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04.2
Gedichte - Georg Heym
Der
ewige Tag
1911
I.
Wie
Feuerregen füllt den Ozean
Der
schwarze Gram. Die großen Wogen türmt
Der
Südwind auf, der in die Segel stürmt,
Die
schwarz und riesig flattern im Orkan.
Ein
Vogel fliegt voraus. Sein langes Haar
Sträubt
von den Winden um das Haupt ihm groß.
Der
Wasser Dunkelheit, die meilenlos,
Umarmt
er riesig mit dem Schwingenpaar.
Vorbei
an China, wo das gelbe Meer
Die
Drachendschunken vor den Städten wiegt,
Wo
Feuerwerk die Himmel überfliegt
Und
Trommeln schlagen um die Tempel her.
Der
Regen jagt, der spärlich niedertropft
Auf
seinen Mantel, der im Sturme bläht.
Im
Mast, der hinter seinem Rücken steht,
Hört
er die Totenuhr, die ruhlos klopft.
Die
Larve einer toten Ewigkeit
Hat
sein Gesicht mit Leere übereist.
Dürr,
wie ein Wald, durch den ein Feuer reist.
Wie
trüber Staub umflackert es die Zeit.
Die
Jahre graben sich der Stirne ein,
Die
wie ein alter Baum die Borke trägt.
Sein
weißes Haar, das Wintersturmwind fegt,
Steht
wie ein Feuer um der Schläfen Stein.
Die
Schiffer an den Rudern sind verdorrt,
Als
Mumien schlafen sie auf ihrer Bank.
Und
ihre Hände sind wie Wurzeln lang
Hereingewachsen
in den morschen Bord.
Ihr
Schifferzopf wand sich wie ein Barett
Um
ihren Kopf herum, der schwankt im Wind.
Und
auf den Hälsen, die wie Röhren sind,
Hängt
jedem noch ein großes Amulett.
Er
ruft sie an, sie hören nimmermehr.
Der
Herbst hat Moos in ihrem Ohr gepflanzt,
Das
grünlich hängt und in dem Winde tanzt
Um
ihre welken Backen hin und her.
II.
Dich
grüßt der Dichter, düsteres Phantom,
Den
durch die Nacht der Liebe Schatten führt,
Im
unterirdisch ungeheuern Dom,
Wo
schwarzer Sturm die Kirchenlampe schürt,
Die
lautlos flackert, ein zerstörtes Herz,
Von
Qual durchlöchert, und die Trauer krankt
Im
Tode noch in seinem schwarzen Erz.
An
langen Ketten zittert es und schwankt.
Sein
roter Schein flammt über Gräber hin.
An
dem Altare kniet ein Ministrant,
Zwei
Dolche in der offnen Brust. Darin
Noch
schwält und steigt trostloser Liebe Brand.
Durch
schwarze Stollen flattert das Gespenst.
Er
folgt ihm blind, wo schwarze Schatten fliehn,
Den
Mond an seiner Stirn, der trübe glänzt,
Und
Stimmen hört er, die vorüberziehn
Im
hohlen Grund, der von den Qualen schwillt,
Mit
dumpfem Laut. Ein ferner Wasserfall
Pocht
an der Wand, und bittre Trauer füllt
Wie
ein Orkan der langen Treppen Fall.
Fern
kommt ein Zug von Fackeln durch ein Tor,
Ein
Sarg, der auf der Träger Schultern bebt
Und
langsam durch den langen Korridor
In
trauriger Musik vorüberschwebt.
Wer
ruht darin? Wer starb? Der matte Ton
Der
Flöten wandert durch die Gänge fort.
Ein
dunkles Echo ruft er noch, wo schon
Die
Stille hockt an dem versunk’nen Ort.
Das
Grau der Mitternacht wird kaum bedeckt
Von
einer gelben Kerze, und es saust
Der
Wind die Gänge fort, der bellend schreckt
Den
Staub der Grüfte auf, der unten haust.
Maßlose
Traurigkeit. In Nacht allein
Verirrt
der Wandrer durch den hohen Flur,
Wo
oben in der dunklen Wölbung Stein
Gestirne
fliehn in magischer Figur.
zurück
April
Das
erste Grün der Saat, von Regen feucht,
Zieht
weit sich hin an niedrer Hügel Flucht.
Zwei
große Krähen flattern aufgescheucht
Zu
braunem Dorngebüsch in grüner Schlucht.
Wie
auf der stillen See ein
Wölkchen steht,
So
ruhn die Berge hinten in dem Blau,
Auf
die ein feiner Regen niedergeht,
Wie
Silberschleier, dünn und zitternd grau.
zurück
Sonnwendtag
Es
war am Sommersonnwendtag,
Dein
braunes Haar im Nacken lag
Wie
Gold und schwere Seiden.
Da
nahmst du mir die feine Hand.
Und
hinter dir stob auf der Sand
Des
Feldwegs an den Weiden.
Von
allen Bäumen floß der Glanz.
Dein
Ritt war lauter Elfentanz
Hin
über rote Heiden.
Und
um mich duftete der Hag,
Wie
nur am Sommersonnwendtag,
Ein
Dank und Sichbescheiden.
zurück
Die
Ruhigen
Ernst
Balcke gewidmet
Ein
altes Boot, das in dem stillen Hafen
Am
Nachmittag an seiner Kette wiegt.
Die
Liebenden, die nach den Küssen schlafen.
Ein
Stein, der tief im grünen Brunnen liegt.
Der
Pythia Ruhen, das dem Schlummer gleicht
Der
hohen Götter nach dem langen Mahl.
Die
weiße Kerze, die den Toten bleicht.
Der
Wolken Löwenhäupter um ein Tal.
Das
Stein gewordene Lächeln eines Blöden.
Verstaubte
Krüge, drin noch wohnt der Duft.
Zerbrochne
Geigen in dem Kram der Böden.
Vor
dem Gewittersturm die träge Luft.
Ein
Segel, das vom Horizonte glänzt.
Der
Duft der Heiden, der die Bienen führt.
Des
Herbstes Gold, das Laub
und Stamm bekränzt.
Der
Dichter, der des Toren Bosheit spürt.
zurück
Columbus
12.
Oktober 1492
Nicht
mehr die Salzluft, nicht
die öden Meere,
Drauf
Winde stürmen hin mit schwarzem Schall.
Nicht
mehr der großen Horizonte Leere,
Draus
langsam kroch des runden Mondes Ball.
Schon
fliegen große Vögel auf
den Wassern
Mit
wunderbarem Fittich blau beschwingt.
Und
weiße Riesenschwäne mit dem blassern
Gefieder
sanft, das süß wie Harfen klingt.
Schon
tauchen andre Sterne auf in Chören,
Die
stumm wie Fische an dem Himmel ziehn.
Die
müden Schiffer schlafen, die betören
Die
Winde, schwer von brennendem Jasmin.
Am
Bugspriet vorne träumt der Genueser
In
Nacht hinaus, wo ihm zu Füßen blähn
Im
grünen Wasser Blumen, dünn wie Gläser,
Und
tief im Grund die weißen Orchideen.
Im
Nachtgewölke spiegeln große Städte,
Fern,
weit, in goldnen Himmeln wolkenlos,
Und
wie ein Traum versunkner Abendröte
Die
goldnen Tempeldächer
Mexikos.
Das
Wolkenspiel versinkt im Meer. Doch ferne
Zittert
ein Licht im Wasser weiß empor.
Ein
kleines Feuer, zart gleich einem Sterne.
Dort
schlummert noch in Frieden Salvador.
zurück
Gegen
Norden
Die
braunen Segel blähen an
den Trossen,
Die
Kähne furchen silbergrau das Meer.
Der
Borde schwarze Netze hangen schwer
Von
Schuppenleibern und von roten Flossen.
Sie
kehren heim zum Kai, wo
raucht die Stadt
In
trübem Dunst und naher Finsternis.
Der
Häuser Lichter schwimmen ungewiß
Wie
rote Flecken, breit, im dunklen Watt.
Fern
ruht des Meeres Platte wie ein Stein
Im
blauen Ost. Von Tages
Stirne sinkt
Der
Kranz des roten Laubes, da er trinkt,
Zur
Flut gekniet, von ihrem weißen Schein.
Es
zittert Goldgewölke in den Weiten
Vom
Glanz der Bernsteinwaldung, die enttaucht,
Verlorner
Tiefe, wenn die
Dämmerung raucht,
In
die sich gelb die langen Äste breiten.
Versunkne
Schiffer hängen in den Zweigen.
Ihr
langes Haar schwimmt auf der See wie Tang.
Die
Sterne, die dem Grün der Nacht entsteigen,
Beginnen
frierend ihren
Wandergang.
zurück
Der
Winter
Der
blaue Schnee liegt auf
dem ebenen Land,
Das
Winter dehnt. Und die Wegweiser zeigen
Einander
mit der ausgestreckten Hand
Der
Horizonte violettes Schweigen.
Hier
treffen sich auf ihrem Weg ins Leere
Vier
Straßen an. Die niedren Bäume stehen
Wie
Bettler kahl. Das Rot der Vogelbeere
Glänzt
wie ihr Auge trübe. Die Chausseen
Verweilen
kurz und sprechen aus den Ästen.
Dann
ziehn sie weiter in die Einsamkeit
Gen
Nord und Süden und nach Ost und Westen,
Wo
bleicht der niedere Tag der Winterzeit.
Ein
hoher Korb mit rissigem Geflecht
Blieb
von der Ernte noch im Ackerfeld.
Weißbärtig,
ein Soldat, der nach Gefecht
Und
heißem Tag der Toten Wache hält.
Der
Schnee wird bleicher, und der Tag vergeht.
Der
Sonne Atem dampft am Firmament,
Davon
das Eis, das in den Lachen steht
Hinab
die Straße rot wie Feuer
brennt.
zurück
Der
Abend
Versunken
ist der Tag in Purpurrot,
Der
Strom schwimmt weiß in ungeheurer Glätte.
Ein
Segel kommt. Es hebt sich aus dem Boot
Am
Steuer groß des Schiffers Silhouette.
Auf
allen Inseln steigt des Herbstes Wald
Mit
roten Häuptern in den Raum, den klaren.
Und
aus der Schluchten dunkler Tiefe hallt
Der
Waldung Ton, wie Rauschen der Kitharen.
Das
Dunkel ist im Osten ausgegossen,
Wie
blauer Wein kommt aus
gestürzter Urne.
Und
ferne steht, vom Mantel schwarz umflossen,
Die
hohe Nacht auf schattigem Kothurne.
zurück
Herbst
Die
Faune treten aus den Wäldern alle,
Des
Herbstes Chor. Ein ungeheurer Kranz.
Die
Hände haltend, springen sie zum Schalle
Der
Widderhörner froh zu Tal im Tanz.
Der
Lenden Felle schüttern von dem Sturze,
Die
weiß und schwarz wie Ziegenvließ gefleckt.
Der
starke Nacken stößt empor das kurze
Gehörn,
das sich aus rotem Weinlaub streckt.
Die
Hufe schallen, die vom Horne starken.
Den
Thyrsus haun sie auf die Felsen laut.
Der
Paian tönt in die besonnten Marken,
Der
Brustkorb bläht mit zottig schwarzer Haut.
Des
Waldes Tiere fliehen vor dem Lärme
In
Scharen flüchtig her und langem Sprung.
Um
ihre Stirne fliegen Falterschwärme,
Berauscht
von ihrer Kränze Duft und Trunk.
Sie
nahn dem Bache, der von Schilf umzogen
Durch
Wiesen rauscht. Das Röhricht läßt sie ein.
Sie
springen mit den Hufen in die Wogen
Und
baden sich vom Schlamm der Wälder rein.
Das
Schilfrohr tönt vom Munde der Dryaden,
Die
auf den Weiden wohnen im Geäst.
Sie
schaun herauf. Ihr Rücken glänzt vom Baden
Wie
Leder braun und wie von Öl genäßt.
Sie
brüllen wild und langen
nach den Zweigen.
Ihr
Glied treibt auf, von ihrer Gier geschwellt.
Die
Elfen fliegen fort, wo noch das Schweigen
Des
Mittagstraums auf goldnen Höhen hält.
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