst
Der
schöne Sommer ging von hinnen,
Der Herbst, der reiche, zog ins Land.
Nun weben all die guten Spinnen
So manches feine Festgewand.
Sie weben zu des Tages Feier
Mit kunstgeübtem Hinterbein
Ganz allerliebste Elfenschleier
Als Schmuck für Wiese, Flur und Hain.
Ja, tausend Silberfäden geben
Dem Winde sie zum leichten Spiel,
Sie ziehen sanft dahin und schweben
Ans unbewußt bestimmte Ziel.
Sie ziehen in das Wunderländchen,
Wo Liebe scheu im Anbeginn,
Und leis verknüpft ein zartes Bändchen
Den Schäfer mit der Schäferin.
zurück
Befriedigt
Gehorchen wird jeder mit Genuß
Den Frauen, den
hochgeschätzten,
Hingegen machen uns
meist Verdruß
Die sonstigen
Vorgesetzten.
Nur wenn ein kleines
Mißgeschick
Betrifft den Treiber und
Leiter,
Dann fühlt man für den
Augenblick
Sich sehr befriedigt und
heiter.
Als neulich am Sonntag
der Herr Pastor
Eine peinliche Pause
machte,
Weil er den Faden der
Rede verlor,
Da duckt' sich der
Küster und lachte.
zurück
Es
spukt
Abends, wenn die Heimchen
singen,
Wenn die Lampe düster
schwelt,
Hör' ich gern von
Spukedingen,
Was die Tante mir
erzählt.
Wie es klopfte in den
Wänden,
Wie der alte Schrank
geknackt,
Wie es einst mit kalten
Händen
Mutter Urschel
angepackt,
Wie man oft ein leises
Jammern
Grad um Mitternacht
gehört,
Oben in den Bodenkammern,
Scheint mir höchst
bemerkenswert.
Doch erzählt sie gar das
Märchen
Von dem Geiste ohne Kopf,
Dann erhebt sich jedes
Härchen
Schaudervoll in meinem
Schopf.
Und ich kann es nicht
verneinen,
Daß es böse Geister gibt,
Denn ich habe selber
einen,
Der schon manchen
Streich verübt.
zurück
Daneben
Stoffel hackte mit dem Beile.
Dabei tat er sich sehr
wehe,
Denn er traf in aller
Eile
Ganz genau die große
Zehe.
Ohne jedes
Schmerzgewimmer,
Nur mit Ruh, mit einer
festen,
Sprach er: »Ja, ich sag'
es immer,
Nebenzu trifft man am
besten.«
zurück
Die Birke
Es wächst wohl auf der Heide
Und in des Waldes Raum
Ein Baum zu Nutz und
Freude,
Genannt der Birkenbaum.
Die Schuh, daraus
geschnitzet,
Sind freundlich von
Gestalt.
Wohl dem, der sie
besitzet,
Ihm wird der Fuß nicht
kalt.
Es ist die weiße Rinde
Zu Tabaksdosen gut,
Als teures Angebinde
Für den, der schnupfen
tut.
Man zapfet aus der Birke
Sehr angenehmen Wein,
Man reibt sich, daß es
wirke,
Die Glatze damit ein.
Dem Birkenreiserbesen
Gebühret Preis und Ehr;
Das stärkste
Kehrichtwesen,
Das treibt er vor sich
her.
Von Birken eine Rute,
Gebraucht am rechten Ort,
Befördert oft das Gute
Mehr als das beste Wort.
Und kommt das Fest der
Pfingsten,
Dann schmückt mir fein
das Haus,
Ihr, meine liebsten
Jüngsten,
Mit Birkenzweigen aus.
zurück
Jaja!
Ein weißes Kätzchen, voller
Schliche,
Ging heimlich, weil es
gerne schleckt,
Des Abends in die
Nachbarküche,
Wo man es leider bald
entdeckt.
Mit Besen und mit
Feuerzangen
Gejagt in alle Ecken
ward's.
Es fuhr zuletzt voll
Todesbangen
Zum Schlot hinaus und
wurde schwarz.
Ja, siehst du wohl, mein
liebes Herze?
Wer schlecken will, was
ihm gefällt,
Der kommt nicht ohne
Schmutz und Schwärze
Hinaus aus dieser bösen
Welt.
zurück
Der
Begleiter
Hans, der soeben in der Stadt
Sein fettes Schwein
verwertet hat,
Ging spät nach Haus bei
Mondenschein,
Ein Fremder folgt und
holt ihn ein.
»Grüß' Gott!« rief Hans.
»Das trifft sich gut,
Zu zweit verdoppelt sich
der Mut.«
Der Fremde denkt: Ha,
zapperlot!
Der Kerl hat Geld, ich
schlag' ihn tot!
Nur nicht von vorn, daß
er es sieht,
Dagegen sträubt sich
mein Gemüt.
Und weiter gehn sie
allgemach,
Der Hans zuvor, der
Fremde nach. -
Jetzt, denkt sich
dieser, mach' ich's ab.
Er hob bereits den
Knotenstab. -
»Was gilt die Butter
denn bei euch?«
Fragt Hans und dreht
sich um zugleich.
Der Fremde schweigt, der
Fremde stutzt,
Der Knittel senkt sich
unbenutzt.
Und weiter gehn sie
allgemach,
Der eine vor, der andre
nach.
Hier, wo die dunklen
Tannen stehn,
Hier, denkt der Fremde,
soll's geschehn. -
»Spielt man auch Skat
bei euch zuland?«
Fragt Hans und hat sich
umgewandt.
Der Fremde nickt und
steht verdutzt,
Der Knittel senkt sich
unbenutzt.
Und weiter gehn sie
allgemach,
Der eine vor, der andre
nach.
Hier, denkt der Fremde,
wo das Moor,
Hier hau' ich fest ihm
hinters Ohr. -
Und wieder dreht der
Hans sich um.
»Prost!« rief er
fröhlich. »Mögt Ihr Rum?«
Und zog ein Fläschlein
aus dem Rock.
Der Fremde senkt' den
Knotenstock,
Tat einen Zug, der war
nicht schwach,
Und weiter gehn sie
allgemach.
Schon sind sie aus dem
Wald heraus,
Und schau, da steht das
erste Haus!
Es kräht der Hahn, es
bellt der Spitz.
»Dies«, rief der Hans,
»ist mein Besitz!
Tritt ein, du ehrlicher
Gesell,
Und nimm den Dank für
dein Geleit!«
Doch der Gesell entfernt
sich schnell -
Vermutlich aus
Bescheidenheit.
zurück
Die Unbeliebte
»Habt ihr denn wirklich keinen
Schimmer
Von Angst, daß ihr noch
ruhig schlaft?
Wird denn in dieser Welt
nicht immer
Das Leben mit dem Tod
bestraft?
Ihr lebt vergnügt trotz
dem Verhängnis,
Das näher stets und
näher zieht.
So stiehlt der Dieb, dem
das Gefängnis
Und später gar der
Galgen blüht.«
»Hör auf«, entgegnet
frech die Jugend,
»Du altes
Jammerinstrument!
Man merkt es gleich, du
bist die Tugend,
Die keinem sein
Vergnügen gönnt.«
zurück
Der
Ruhm
Der Ruhm, wie alle
Schwindelware,
Hält selten über tausend
Jahre.
Zumeist vergeht schon
etwas eh'r
Die Haltbarkeit und die
Kulör.
Ein Schmetterling voll
Eleganz,
Genannt der Ritter
Schwalbenschwanz,
Ein Exemplar von erster
Güte,
Begrüßte jede
Doldenblüte,
Und holte hier und holte
da
Sich Nektar und Ambrosia.
Mitunter macht er sich
auch breit
In seiner ganzen
Herrlichkeit
Und zeigt den Leuten
seine Orden
Und ist mit Recht
berühmt geworden.
Die jungen Mädchen
fanden dies
Entzückend, goldig,
reizend, süß.
Vergeblich schwenkten
ihre Mützen
Die Knaben, um ihn zu
besitzen.
Sogar der Spatz hat
zugeschnappt
Und hätt' ihn um ein
Haar gehabt.
Jetzt aber naht sich ein
Student,
Der seine Winkelzüge
kennt.
In einem Netz mit engen
Maschen
Tät er den Flüchtigen
erhaschen,
Und da derselbe ohne
Tadel,
Spießt er ihn auf die
heiße Nadel.
So kam er unter Glas und
Rahmen
Mit Datum, Jahreszahl
und Namen
Und bleibt berühmt und
unvergessen,
Bis ihn zuletzt die
Motten fressen.
Man möchte weinen, wenn
man sieht,
Daß dies das Ende von
dem Lied.
zurück
Der Philisoph
Ein Philosoph von ernster Art,
Der sprach und strich
sich seinen Bart:
»Ich lache nie. Ich
lieb' es nicht,
Mein ehrenwertes
Angesicht
Durch Zähnefletschen zu
entstellen
Und närrisch wie ein
Hund zu bellen;
Ich lieb' es nicht,
durch ein Gemecker
Zu zeigen, daß ich
Witzentdecker;
Ich brauche nicht durch
Wertvergleichen
Mit andern mich
herauszustreichen,
Um zu ermessen, was ich
bin,
Denn dieses weiß ich
ohnehin.
Das Lachen will ich
überlassen
Den minder hochbegabten
Klassen.
Ist einer ohne
Selbstvertraun
In Gegenwart von schönen
Fraun,
So daß sie ihn als faden
Gecken
Abfahren lassen oder
necken,
Und fühlt er drob
geheimen Groll
Und weiß nicht, was er
sagen soll,
Dann schwebt mit Recht
auf seinen Zügen
Ein unaussprechliches
Vergnügen.
Und hat er Kursverlust
erlitten,
Ist er moralisch
ausgeglitten,
So gibt es Leute, die
doch immer
Noch dümmer sind als er
und schlimmer.
Und hat er etwa krumme
Beine,
So gibt's noch krümmere
als seine.
Und tröstet sich und
lacht darüber
Und denkt: Da bin ich
mir doch lieber.
Den Teufel lass' ich aus
dem Spiele.
Auch sonst noch lachen
ihrer viele,
Besonders jene ewig
Heitern,
Die unbewußt den Mund
erweitern,
Die, sozusagen,
auserkoren
Zum Lachen bis an beide
Ohren.
Sie freuen sich mit Weib
und Kind
Schon bloß, weil sie
vorhanden sind.
Ich dahingegen, der ich
sitze
Auf der Betrachtung
höchster Spitze,
Weit über allem Was und
Wie,
Ich bin für mich und
lache nie.«
zurück
Höchste Instanz
Was er liebt, ist keinem
fraglich;
Triumphierend und
behaglich
Nimmt es seine Seele ein
Und befiehlt: »So soll
es sein.«
Suche nie, wo dies
geschehen,
Widersprechend
vorzugehen,
Sintemalen im Gemüt
Schon die höchste Macht
entschied.
Ungestört in ihren Lauben
Laß die Liebe, laß den
Glauben,
Der, wenn man es recht
ermißt,
Auch nur lauter Liebe
ist.
zurück
Erneuerung
Die Mutter plagte ein Gedanke.
Sie kramt im alten
Kleiderschranke,
Wo kurz und lang,
obschon gedrängt,
Doch friedlich,
beieinander hängt.
Auf einmal ruft sie: »Ei
sieh da,
Der Schwalbenschwanz, da
ist er ja!«
Den blauen, längst nicht
mehr benützten,
Den hinten zwiefach
zugespitzten,
Mit blanken Knöpfen
schön geschmückt,
Der einst so manches
Herz berückt,
Ihn trägt sie klug und
überlegt
Dahin, wo sie zu
schneidern pflegt,
Und trennt und wendet,
näht und mißt,
Bis daß das Werk
vollendet ist.
Auf die Art aus des
Vaters Fracke
Kriegt Fritzchen eine
neue Jacke.
Grad so behilft sich der
Poet.
Du liebe Zeit, was soll
er machen?
Gebraucht sind die
Gedankensachen
Schon alle, seit die
Welt besteht.
zurück
Plaudertasche
Du liebes Plappermäulchen,
Bedenk dich erst ein
Weilchen,
Und sprich nicht so
geschwind.
Du bist wie unsre Mühle
Mit ihrem Flügelspiele
Im frischen Sausewind.
Solang der Müller tätig
Und schüttet auf, was
nötig,
Geht alles richtig zu;
Doch ist kein Korn
darinnen,
Dann kommt das Werk von
Sinnen
Und klappert so wie du.
zurück
Die Kleinsten
Sag Atome, sage Stäubchen.
Sind sie auch unendlich
klein,
Haben sie doch ihre
Leibchen
Und die Neigung
dazusein.
Haben sie auch keine
Köpfchen,
Sind sie doch voll
Eigensinn.
Trotzig spricht das
Zwerggeschöpfchen:
»Ich will sein, so wie
ich bin.«
Suche nur, sie zu
bezwingen,
Stark und findig, wie du
bist.
Solch ein Ding hat seine
Schwingen,
Seine Kraft und seine
List.
Kannst du auch aus ihnen
schmieden
Deine Rüstung als Despot,
Schließlich wirst du
doch ermüden,
Und dann heißt es: »Er
ist tot.«
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