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04.2
Gedichte - Georg Heym
Der ewige Tag
1911
Beteerte
Fässer rollten von
den Schwellen
Der
dunklen Speicher auf
die hohen Kähne.
Die
Schlepper zogen an. Des
Rauches Mähne
Hing
rußig nieder auf die
öligen Wellen.
Zwei
Dampfer kamen mit
Musikkapellen.
Den
Schornstein kappten sie
am Brückenbogen.
Rauch,
Ruß, Gestank lag auf
den schmutzigen Wogen
Der
Gerbereien mit den
braunen Fellen.
In
allen Brücken, drunter
uns die Zille
Hindurchgebracht,
ertönten
die Signale
Gleichwie
in Trommeln
wachsend in der Stille.
Wir
ließen los und trieben
im Kanale
An
Gärten langsam hin. In
dem Idylle
Sahn
wir der Riesenschlote
Nachtfanale.
zurück
Berlin
II
Der
hohe Straßenrand, auf
dem wir lagen,
War
weiß von Staub. Wir
sahen in der Enge
Unzählige:
Menschströme und
Gedränge,
Und
sahn die Weltstadt fern
im Abend ragen.
Die
vollen Kremser fuhren
durch die Menge,
Papierne
Fähnchen waren
drangeschlagen.
Die
Omnibusse, voll Verdeck
und Wagen.
Automobile,
Rauch und
Huppenklänge.
Dem
Riesensteinmeer zu.
Doch westlich sahn
Wir
an der langen Straße
Baum an Baum,
Der
blätterlosen Kronen
Filigran.
Der
Sonnenball hing groß am
Himmelssaum.
Und
rote Strahlen schoß des
Abends Bahn.
Auf
allen Köpfen lag des
Lichtes Traum.
zurück
Laubenfest
Schon
hängen die Lampions
wie bunte Trauben
An
langen Schnüren über
kleinen Beeten,
Den
grünen Zäunen, und von
den Staketen
Der
hohen Bohnen leuchtend
in die Lauben.
Gesumm
von Stimmen auf den
schmalen Wegen.
Musik
von Trommeln und von
Blechtrompeten.
Es
steigen auf die ersten
der Raketen,
Und
platzen oben in den
Silberregen.
Um
einen Maibaum dreht sich
Paar und Paar
Zu
eines Geigers hölzernem
Gestreich,
Um
den mit Ehrfurcht steht
die Kinderschaar.
Im
blauen Abend steht
Gewölke weit,
Delphinen
mit den rosa
Flossen gleich,
Die
schlafen in der Meere
Einsamkeit.
zurück
Die
Züge
Rauchwolken,
rosa, wie ein
Frühlingstag.
Die
schnell der Züge
schwarze Lunge stößt,
Ziehn
auf dem Strom hinab,
der riesig flößt
Eisschollen
breit mit Stoß
und lautem Schlag.
Der
weite Wintertag der
Niederung
Glänzt
fern wie Feuer rot
und Gold-Kristall
Auf
Schnee und Ebenen, wo
der Feuerball
Der
Sonne sinkt auf Wald
und Dämmerung.
Die
Züge donnern auf dem
Meilendamme,
Der
in die Wälder rennt,
des Tages Schweif.
Ihr
Rauch steigt auf wie
eine Feuerflamme,
Die
hoch im Licht des
Ostwinds Schnabel zaust,
Der,
goldgefiedert, wie ein
starker Greif,
Mit
breiter Brust hinab gen
Abend braust.
zurück
Berlin
III
Schornsteine
stehn in
großem Zwischenraum
Im
Wintertag, und tragen
seine Last,
Des
schwarzen Himmels
dunkelnden Palast.
Wie
goldne Stufe brennt
sein niedrer Saum.
Fern
zwischen kahlen
Bäumen, manchem Haus,
Zäunen
und Schuppen, wo die
Weltstadt ebbt,
Und
auf vereisten Schienen
mühsam schleppt
Ein
langer Güterzug sich
schwer hinaus.
Ein
Armenkirchhof ragt,
schwarz, Stein an Stein,
Die
Toten schaun den roten
Untergang
Aus
ihrem Loch. Er schmeckt
wie starker Wein.
Sie
sitzen strickend an der
Wand entlang,
Mützen
aus Ruß dem nackten
Schläfenbein,
Zur
Marseillaise, dem alten
Sturmgesang.
zurück
Der
Hunger
Er
fuhr in einen Hund, dem
groß er sperrt
Das
rote Maul. Die blaue
Zunge wirft
Sich
lang heraus. Er wälzt
im Staub. Er schlürft
Verwelktes
Gras, das er dem
Sand entzerrt.
Sein
leerer Schlund ist wie
ein großes Tor,
Drin
Feuer sickert,
langsam,tropfenweis,
Das
ihm den Bauch
verbrennt. Dann wäscht mit Eis
Ihm
eine Hand das heiße
Speiserohr.
Er
wankt durch Dampf. Die
Sonne ist ein Fleck,
Ein
rotes Ofentor. Ein
grüner Halbmond führt
Vor
seinen Augen Tänze. Er
ist weg.
Ein
schwarzes Loch gähnt,
draus die Kälte stiert.
Er
fällt hinab, und fühlt
noch, wie der Schreck
Mit
Eisenfäusten seine
Gurgel schnürt.
zurück
Die
Gefangenen I
Den
harten Weg entlang im
kurzen Trab
Zieht
sich der
Sträflingstrupp, der heim marschiert
Durch
kahle Felder in das
große Grab,
Das
wie ein Schlächterblock
ins Graue stiert.
Sturm
singt. Wind pfeift.
Vor ihnen weht und irrt
Ein
Haufe alter Blätter
kunterbunt.
Die
Wächter schließen ihren
Zug. Es klirrt
An
ihrem Rock das große
Schlüsselbund.
Das
breite Tor geht auf im
Riesenbau
Und
wieder zu. Des Tages
roter Rost
Bedeckt
den Westen. Trübe
in dem Blau
Zittert
ein Stern im
bittern Winterfrost.
Und
ein paar Bäume stehn
den Weg entlang
Im
halben Licht verkrüppelt
und beleibt.
Wie
schwarz aus einer Stirn
gekrümmt und krank
Ein
starkes Horn steht und
nach oben treibt.
zurück
Die
Gefangenen II
Sie
trampelten um den Hof
im engen Kreis.
Ihr
Blick schweift hin und
her im kahlen Raum.
Er
sucht nach einem Feld,
nach einem Baum,
Und
prallt zurück von
kahler Mauern Weiß.
Wie
in den Mühlen dreht der
Rädergang,
So
dreht sich ihrer
Schritte schwarze Spur.
Und
wie ein Schädel mit der
Mönchstonsur,
So
liegt des Hofes Mitte
kahl und blank.
Es
regnet dünn auf ihren
kurzen Rock.
Sie
schaun betrübt die
graue Wand empor,
Wo
kleine Fenster sind, mit
Kasten vor,
Wie
schwarze Waben in dem
Bienenstock.
Man
treibt sie ein, wie
Schafe zu der Schur.
Die
grauen Rücken drängen
in den Stall.
Und
klappernd schallt
heraus der Widerhall
Der
Holzpantoffeln auf dem
Treppenflur.
zurück
Der
Gott der Stadt
Auf
einem Häuserblocke
sitzt er breit.
Die
Winde lagern schwarz um
seine Stirn.
Er
schaut voll Wut, wo fern
in Einsamkeit
Die
letzten Häuser in das
Land verirrn.
Vom
Abend glänzt der rote
Bauch dem Baal,
Die
großen Städte knieen um
ihn her.
Der
Kirchenglocken
ungeheure Zahl
Wogt
auf zu ihm aus
schwarzer Türme Meer.
Wie
Korybanten-Tanz dröhnt
die Musik
Der
Millionen durch die
Straßen laut.
Der
Schlote Rauch, die
Wolken der Fabrik
Ziehn
auf zu ihm, wie Duft
von Weihrauch blaut.
Das
Wetter schwält in
seinen Augenbrauen.
Der
dunkle Abend wird in
Nacht betäubt.
Die
Stürme flattern, die
wie Geier schauen
Von
seinem Haupthaar, das
im Zorne sträubt.
Er
streckt ins Dunkel seine
Fleischerfaust.
Er
schüttelt sie. Ein Meer
von Feuer jagt
Durch
eine Straße. Und der
Glutqualm braust
Und
frißt sie auf, bis spät
der Morgen tagt.
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