|
|
|
|
|
lifedays-seite
moment
in time
|
|
|
04.2
Gedichte - Luise Deusch
____________________
Die Zeder
Im
Abendlande steht ein Zedernbaum;
Den
Königssproß vom Libanon
Entführte
einst ein Frankensohn
Und
sprach: Nun wurzle mir in neuem Raum!
Doch
kein Gefährte grünet trostreich dort,
Den
Wipfel schwingt ein fremder Wind,
Wohl
einmal spricht ein sinnig Kind:
Dich
möcht ich sehn an deinem Jugendort!
Oft
steigen auf und nieder Bilder hell,
Er
schaut des Hermon-Frühlings Blühn,
Im
Haine rastend Reiter kühn,
Und
Pilger an des Jordans Silberquell.
Dem
Fürstenhaupte fern am Wolkensaum
Neigt
sich der Zedernbaum gen Ost —
Da
weckte ihn der Fremde Frost,
Tief
schmerzt das Mark — fahr wohl, du Heimatstraum
zurück
Mädchenlied
Ob
ich dieselbe wie gestern noch bin,
Spähend
auf goldene Straßen hinaus?
Seltsames,
Neues bewegt mir den Sinn,
Fremd
den Gespielen, ja fremde dem Haus.
Suche
mein Bild ich im Wassergerinn,
Gehe
ich weiter auf sonnigem Plan:
Leuchtet
mir lockend ein andres darin,
Glaub
ich, es rede mein Schatten mich an.
Gestern
auf totem Feld noch gegangen,
Wähnt
ich mich bis in die Seele allein;
Heute
von Blütenweben umfangen,
Küssend
durchs Auge ins Herz mich hinein!
Anders
geworden bin ich seit gestern,
Fühle
die Tiefe der menschlichen Brust, —
Möchte
umhalsen die arglosen Schwestern:
Ist
denn auch euch solches Wunder bewußt?
zurück
Brautgruß
Liebst
du die Zeit, die an des Winters
Schwelle
Noch
einmal schäumend uns den Becher füllt,
In
der dem Lebensborn die volle Welle
Im
alten Reichtum noch einmal entquillt?
Liebst
du die Zeit, die, eh’ so schnell sie
scheidet,
Nur
um so kräftiger zu leben ringt,
In
feur’gem Reiz durch Berg und Tale zieht,
Den
Wald mitprunken dem Gewande kleidet —
Dann
wieder lauscht, wie in den Kronen
singt
Der
Sturm sein allgewaltig, brausend Lied?
Liebst
du die Zeit, die noch mit mildem
Hauche
Erträumen
läßt des Lenzes Blütenguß,
Wenn
schon die letzte Rose dort am Strauche
Trinkt
dürstend jeden flücht’gen Sonnenkuß?
Vom
Jahreskranz das Edelste und Beste
Der
Herbst vereint in goldner Schale beut;
Die
Gabe, duftdurchhaucht und sonngeglüht,
Sie
sei das Sinnbild heut zu deinem Feste!
Wie
blüht und klinget doch zu dieser Zeit
Der
Liebe wunderbares, hohes Lied!
***
Doch
nicht wie hier, wo nur in kurzer
Spanne
Des
Lebens Fülle sich zusammendrängt,
Für
immer weile du im sel’gen Banne
Des
Zaubers, der dich heute hold umfängt!
Es
will des Himmels Güte dir gewähren
Das
Höchste, was ein Erdendasein krönt; —
Wenn
feucht dein Aug’ zum Sternenwagen
sieht
Erlauschest
du im leisen Sang der Sphären
Dieselbe
Weise, die auch dich durchtönt:
Der
Liebe heiliges, urew’ges Lied!
zurück
oben
weiter
_________________________________
Textgrundlage:
„Die Zeder“, "Mädchenlied",
"Brautgruß", Luise Deusch,
aus: Gedichte, Verlag v. J. F. Steinkopf,
Stuttgart, gedruckt
bei J. F. Steinkopf, Stuttgart,
Digitized
bei google, Original from
Princton University
Logo 455: "Still Life of Anemones" -
Charles Rennie
Mackintosh, gemeinfrei
wikimedia
|
lifedays-seite
- moment in time |
|
|
|
|
|
|
|