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Gedichte
- Georg Heym
Sonstige
1
Der
Wahnsinn des Herostat
Dramatische
Szene
Wer ist
der Größte! Ich, der seinen Namen
Vom
Schemel in der dunklen Werkstatt warf
Herauf
zum Äther: der die Goldschmiedsbrille,
Die
sonst in Regenbogenfarben brach
Armselge
Steine, nach der Sonne hob,
Daß
ich berieselt war von buntem Glanz
Wie
warmen Leders Rauch und heißer Stahl.
Mich
fror des Namenlosen. Manchen Tag,
Wenn
mit den Feilen ich durch Ringe fuhr,
Dem
Tischler gleich an seiner Hobelbank,
Das
Maul von Lauch noch duftend, manchen Mittag
Stand
ich schwarzgallig <um die Fenster her>
Gleich
einem Tagedieb den Tag verlungert.
Des
Abendfisches Gräten spie ich aus,
Und
blies die Kiemen auf wie sonst ein Narr.
Ich
sank ins Bette, wie ein hohles Faß
Zum
Keller rollt. Ich war ein hohler Schlauch,
Ich
war ein Hauch nur, den ein Gott verspie.
Ich
war ein Tropfen nur im Mäanderstrom
Ein
solches Etwas, daß die Gassenjungen
Nach
mir die Zunge bleckten, und die Weiber
In
den Buhlstätten [unleserlich] selbst mich doppelt
Am
Beutel ließen. Nannt ich »Herzchen« sie,
So
wiesen sie mir frech den Hintern zu.
Wie
hab ich's euch gelehrt, ihr Hagestolze,
Beturbant
Pack, ihr Vetteln, ihr Geschmeiß,
Ihr
Schneider, Schuster, Fleischer, Bäckersleute,
Ihr
<Zungenleser>, Magier, Sternbeschauer,
Ihr
Opferdeuter, Priester, ihr Beseßnen,
Ihr
Jahrmarktsvolk, ihr armen Eintagsfliegen.
Ihr
Rechtsgelehrten, die auf ihrem Stein
Wie
Spinnen hocken, mitten auf dem Markt
Nach
Beute lauernd. Ach ihr Herrn des Rats,
Ihr
Tausend-Weise, ach ihr Eselsköpfe.
Wie
kam die Wut mir aus dem Herzen hoch
Wie
eine Wolke stieg der Zorn herauf
Wie
eine Flut schoß in die Stirn er mir,
Sah
ich am Mittag eure Prozession
Wie
einen Regenwurm die Stadt durchziehn.
Und
wenn ich bei den Frühjahrsfesten sah
Zu
den Archonten auf, die, Fett und Speck,
Sich
blähten auf den Stühlen, angestaunt
Von
jedermann, ich hätt euch angespien,
In
euer Mondgesicht, ihr Bäckerfürsten,
In
euer Fleischermaul, ihr Fleischerprinzen.
Aus
Nichts gehoben, wie die Blasen schwellend
Ins
Nichts zu kehren, wart ihr auserlesen,
Doch
nanntet ihr euch. Sohn <der Ewigkeit>.
Und
eure blöden Namen grubt ihr ein
In
heilger Tempel ungeheure Würde,
Wie
Fliegen ihren Dreck der Götter Mund
Zur
Speise geben, daß die goldne Lippe
Von
weißem Geifer trieft. So klebt wie Aussatz,
Wie
eine Pest, die aus den Mauern schwor,
Wie
gelber Eiter einer weißen Wunde
Eur
Namenschild bei hohen Weihgeschenken.
Und
wer vom Volke nicht zu lesen mag,
Er
hält euch wohl für seiner Götter Namen
Und
ruft euch an. Ihr, unbekannte Männer,
Ihr
bald so klein, daß ihr wie Essig trocknet.
Ihr
wollt berühmt sein? Ihr, die um den Ruhm
Nicht
heiße Tränen weintet, die nicht nachts
Vor
Ehrgeiz krank auf euer Lager schlugt
Mit
beiden Fäusten. Ihr, was wißt ihr denn,
Von
diesem Feuer, von dem Durst nach Ruhm,
Von
dieser Angst, man möchte vorher sterben,
Eh
man den Namen aus dem Staube trug
Zum
Götterschoß, ach ihr. Ich zahlte euch
Für
euer Wohlwolln, für die Gönnermiene,
Mit
der ihr meinen Künsten zugeschaut.
»Wie
hübsch ist <das>. Nein, seht nur diesen Leib,
Den
möcht ich wohl in meinem Bette haben.«
–
O.
Diana von Ephesus, die den Schimpf
Erdulden
mußte, räche meinen Namen,
Ich
rächte dich. Dich achtet niemand mehr.
Ich
nur und wen'ge glauben noch an dich,
Wenn
du vor Liebe traurig angeschaut
Aus
meinem Werke mich. Ja, es war Zeit,
Daß
in der Hundertbrüstgen Tempel ich
Der
Gotteslästrer Namen ausgelöscht,
Hinweggeschmolzen
in den Riesenflammen.
Dein
Werk war's, Göttin, die wie einen Strahl
Durch
meines Hirnes Nacht die Botschaft sandte.
Ich
war wie trunken, schwankte wie ein Blinder,
Ich
überdacht es kaum. Ich lief hinaus
Zum
Licht der Berge, war allein mit dir,
Allmächtige
Natur. Nun würd ich sein,
Ich
würd erheben mich vom Staub der Zeit.
Ich,
Herostrat von Ephesus genannt,
Ein
armer Goldschmied, doch vom Ruhm gekrönt.
Und
die Geschlechter, die der Schoß der Zeit
Zum
Lichte <häuft>, sie werden meinen Namen
Mit
Ehrfurcht nennen, wenn durch die Äonen
Er
strahlt dem Sirius gleich.
Ich
lief am Strome hin,
Da
rauschte aus des Schilfes Waldung es,
Die
tausend Schwestern sahen auf zu mir,
Sie
wiesen flüsternd mich einander zu:
»Seht,
das ist Herostrat.« Ach Glücksgefühl,
Wie
mich des Glückes Feuer heiß berann.
Ich
neigte mich dem Schilf. Ich, huldvoll lächelnd
Wie's
einem König steht. Ich kam zurück zur Stadt
Zum
Gotteshause durch die Gassen hin.
Aussätzge
wälzten auf der Treppe sich
Mit
gelben Händen greifend <nach> dem <Geld>.
Die
Opferhändler saßen <vor> den Stufen.
Vom
Markte schwoll der Lärm der Stadt herauf,
Da
trat ich ein in deine dunkle Halle,
Und
zog die Schuhe aus. Das Palisanderholz
Gab
meiner Fackel Leuchten rings zurück,
Der
Tempel strahlte, wie von tausend Bränden,
Die
hohen Säulen strahlten wie von Gold.
Die
Fackel schwenkte ich, ich sah hinauf
Zum
hohen Dache, sah den goldnen <Fries>.
Ich
sah die göttlich schöne Malerei,
(Textlücke)
Zu
Delos dich aus Mutterleibe
sprossen.
Ich
sah dich mit den Hirschen, mit den Hinden
Am
Quell des Baches, sah Meleagers Glut.
Ich
sah Endymion, der von dir befallen
Die
Hände gleich zwei Flammen warf empor,
Zu
dir, du reiner Stern der Mitternacht,
Du
Schützerin der unfruchtbaren Frauen,
Verdorrter
Schöße gnadenreicher Schlüssel,
Du,
reich an Brüsten, draus das Leben jagt
Ein
Strom von Milch. Ich faßte deine Knie
Und
<lehnte> mich voll Brunst an deinen Fuß,
Du,
die ich einzig liebte diese Zeit,
Du,
meine Tochter, müßtest nun vergehen
Den
Flammen gebend deine Fruchtbarkeit.
Zerbersten
müßten deine Eingeweide.
Mich
jammerte, daß du vergehen solltest.
Im
Feuer sollte aller Glanz zerspringen.
Ich
weinte fast, da sah ich auf zu dir.
Und
deinem strengen Auge wich ich nicht.
Du
sehntest dich dem Bett des Feuers zu,
Voll
Überdruß der kalten, schweißgen Arme
In
reinre Wollust, stolzre Üppigkeit,
Beleidigt
und geschändet von dem Volk
So
vieler Bitten, solcher Qualen müde.
So
tat ich es, ich trat von dir zurück.
Ich
schwenkte hoch die Fackel in der Luft,
Daß
rings das Pech zum Boden knisternd sprang
Und
tausend Flämmchen zuckten in ihm auf.
Ich
hielt sie an die Wand. Die Weihgeschenke.
Die
Purpurmäntel. Deine Taubenkörbchen.
Die
trocknen Früchte. Und ein Windsturm blies
Die
Flamme schwellend in die bunten Zeuge.
Der
Purpur taumelte in wilder Lohe,
Die
Täubchen schrien, von der Glut versengt,
Die
Früchte fuhren raschelnd auf und nieder.
O
wie
das Feuer an den Wänden fraß,
Nach
oben greifend, wie viel tausend Hände.
Wie
brachen springend rings die hohen Platten.
Sie
wellten sich, sie warfen aus die Namen,
Die
dreingelassen. Ach, ich lachte dessen,
So
kurz war eine Größe nur bemessen,
Die
Flammen stiegen auf, sie einten sich
Am
Sims zum Meere roter Lavaglut.
Sie
rankten um die Säulen sich empor
In
dem Akanthus nistend wie die Schlangen.
Sie
schwollen hin zur Decke, aufgebläht.
Sie
einten sich von allen Tempelwänden
Wie
Aureolen liefen sie dir zu,
O
Wunder Wunder Göttin, da du standst
Im
Meer von Lichte, da die Brüste schwollen,
Von
<Gluten> jauchzend, da dein Bauch zerriß,
Und
ließ den warmen Strom der Gluten ein
Und
da du hinsankst, tönend wie die Leier,
Im
Glanz der Liebe hehr und ewig groß.
»Feuer.
Feuer, der Göttin Tempel brennt.
Feuer.
Feuer. Wacht auf.« Ich hört den Lärm,
Ich
hört ihn wachsen, hört ihn nahe kommen.
Nun
heißt es, stark sein. Und ich trat heraus,
Vom
Feuer unversehrt, kaum daß mein Bart
Gekräuselt
ward von einer leichten Lohe.
Ich
trat heraus und sah, ein Gott, auf sie.
Auf
diese Därme, diese Fleischerlungen.
Auf
diese Zungen, diese langen Arme.
Auf
diese armen Tiere, dieses Pack.
»Da
ist er« schrien sie, »seht den Götterschänder.«
»Wer?«
»Herostrat.« Da hört ich meinen Namen
Wie
eine Woge brausen in dem Volk.
So
weit berühmt, wie eine Flut nun wachsend.
Heut
weiß es Ephesus' Million, und morgen
Schon
weiß es Asia. Andern Tages schwillt
Durch
Griechenland, durch Thrakien, Istrien,
Durch
Skythenland und Parthien, Baktrien,
Durch
Babylon, Arabien. Und der Nil
Hört
meinen Namen an die Grüfte brausen.
Bis
zu Karthagos ferner Pracht im Meer,
Bis
hin zum Atlas, und des Weltmeers Toren
Da
schwillt er weit hinaus. Und gibt es Völker
Die
jenseits wohnen, sie vernehmen ihn
Wie
Glockenschläge dröhnend in das Ohr:
»Dies
ist ein Mann, der für den Ruhm verwarf
Das
bißchen Leben, daß er ewig lebe.«
O
Ruhm, o Ruhm. Nun den Heroen nah,
Kein
Sterblicher, ein Sohn der Götter schon.
Ich
ließ mich willig in den Kerker reißen,
Wie
mußt ich lachen über ihre Wut.
Die
armen Schächer, sie erbosten sich.
Sie
wollten mir in ihrer Wut zu Leibe.
Ich
fühlte nichts, als meinen großen Glanz,
Als
meine Stärke, meine Ewigkeit.
O
schöner Rausch der großen Phantasie,
Im
Chor der Götter. Niemals mehr vergehn,
Der
Zeit gleich ewig ward ich, Herostrat.
Noch
gestern abend nur ein armer Mann,
Ein
großer Gott, da diese Nacht begann.
Wer
war so glücklich, wer trug je den Rausch
Der
Götterfreude so im wilden Herz.
Vom
Kerkerfenster sah ich weit den Glanz,
Den
nächtgen Himmel wie in Gold getaucht.
Und
in den Sternen las ich: Herostrat.
Ich
schlief, ein Toter, nach dem Meer der Freude.
Des
Todes Morgen brech mir frühe an.
Wie
gerne sterb ich. Mich verlangt zu sterben.
Ich
könnt nicht leben mehr mit meiner Größe.
Ich
ward zu groß und zu gewaltig hier.
Mein
Name darf nichts Irdisches mehr tragen,
Des
Lebens Brandmal. Ich <verzeihe> nun,
Ich
hör das Hämmern schon vom Scheiterhaufen,
Die
Menge lärmt schon vor den Kerkertoren.
Fort,
kleine Schwäche. Herostrat genannt,
<Er>
kehrt ein Großer in des Hades Reich.
Sein
Leib zerfließt in Luft und Erd und Rauch,
Sein
Name brennt wie eine Fackel stets.
(Die
Tore werden aufgetan. Die Sonne fällt in den
Kerker und beleuchtet ein kleines Männchen, mit dem gestörten Auge
eines
Narren.)
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