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04.2
Gedichte - Georg Heym
Der
ewige Tag
1911
O
weites Land des Sommers und der Winde,
Der
reinen Wolken, die dem Wind sich bieten.
Wo
goldener Weizen reift und die Gebinde
Des
gelben Rockens trocknen in den Mieten.
Die
Erde dämmert von den Düften allen,
Von
grünen Winden und des Mohnes Farben,
Des
schwere Köpfe auf den Stielen fallen
Und
weithin brennen aus den hohen Garben.
Des
Feldwegs Brücke steigt im halben Bogen,
Wo
helle Wellen weiße Kiesel feuchten.
Die
Wassergräser werden fortgezogen,
Die
in der Sonne aus dem Bache leuchten.
Die
Brücke schwankt herauf die erste Fahne.
Sie
flammt von Gold und Rot. Die Seidenquasten
Zu
beiden Seiten halten Kastellane
Im
alten Chorrock, dem von Staub verblaßten.
Man
hört Gesang. Die jungen Priester kommen.
Barhäuptig
gehen sie vor den Prälaten.
Zu
Flöten schallt der Meßgesang. Die frommen
Und
alten Lieder wandern durch die Saaten.
In
weißen Kleidchen kommen Kinder singend.
Sie
tragen kleine Kränze in den Haaren.
Und
Knaben, runde Weihrauchkessel schwingend,
Im
Spitzenrock und roten Festtalaren.
Die
Kirchenbilder kommen auf Altären.
Mariens
Wunden brennen hell im Licht.
Und
Christus naht, von Blumen bunt, die wehren
Die
Sonne von dem gelben Holzgesicht.
Im
Baldachine glänzt des Bischofs Krone.
Er
schreitet singend mit dem heiligen Schrein.
Der
hohe Stimmenschall der Diakone
Fliegt
weit hinaus durch Land und Felderreih’n.
Der
Truhen Glanz weht um die alte Tracht.
Die
Kessel dampfen, drin die Kräuter kohlen.
Sie
ziehen durch der weiten Felder Pracht,
Und
matter glänzen die vergilbten Stolen.
Der
Zug wird kleiner. Der Gesang verhallt.
Sie
ziehn dahin, dem grünen Wald entgegen.
Er
tut sich auf. Der Glanz verzieht im Wald,
Wo
goldne Stille träumt auf
dunklen Wegen.
Der
Mittag kommt. Es schläft das weite Land,
Die
tiefen Wege, wo die Schwalbe schweift,
Und
eine Mühle steht am Himmelsrand,
Die
ewig nach den weißen Wolken greift.
zurück
Der
Tag
Palmyras
Tempelstaub bläst auf der Wind,
Der
durch die Hallen säuselt in der Zeit
Des
leeren Mittags, wo die Sonne weit
Im
Blauen rast. Der goldene Atem spinnt,
Der
goldene Staub des Mittags sich wie Rauch
Im
Glanz der Wüste, wie ein seidenes Zelt
Der
ungeheuren Fläche. Dach der Welt.
Wie
ferne Flöten tönt des Zephirs Hauch,
Und
leise singt der Sand. Doch unverweilt
Jagt
hoch das Licht. Damaskus Rosenduft
Schlägt
auf wie eine Woge in die Luft,
Wie
eine Flamme, die den Äther teilt.
Der
weißen Stiere roter Blutsaft schäumt
Auf
Tempelhöfen, wo das Volk im Kranz
Des
Blutes Regen fühlt, und seinen Glanz,
Der
mit Rubinen ihre Togen säumt.
Ein
Tänzer tanzt im blauen Mittagsrot
Auf
weißer Platte, der vom Strahle trank.-
Das
Licht entflieht. Der Libanon versank,
Der
Zedern Haus, das sich dem Gotte bot.
Und
westwärts eilt der Tag. Mit tiefem Gold
Ist
weit des Westens Wölbung angefüllt:
Des
Gottes Rundschild, der die Schultern hüllt
Des
Flüchtigen. Sein blauer Helmbusch rollt
Darob
im Sturme weit am Horizont,
Am
Meer, und seiner Inseln Perlenseil.
Er
eilt dahin, wo schon der Ida steil
Mit
Eichen tost und dröhnt der Hellespont.
Das
Stromland fort, dem grünen Abend zu.
Wie
der Drommete Ton erschallt sein Gang
An
Ossas Echo. Troas Schilf entlang,
In
rote Wälder tritt sein Purpurschuh,
In
Sammetwiesen weich. Dem Feuer nach,
Das
einst gen Argos flog, tritt machtvoll er
Auf
Chalkis hin. Darunter rauscht das Meer
Hervor
aus grüner Grotten Steingemach.
Sein
Arm, den er auf Meer und Lande streckt,
Ragt
dunkel auf wie eine Feuersbrunst.
Sein
Atem füllt das Meer mit schwarzem Dunst,
Des
weißes Maul die roten Sohlen leckt.
Auf
Marathon schleppt seines Mantels Saum,
Ein
violetter Streif, wo schon das Horn
Der
Muschel stimmt am Strand der Toten vorn
Der
Sturmgott laut aus weißer Brandung Schaum.
Des
Rohres rote Fahnen rührt der Wind
Von
seines Fußes Fittich um am Strand
Der
fernen Elis, da der Nacht Trabant,
Schildknappe
Mond, den dunklen Pfad beginnt.
zurück
Der
Tod der Liebenden
Durch
hohe Tore wird das Meer gezogen
Und
goldne Wolkensäulen, wo noch säumt
Der
späte Tag am hellen Himmelsbogen
Und
fern hinab des Meeres Weite träumt.
„Vergiß
der Traurigkeit, die sich verlor
Ins
ferne Spiel der Wasser, und der Zeit
Versunkner
Tage. Singt der Wind ins Ohr
Dir
seine Schwermut, höre nicht sein Leid.
Laß
ab von Weinen. Bei den Toten unten
Im
Schattenlande werden bald wir wohnen
Und
ewig schlafen in den Tiefen drunten,
In
den verborgenen Städten der Dämonen.
Dort
wird uns Einsamkeit die Lider schließen.
Wir
hören nichts in unserer Hallen Räumen,
Die
Fische nur, die durch die Fenster schießen,
Und
leisen Wind in den Korallenbäumen.
Wir
werden immer beieinander bleiben
Im
schattenhaften Walde auf dem Grunde.
Die
gleiche Woge wird uns dunkel treiben,
Und
gleiche Träume trinkt der Kuß vom Munde.
Der
Tod ist sanft. Und die uns niemand gab,
Er
gibt uns Heimat. Und er trägt uns weich
In
seinem Mantel in das dunkle Grab,
Wo
viele schlafen schon im stillen Reich.»
Des
Meeres Seele singt am leeren Kahn.
Er
treibt davon, ein Spiel den tauben Winden
In
Meeres Einsamkeit. Der Ozean
Türmt
fern sich auf zu schwarzer Nacht, der Blinden.
In
hohen Wogen schweift ein Kormoran
Mit
grünen Fittichs dunkler Träumerei.
Darunter
ziehn die Toten ihre Bahn.
Wie
blasse Blumen treiben sie vorbei.
Sie
sinken tief. Das Meer schließt seinen Mund
Und
schillert weiß. Der Horizont nur bebt
Wie
eines Adlers Flug, der von
dem Sund
Ins
Abendmeer die blaue Schwinge hebt.
zurück
Ophelia
I.
Im
Haar ein Nest von jungen Wasserratten,
Und
die beringten Hände auf der Flut
Wie
Flossen, also treibt sie durch den Schatten
Des
großen Urwalds, der im Wasser ruht.
Die
letzte Sonne, die im Dunkel irrt,
Versenkt
sich tief in ihres Hirnes Schrein.
Warum
sie starb? Warum sie so allein
Im
Wasser treibt, das Farn und Kraut verwirrt?
Im
dichten Röhricht steht der Wind. Er scheucht
Wie
eine Hand die Fledermäuse auf.
Mit
dunklem Fittich, von dem Wasser feucht
Stehn
sie wie Rauch im dunklen Wasserlauf,
Wie
Nachtgewölk. Ein langer, weißer Aal
Schlüpft
über ihre Brust. Ein Glühwurm scheint
Auf
ihrer Stirn. Und eine Weide weint
Das
Laub auf sie und ihre stumme Qual.
II.
Korn.
Saaten. Und des Mittags roter Schweiß.
Der
Felder gelbe Winde schlafen still.
Sie
kommt, ein Vogel, der entschlafen will.
Der
Schwäne Fittich überdacht sie weiß.
Die
blauen Lider schatten sanft herab.
Und
bei der Sensen blanken Melodien
Träumt
sie von eines Kusses Karmoisin
Den
ewigen Traum in ihrem ewigen Grab.
Vorbei,
vorbei. Wo an das Ufer dröhnt
Der
Schall der Städte. Wo durch Dämme zwingt
Der
weiße Strom. Der Widerhall erklingt
Mit
weitem Echo. Wo herunter tönt
Hall
voller Straßen. Glocken und Geläut.
Maschinenkreischen.
Kampf. Wo westlich droht
In
blinde Scheiben dumpfes Abendrot,
In
dem ein Kran mit Riesenarmen dräut,
Mit
schwarzer Stirn, ein mächtiger Tyrann,
Ein
Moloch, drum die schwarzen Knechte knien.
Last
schwerer Brücken, die darüber ziehn
Wie
Ketten auf dem Strom, und harter Bann.
Unsichtbar
schwimmt sie in der Flut Geleit.
Doch
wo sie treibt, jagt weit den Menschenschwarm
Mit
großem Fittich auf ein dunkler Harm,
Der
schattet über beide Ufer breit.
Vorbei.
Vorbei. Da sich dem Dunkel weiht
Der
westlich hohe Tag des Sommers spät,
Wo
in
dem Dunkelgrün der Wiesen steht
Des
fernen Abends zarte Müdigkeit.
Der
Strom trägt weit sie fort, die untertaucht,
Durch
manchen Winters trauervollen Port.
Die
Zeit hinab. Durch Ewigkeiten fort,
Davon
der Horizont wie Feuer raucht.
zurück
Die
Professoren
Zu
vieren sitzen sie am grünen Tische,
Verschanzt
in seines Daches hohe Kanten.
Kahlköpfig
hocken sie in den Folianten,
Wie
auf dem Aas die alten Tintenfische.
Manchmal
erscheinen Hände, die bedreckten
Mit
Tintenschwärze. Ihre Lippen fliegen
Oft
lautlos auf. Und ihre Zungen wiegen
Wie
rote Rüssel über den Pandekten.
Sie
scheinen manchmal ferne zu verschwimmen,
Wie
Schatten in der weißgetünchten
Wand.
Dann
klingen wie von weitem ihre Stimmen.
Doch
plötzlich wächst ihr Maul. Ein weißer Sturm
Von
Geifer. Stille dann. Und auf dem Rand
Wiegt
sich der Paragraph, ein grüner Wurm.
zurück
Das
Fieberspital
I.
Die
bleiche Leinwand in den vielen Betten
Verschwimmt
in kahler Wand im Krankensaal.
Die
Krankheiten alle, dünne Marionetten,
Spazieren
in den Gängen. Eine Zahl
Hat
jeder Kranke. Und mit weißer Kreide
Sind
seine Qualen sauber aufnotiert.
Das
Fieber donnert. Ihre Eingeweide
Brennen
wie Berge. Und ihr Auge stiert
Zur
Decke auf, wo ein paar große Spinnen
Aus
ihrem Bauche lange Fäden ziehn.
Sie
sitzen auf in ihrem kalten Linnen
Und
ihrem Schweiß mit hochgezognen Knien.
Sie
beißen auf die Nägel ihrer Hand.
Die
Falten ihrer Stirn, die rötlich glüht,
Sind
wie ein graugefurchtes Ackerland,
Auf
dem des Todes großes Frührot blüht.
Sie
strecken ihre weißen Arme vor,
Vor
Kälte zitternd und vor Grauen stumm.
Schon
wälzt ihr Hirn sich schwarz von Ohr zu Ohr
In
ungeheurem Wirbel schnell herum.
Dann
gähnt in ihrem Rücken schwarz ein Spalt,
Und
aus der weißgetünchten Mauerwand
Streckt
sich ein Arm. Um ihre Kehle ballt
Sich
langsam eine harte Knochenhand.
II.
Des
Abends Trauer sinkt. Sie hocken stumpf
In
ihrer Kissen Schatten. Und herein
Kriecht
Wassernebel kalt. Sie hören dumpf
Durch
ihren Saal der Qualen Litanein.
Das
Fieber kriecht in ihren Lagern um,
Langsam,
ein großer, gelblicher Polyp.
Sie
schaun ihm zu, von dem Entsetzen stumm.
Und
ihre Augen werden weiß und trüb.
Die
Sonne quält sich auf dem Rand der Nacht.
Sie
blähn die Nasen. Es wird furchtbar heiß.
Ein
großes Feuer hat sie angefacht,
Wie
eine Blase schwankt ihr roter Kreis.
Auf
ihrem Dache sitzt ein Mann im Stuhl
Und
droht den Kranken mit dem Eisenstab.
Darunter
schaufeln in dem heißen Pfuhl
Die
Nigger schon ihr tiefes, weißes Grab.
Die
Leichenträger gehen durch die Reihen
Und
reißen schnell die Toten aus dem Bett.
Die
andern drehn sich nach der Wand mit Schreien
Der
Angst, der Toten gräßlichem Valet.
Moskitos
summen. Und die Luft beginnt
Vor
Glut zu schmelzen. Wie ein roter Kropf
Schwillt
auf ihr Hals, darinnen Lava rinnt.
Und
wie ein Ball von Feuer dröhnt ihr Kopf.
Sie
machen sich von ihren Hemden los
Und
ihren Decken, die sie naß umziehn.
Ihr
magrer Leib, bis auf den Nabel bloß,
Wiegt
hin und her im Takt der Phantasien.
Das
Floß des Todes steuert durch die Nacht
Heran
durch Meere Schlamms und dunkles Moor.
Sie
hören bang, wie seine Stange kracht
Lauthallend
unten am Barackentor.
Zu
einem Bette kommt das Sakrament.
Der
Priester salbt dem Kranken Stirn und Mund.
Der
Gaumen, der wie rotes Feuer brennt,
Würgt
mühsam die Oblate in den Schlund.
Die
Kranken horchen auf der Lagerstatt
Wie
Kröten, von dem Lichte rot gefleckt.
Die
Betten sind wie eine große Stadt,
Die
eines schwarzen Himmels Rätsel deckt.
Der
Priester singt. In grauser Parodie
Krähn
sie die Worte nach in dem Gebet.
Sie
lachen laut, die Freude schüttelt sie.
Sie
halten sich den Bauch, den Lachen bläht.
Der
Priester kniet sich an der Bettstatt Rand.
In
das Brevier taucht er die Schultern ein.
Der
Kranke setzt sich auf. In seiner Hand
Dreht
er im Kreise einen spitzen Stein.
Er
schwingt ihn hoch, haut zu. Ein breiter Riß
Klafft
auf des Priesters Kopf,
der rückwärts fällt.
Und
es erfriert sein Schrei auf dem Gebiß,
Das
er im Tode weit noch offen hält.
zurück
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