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Literatur


04.2



Gedichte - Luise Deusch
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In Sehnsucht
 
Geheimnisvoll sind sie verwünscht und gebannt,
Allnächtlich ein Schiff zu besteigen,
Das treibt, ein tiefrotes Segel entspannt,
Auf grundloser Wellen Reigen;
Der himmlische Wagen rollt ruhig fort
In sicher gemess’nem Geleise,
Sie aber, sie wissen nicht Richtung, noch Port
Und suchen auf irrende Weise.
 
Ein Ungenanntes, von keinem erschaut,
Das erschien und versank mit der Woge,
Das die Seele ersehnt wie der Jüngling die Braut,
Das verlockt wie die Flamme des Loge,
Und den Kompaß entkräftet; selbst wer ihn befrägt,
Erfährt nicht das Ziel seiner Reise,
Weiß keiner, wohin noch die Strömung sie trägt,
Sie fahren nur immer im Kreise.
 
Von Vorsicht, von Klugheit, von Mitleid geregt
Viele Glocken am Ufer gehen,
Manche warnende Stimme den Luftkreis bewegt,
Viele Feuer den Nebel durchspähen;
Doch wer nie in Ängsten vor Strudel und Riff
Verließ den umfriedeten Hafen,
Wie weiß er, was dränget und treibet zu Schiff
Frau Sehnsuchts unselige Sklaven?
 
Nur wer in ihr trauriges Auge gesehn,
Das versehrte ihm alle Organe,
Und wer unter Kämpfen und blutvollen Weh’n
Entronnen dem zwingenden Wahne,
Nur wer im gebrechlichen eigenen Boot
Lernt Steuer und Ruder regieren,
Nur der wird erreichen die draußen in Not
Und mag einst zum Pharus sie führen.


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Vertrösten
 
Wie ich meine Liebste kleide?
Bin ein armer Liedermann,
Der ihr kein Geschmuck und Seide,
Keine Schühlein schenken kann;
Der ihr auch kein Feuer schüren
Und ihr bauen kann kein Nest,
Den man gar vor fremden Türen
Oft vergeblich warten läßt.
 
Währt zu lange dir das Warten,
Sehnst du dich nach solchem Tand?
Hab’ doch meinen stillen Garten,
Mein geheimes Wunderland,
Habe meine Silberstollen
Und Kristalle blinken dort,
Liebste wirst du glauben wollen,
Bis gehoben ist mein Hort?
 
Sag ein Wörtlein mir nur leise,
Sängers Ohr fängt jeden Laut —
Daß, ob eigen meine Weise,
Du doch gern dich ihr vertraut.
Meine Schätze sind Gedanken,
Die kein Räuber nehmen kann,
Einmal, Liebste, wirst du danken
Mir, dem reichen Liedermann!


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Textgrundlage: „In Sehnsucht“, "Vertrösten",
Luise Deusch,  aus: Gedichte, Verlag v. J. F. Steinkopf,
Stuttgart, gedruckt bei J. F. Steinkopf, Stuttgart,

Digitized bei google, Original from Princton University

Logo 98: "La Mort Parfumee" - Margaret MacDonald,  
1915 , gemeinfrei

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