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04.2
Wilhelm
Busch
Zu
guter Letzt
Duldsam
Des Morgens früh, sobald ich
mir
Mein Pfeifchen
angezündet,
Geh' ich hinaus zur
Hintertür,
Die in den Garten
mündet.
Besonders gern betracht'
ich
dann
Die Rosen, die so
niedlich;
Die Blattlaus sitzt und
saugt daran
So grün, so still, so
friedlich.
Und doch wird sie, so
still
sie ist,
Der Grausamkeit zur
Beute;
Der Schwebefliegen Larve
frißt
Sie auf bis auf die
Häute.
Schlupfwespchen, flink
und
klimperklein,
Sosehr die Laus sich
sträube,
Sie legen doch ihr Ei
hinein
Noch bei lebendgem
Leibe.
Sie aber sorgt nicht nur
mit
Fleiß
Durch Eier für
Vermehrung;
Sie kriegt auch Junge
hundertweis
Als weitere Bescherung.
Sie nährt sich an dem
jungen
Schaft
Der Rosen, eh' sie
welken;
Ameisen kommen, ihr den
Saft
Sanft streichelnd
abzumelken.
So seh' ich in
Betriebsamkeit
Das hübsche Ungeziefer
Und rauche während
dieser Zeit
Mein Pfeifchen tief und
tiefer.
Daß keine Rose ohne Dorn,
Bringt mich nicht aus
dem Häuschen.
Auch sag' ich ohne jeden
Zorn:
»Kein Röslein ohne
Läuschen!«
zurück
Hund
und Katze
Miezel, eine schlaue Katze,
Molly, ein begabter Hund,
Wohnhaft an demselben
Platze,
Haßten sich aus
Herzensgrund.
Schon der Ausdruck ihrer
Mienen,
Bei gesträubter
Haarfrisur,
Zeigt es deutlich:
Zwischen ihnen
Ist von Liebe keine
Spur.
Doch wenn Miezel in dem
Baume,
Wo sie meistens hin
entwich,
Friedlich dasitzt, wie
im Traume,
Dann ist Molly außer
sich.
Beide lebten in der
Scheune,
Die gefüllt mit frischem
Heu.
Alle beide hatten Kleine,
Molly zwei und Miezel
drei.
Einst zur Jagd ging
Miezel wieder
Auf das Feld. Da geht es
bumm.
Der Herr Förster schoß
sie nieder.
Ihre Lebenszeit ist um.
Oh, wie jämmerlich miauen
Die drei Kinderchen
daheim.
Molly eilt, sie zu
beschauen,
Und ihr Herz geht aus
dem Leim.
Und sie trägt sie kurz
entschlossen
Zu der eignen Lagerstatt,
Wo sie nunmehr fünf
Genossen
An der Brust zu Gaste
hat.
Mensch mit traurigem
Gesichte,
Sprich nicht nur von
Leid und Streit.
Selbst in Brehms
Naturgeschichte
Findet sich
Barmherzigkeit.
zurück
Der
Knoten
Als ich in den Jugendtagen
Noch ohne Grübelei,
Da meint' ich mit
Behagen,
Mein Denken wäre frei.
Seitdem hab' ich die
Stirne
Oft auf die Hand gestützt
Und fand, daß im Gehirne
Ein harter Knoten sitzt.
Mein Stolz, der wurde
kleiner.
Ich merkte mit Verdruß:
Es kann doch unsereiner
Nur denken, wie er muß.
zurück
Der Asket
Im Hochgebirg vor seiner Höhle
Saß der Asket;
Nur noch ein Rest von
Leib und Seele
Infolge äußerster Diät.
Demütig ihm zu Füßen
kniet
Ein Jüngling, der sich
längst bemüht,
Des strengen Büßers
strenge Lehren
Nachdenklich prüfend
anzuhören.
Grad schließt der
Klausner den Sermon
Und spricht: »Bekehre
dich, mein Sohn!
Verlaß das böse
Weltgetriebe.
Vor allem unterlaß die
Liebe,
Denn grade sie erweckt
aufs neue
Das Leben und mit ihm
die Reue.
Da, schau mich an. Ich
bin so leicht,
Fast hab' ich schon das
Nichts erreicht,
Und bald verschwind' ich
in das reine
Zeit-, raum- und
traumlos Allundeine.«
Als so der Meister in
Ekstase,
Sticht ihn ein Bienchen
in die Nase.
Oh, welch ein Schrei!
Und dann das Mienenspiel
dabei.
Der Jüngling stutzt und
ruft: »Was seh' ich?
Wer solchermaßen
leidensfähig,
Wer so gefühlvoll und
empfindlich,
Der, fürcht' ich, lebt
noch viel zu gründlich
Und stirbt noch nicht
zum letztenmal.«
Mit diesem kühlen Wort
empfahl
Der Jüngling sich und
stieg hernieder
Ins tiefe Tal und kam
nicht wieder.
zurück
Der
Narr
Er war nicht unbegabt. Die
Geisteskräfte
Genügten für die
laufenden Geschäfte.
Nur hatt' er die Marotte,
Er sei der Papst. Dies
sagt' er oft und gern,
Für jedermann zum
Ärgernis und Spotte,
Bis sie zuletzt ins
Narrenhaus ihn sperrn.
Ein guter Freund, der
ihn daselbst besuchte,
Fand ihn höchst
aufgeregt. Er fluchte:
»Zum Kuckuck, das ist
doch zu dumm.
Ich soll ein Narr sein
und weiß nicht warum.«
»Ja«, sprach der Freund,
»so sind die Leute.
Man hat an einem Papst
genug.
Du bist der zweite.
Das eben kann man nicht
vertragen.
Hör zu, ich will dir mal
was sagen:
Wer schweigt, ist klug.«
Der Narr verstummt, als
ob er überlege.
Der gute Freund ging
leise seiner Wege.
Und schau, nach vierzehn
Tagen grade,
Da traf er ihn schon auf
der Promenade.
»Ei«, rief der Freund,
»wo kommst du her?
Bist du denn jetzt der
Papst nicht mehr?«
»Freund«, sprach der
Narr und lächelt schlau,
»Du scheinst zur Neugier
sehr geneigt.
Das, was wir sind, weiß
ich genau.
Wir alle haben unsern
Sparren,
Doch sagen tun es nur
die Narren.
Der Weise schweigt.«
zurück
Abschied
Ach, wie eilte so geschwinde
Dieser Sommer durch die
Welt.
Herbstlich rauscht es in
der Linde,
Ihre Blätter mit dem
Winde
Wehen übers Stoppelfeld.
Hörst du in den Lüften
klingend,
Sehnlich klagend das
Kuru?
Wandervögel,
flügelschwingend,
Lebewohl der Heimat
singend,
Ziehn dem fremden Lande
zu.
Morgen muß ich in die
Ferne.
Liebes Mädchen, bleib
mir gut
Morgen lebt in der
Kaserne,
Daß er exerzieren lerne,
Dein dich liebender
Rekrut.
zurück
Röschen
Als Kind von angenehmen Zügen
War Röschen ein gar
lustig Ding.
Gern zupfte sie das Bein
der Fliegen,
Die sie geschickt mit
Spucke fing.
Sie wuchs, und größere
Objekte
Lockt sie von nun an in
ihr Garn,
Nicht nur die jungen,
nein, sie neckte
Und rupft' auch manchen
alten Narrn.
Inzwischen tat in
stillem Walten
Die Zeit getreulich ihre
Pflicht.
Durch wundersame
Bügelfalten
Verziert sie Röschens
Angesicht.
Und locker wurden
Röschens Zähne.
Kein Freier stellte sich
mehr ein.
Und schließlich kriegt
sie gar Migräne,
Und die pflegt dauerhaft
zu sein.
Dies führte sie zum
Aberglauben,
Obwohl sie sonst nicht
gläubig schien.
Sie meinte fest, daß
Turteltauben
Den Schmerz der Menschen
an sich ziehn.
Zwei Stück davon hat sie
im Bauer,
Ein Pärchen, welches
zärtlich girrt;
Jetzt liegt sie täglich
auf der Lauer,
Ob ihnen noch nicht übel
wird.
zurück
Der Schadenfrohe
Ein Dornstrauch stand im
Wiesental
An einer Stiege, welche
schmal,
Und ging vorüber
irgendwer,
Den griff er an und
kratzte er.
Ein Lämmlein kam
dahergehupft.
Das hat er ebenfalls
gerupft.
Es sieht ihn traurig an
und spricht:
»Du brauchst doch meine
Wolle nicht,
Und niemals tat ich dir
ein Leid.
Weshalb zerrupfst du
denn mein Kleid?
Es tut mir weh und ist
auch schad.«
»Ei«, rief der
Freche, »darum grad!«
zurück
Tröstlich
Nachbar
Nickel ist verdrießlich,
Und er darf sich wohl beklagen,
Weil ihm seine Pläne schließlich
Alle gänzlich fehlgeschlagen.
»Unsre Ziege starb heut morgen.
Geh und sag's ihm, lieber Knabe!
Daß er nach so vielen Sorgen
Auch mal eine Freude habe.«
zurück
Schreckhaft
Nachdem er am Sonntagmorgen
Vor seinem Spiegel
gestanden,
Verschwanden die letzten
Sorgen
Und Zweifel, die noch
vorhanden.
Er wurde so verwegen,
Daß er nicht länger
schwankte.
Er schrieb ihr. Sie
dagegen
Erwidert: Nein, sie
dankte.
Der Schreck, den er da
hatte,
Hätt' ihn fast
umgeschmissen,
Als hätt' ihn eine Ratte
Plötzlich ins Herz
gebissen.
zurück
Immer wieder
Der Winter ging, der Sommer kam.
Er bringt aufs neue
wieder
Den vielbeliebten
Wunderkram
Der Blumen und der
Lieder.
Wie das so wechselt Jahr
um Jahr,
Betracht' ich fast mit
Sorgen.
Was lebte, starb, was
ist, es war,
Und heute wird zu
morgen.
Stets muß die Bildnerin
Natur
Den alten Ton benützen
In Haus und Garten, Wald
und Flur
Zu ihren neuen Skizzen.
zurück
Hahnenkampf
Ach, wie vieles muß man rügen,
Weil es sündlich und
gemein,
So, zum Beispiel, das
Vergnügen,
Zuzusehn bei Prügelein.
Noch vor kurzem hab' ich
selber
Mir zwei Gockel angesehn,
Hier ein schwarzer, da
ein gelber,
Die nicht gut zusammen
stehn.
Plötzlich kam es zum
Skandale,
Denn der schwarze macht
die Kur,
Was dem gelben alle Male
Peinlich durch die Seele
fuhr.
Mit den Krallen, mit den
Sporen,
Mit dem Schnabel, scharf
gewetzt,
Mit den Flügeln um die
Ohren
Hat es Hieb auf Hieb
gesetzt.
Manche Feder aus dem
Leder
Reißen und zerschleißen
sie,
Und zum Schlusse ruft
ein jeder
Triumphierend:
»Kickriki!«
Voller Freude und mit
wahrem
Eifer sah ich diesen
Zwist,
Während jedes Huhn im
Harem
Höchst gelassen
weiterfrißt.
Solch ein Weibervolk mit
Flügeln
Meint, wenn Gockel früh
und spät
Seinetwegen sich
verprügeln,
Daß sich das von selbst
versteht.
zurück
Fuchs und Gans
Es war die erste Maiennacht.
Kein Mensch im Dorf hat
mehr gewacht.
Da hielten, wie es stets
der Fall,
Die Tiere ihren
Frühlingsball.
Die Gans, die gute
Adelheid,
Fehlt nie bei solcher
Festlichkeit.
Obgleich man sie nach
altem Brauch
Zu necken pflegt. So
heute auch.
»Frau Schnabel«, nannte
sie der Kater.
»Frau Plattfuß!« rief
der Ziegenvater.
Doch sie, zwar lächelnd,
aber kühl,
Hüllt sich in sanftes
Selbstgefühl.
So saß sie denn in ödem
Schweigen
Allein für sich bei
Spiel und Reigen,
Bei Freudenlärm und
Jubeljux.
Sieh da, zum Schluß hat
auch der Fuchs
Sich ungeladen
eingedrängelt.
Schlau hat er sich
herangeschlängelt.
»Ihr Diener«, säuselt er
galant,
»Wie geht's der
Schönsten in Brabant?
Ich küss' der gnäd'gen
Frau den Fittich.
Ist noch ein Tänzchen
frei, so bitt' ich.«
Sie nickt verschämt: »O
Herr Baron!«
Indem so walzen sie auch
schon.
Wie trippeln die Füße,
wie wippeln die Schwänze
Im lustigen Kehraus, dem
letzten der Tänze.
Da tönt es vier mit
lautem Schlag.
Das Fest ist aus. Es
naht der Tag.
Bald drauf, im frühsten
Morgenschimmer,
Ging Mutter Urschel aus,
wie immer,
Mit Korb und Sichel, um
verstohlen
Sich etwas fremden Klee
zu holen.
An einer Hecke bleibt
sie stehn.
»Herrje, was ist denn
hier geschehn?
Die Füchse, sag' ich,
soll man rädern.
Das sind wahrhaftig
Gänsefedern.
Ein frisches Ei liegt
dicht daneben.
Ich bin so frei, es
aufzuheben.
Ach, armes Tier«, sprach
sie bewegt,
»Dies Ei hast du vor
Angst gelegt.«
zurück
Dunkle Zukunft
Fritz, der mal wieder
schrecklich träge,
Vermutet, heute gibt es
Schläge,
Und knöpft zur Abwehr
der Attacke
Ein Buch sich unter
seine Jacke,
Weil er sich in dem
Glauben wiegt,
Daß er was auf den
Buckel kriegt.
Die Schläge trafen
richtig ein.
Der Lehrer meint es gut.
Allein
Die Gabe wird für heut
gespendet
Mehr unten, wo die Jacke
endet.
Wo Fritz nur äußerst
leicht bekleidet
Und darum ganz besonders
leidet.
Ach, daß der Mensch so
häufig irrt
Und nie recht weiß, was
kommen wird!
zurück
Hinten herum
Ein Mensch, der etwas auf sich
hält,
Bewegt sich gern in
feiner Welt,
Denn erst in
weltgewandten Kreisen
Lernt man die rechten
Redeweisen,
Verbindlich, aber
zugespitzt,
Und treffend, wo die
Schwäre sitzt.
Es ist so wie mit Rektor
Knaut,
Der immer lächelt, wenn
er haut.
Auch ist bei Knaben weit
berüchtigt
Das Instrument, womit er
züchtigt.
Zu diesem Zweck bedient
er nämlich,
Als für den Sünder gut
bekömmlich,
Sich einer schlanken
Haselgerte,
Zwar biegsam, doch nicht
ohne Härte,
Die sich, von rascher
Hand bewegt,
Geschmeidig um die Hüfte
legt.
Nur wer es fühlte, der
begreift es:
Vorn schlägt er zu, und
hinten kneift es.
zurück
Die Trud
»Wahrlich«, sagte meine Tante,
Die fast alle Geister
kannte,
»Keine Täuschung ist die
Trud.
Weißt du nicht, daß böse
Seelen
Nächtlich aus dem Leibe
rücken,
Um den Menschen zu
bedrücken
Und zu treten und zu
quälen,
Wenn er auf dem Rücken
ruht?
Lautlos durch
verschloßne Türen
Immer näher siehst du's
kommen,
Zauberhaft und
wunderlich.
Und dir graust es vor
dem Dinge,
Und du kannst dich doch
nicht rühren,
Und du fühlst dich so
beklommen,
Möchtest rufen, wenn's
nur ginge,
Und auf einmal hat es
dich.
Doch wer klug, weiß sich
zu schützen:
Abends beim Zurruhegehn
Brauchst du bloß darauf
zu sehn,
Daß die Schuhe mit den
Spitzen
Abgewandt vom Bette
stehn.
Außerdem hab' ich gehört:
Leichtes Herz und
leichter Magen,
Wie in andern
Lebenslagen,
Sind auch hier
empfehlenswert.«
zurück
Bedächtig
Ich ging zur Bahn. Der Abendzug
Kam erst um halber zehn.
Wer zeitig geht, der
handelt klug,
Er kann gemütlich gehn.
Der Frühling war so warm
und mild,
Ich ging wie neubelebt,
Zumal ein wertes
Frauenbild
Mir vor der Seele
schwebt.
Daß ich sie heut noch
sehen soll,
Daß sie gewiß noch wach,
Davon ist mir das Herz
so voll,
Ich steh' und denke
nach.
Ein Häslein, das
vorüberstiebt,
Ermahnt' ich: »Laß dir
Zeit!
Ein guter Mensch, der
glücklich liebt,
Tut keinem was zuleid.«
Von ferne aus dem
Wiesenteich
Erklang der Frösche Chor,
Und überm Walde stieg
zugleich
Der goldne Mond empor.
»Da bist du ja, ich
grüße dich,
Du traulicher Kumpan.
Bedächtig wandelst du
wie ich
Dahin auf deiner Bahn.«
Dies lenkte meinen
Denkersinn
Auf den Geschäftsverlauf;
Ich überschlug mir den
Gewinn.
Das hielt mich etwas
auf.
Doch horch, da ist die
Nachtigall,
Sie flötet wunderschön.
Ich flöte selbst mit
sanftem Schall
Und bleib ein wenig
stehn.
Und flötend kam ich zur
Station,
Wie das bei mir Gebrauch.
O weh, was ist das für
ein Ton?
Der Zug, der flötet
auch.
Dort saust er hin. Ich
stand versteint.
Dann sah ich nach der Uhr
Wie jeder, der zu spät
erscheint.
So will es die Natur.
zurück
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