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Literatur


04.2



Gedichte - Georg Heym

Dichtungen und Schriften




Fröhlichkeit

Es rauscht und saust von grossen Karussellen
Wie Sonnen flammend in den Nachmittagen.
Und tausend Leute sehen mit Behagen,
Wie sich Kamele drehn und Rosse schnellen,
 
Die weissen Schwäne und die Elefanten,
Und einer hebt vor Freude schon das Bein
Und grunzt im schwarzen Bauche wie ein Schwein,
Und alle Tiere fangen an zu tanzen.
 
Doch nebenan, im Himmelslicht, dem hellen,
Gehen die Maurer rund, wie Läuse klein,
Hoch ums Gerüst, ein feuriger Verein,
Und schlagen Takt mit ihren Mauserkellen.

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Was schauderst du, wenn unser Blick entflammt?
Es krampft sich deine Hand dir unbewußt.
Sind wir denn, ich und du, verdammt,
Den Brand zu wühlen in die Brust?
 
Ich fühl's an deinen feuchten Händen,
Du weißt es, was wir einsam träumen.
Das Schicksal können wir nicht wenden.
Es hilft uns nicht, daß wir uns bäumen.

Von Schönheit trunken muß ich dich genießen,
Des Wunderleibes Pracht begreifen,
Daß du und ich im Jauchzen eins verfließen,
Daß wir uns brünstig lichtwärts reifen.
 
Du, schlag dir deine Brust, daß du bekämpft
In falscher Scham die unerhörte Glut.
Aufs Lager fließt das Licht gedämpft.
Mir rast nach dir und hämmert dumpf mein Blut.
 
Ich muß verbrennen, es verzehrt mich.
Die Arme werden dürr vor Glut.
Schon viel zu lang hast du gewehrt dich.
Die Kraft ringt sich hinauf, es schwillt die Flut.

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Stimme aus der Tiefe

Willst du denn, daß ich ganz zu Grunde geh?
Du weißt, du schlugst mich oft schon,
Wenn ich dich bat um einen Strahl der Höh.
Ich trug's, denn endlich hofft ich Lohn.
 
Warum von neuem folterst du mich jetzt
Wo ich die ganze Nacht durch mit dir rang?
Was hab ich dich denn gar zu sehr verletzt.
Ich will Erhörung, ich fleh nicht mehr lang!
 
Bist du der Liebe Gott, so gib mir Teil an ihr
Und zeig mir nicht bloß Schemen, die entglitten.
Ich hoffe noch: ein Glückstrahl neigt sich mir,
Doch kann ich nicht mehr warten, lange bitten.

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Und die Hörner des Sommers . . .

Und die Hörner des Sommers verstummten im Tode
der Fluren,
In das Dunkel flog Wolke auf Wolke dahin.
Aber am Rande schrumpften die Wälder verloren,
Wie Gefolge der Särge in Trauer vermummt.
Laut sang der Sturm im Schrecken der bleichenden Felder,
Er fuhr in die Pappeln und bog einen weißen Turm.
Und wie der Kehricht des Windes lag in der Leere
Drunten ein Dorf, aus grauen Dächern gehäuft. 

Aber hinaus bis unten am Grauen des Himmels
Waren aus Korn des Herbstes Zelte gebaut,
Unzählige Städte, doch leer und vergessen.
Und niemand ging in den Gassen herum.

Und es sank der Schatten der Nacht. Nur die Raben
noch irrten
Unter den drückenden Wolken im Regen hin,
Einsam im Wind, wie im Dunkel der Schläfen
Schwarze Gedanken in trostloser Stunde fliehn.

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Die Seiltänzer

Sie gehen über den gespannten Seilen
Und schwanken manchmal fast, als wenn sie fallen.
Und ihre Hände schweben über allen,
Die flatternd in dem leeren Raum verweilen.
 
Das Haus ist übervoll von tausend Köpfen,
Die wachsen aus den Gurgeln steil, und starren
Wo oben hoch die dünnen Seile knarren.
Und Stille hört man langsam tröpfeln.
 
Die Tänzer aber gleiten hin geschwinde
Wie weiße Vögel, die die Wandrer narren
Und oben hoch im leeren Baume springen.
 
Wesenlos, seltsam, wie sie sich verrenken
Und ihre großen Drachenschirme schwingen,
Und dünner Beifall klappert auf den Bänken.

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Die Augen schließ ich

Die Augen schließ ich. Schall erfüllt den Pfad
Des Festzugs. Wagen, Reiter, Mann an Mann.
Des Volks Staunen bei dem Viergespann,
Das langsam naht mit dir im Hochzeitsstaat.
 
Die Augen öffne ich. Der Traum zerrann.
Die Wolken sinken, und der Abend naht.
Ein Scherenschleifer tritt und tritt sein Rad.
Es kreischt. Und Funken stieben dann und wann.
 
Du hättest besser mich und rein gemacht.
Ich hätt zum Dank dir Wissens viel gegeben.
In meiner Liebe wärst du aufgewacht.
 
Dein Haus ist einsam und im Dunkel liegt
Dein Fenster nach dem See. Doch immer schweben
Die Wünsche wild zu dir. Wer ist, der siegt?

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Das Dorf

Aus hohen Fenstern tönt die Orgel fort
Im kleinen Friedhof, wo der Pfarrer steht,
Und mit der Hand der Blumen Blätter dreht
Nach Würmern, und nach welkem Blatt, das dorrt.
 
Die Straße liegt im Abendlichte leer.
Die Häuser alle stumm. Doch gelblich schwimmt
Schon der Kastanien Laub, und unbestimmt
Mit Braun und Rot in Herbstes Wiederkehr.
 
Der Felder Ausschnitt liegt am Ende weit.
Sie dunkeln schon, wo fern der Wald beginnt.
Des blasse Grenze in der Luft verrinnt.
So blaß schon, wie in trüber Winterzeit.
 
Die Orgel schweigt. Der Kirche Turmhahn kehrt
Sich glänzend um. Der Sonnenblumen Haupt
Glüht an der Kirchhofsmauer, gelb belaubt.
Das sich vom kühlen Staub der Gräber nährt.

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Zu hoffen ist nicht mehr

„Zu hoffen ist nicht mehr. Und nichts zu wagen.“
Wie ein Berauschter lehnte er am Stamm.
Und sah der Berge Wälder jenseits ragen.
Drauf trübes Licht, wie weißer Schatten, schwamm.
 
Die Wolken zogen langsam, wie Phantome,
In riesenhafte Mäntel eingehüllt.
Das Schilf stand rauschend an dem grauen Strome,
Wie Trauerklage Hof und Straße füllt.
 
Wie grenzenlos verlassen zieht er fort.
Der Wind rührt leicht nur seine graue Fläche.
Da unten ist ein ewig stummer Port
Von Sand und grünen Algen seiner Schwäche.
 
Er tritt hinunter in die blinden Wogen.
Die Wasserpflanzen klettern auf vom Grund,
Die Füße werden schnell ihm fortgezogen.
Er spuckt und gurgelt. Wasser füllt den Schlund.
 
In Dämmerung die blassen Ufer weichen.
Dem trüben Abend folgt die trübe Nacht,
Wie einer Mutter hin die Stunden schleichen,
Die an des toten Sohnes Bette wacht.

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