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Literatur


04.3


Gedichte in Prosa

Ann Croissant-Rust

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Endziel
 
Wir wanderten Hand in Hand durchs Thal.
      Du sahst die Blumenwiesen,
      ich die Berge.
      Deine Stimme tönte leise, hell neben mir,
      du im weißen Kleide,
      du Jugend, du Schönheit, du Glück!
      Ein Spinnengewebetraum,
      ein Vorüberhuschen des Frühlings,
      Vogelrufe,
      Düfte
      und Blüten —
      vorüber,
      ohne daß ich es erfassen konnte. —
      Und ich ging allein.
      Du hattest meine Hand losgelassen, um nach den
 bunten Blumen zu greifen, ich sah die Berge; Leben,
Wollen, Kraft war in mir erwacht. Doch ich kehrte
zurück zu dir und deutete auf die Berge.
     Du schütteltest den Kopf, lächelnd, lächelnd! Deine
Hände hielten die Blumen, immer mehr, immer mehr,
du sahst nicht, daß ich weiter zog.
      Da warst du allein.
      Ein paar Schritte nach vorwärts, du riefst —
      Ich höre deine Stimme, deine Worte verstehe ich
nicht mehr.
     Aber deine Augen
     sehe ich
     und die Thränen, die auf die Blumen fallen.
     Der huschende Spinnengewebe-Frühlingstraum
     will sich noch einmal durch die Ritzen meiner
                                                          Seele stehlen —
     vorüber,
     es fröstelt mich,
     dein Rufen tönt ferner und ferner,
     die Berge
     rücken näher.
     Ich strauchle,
     ich falle.
     Auf!
     Hinauf! 
     Feuer
     quillt mir im Herzen,
     im Hirn. Verzehrt es mich,
     trägt es mich zur Höhe? —


 
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Dorfkirche
 

Nur meine Schritte reden
im Kreuzgang der kleinen Kirche.
Die schweigende Kühle hält mich in den Armen,
wiegt mich — —
Dämmer um die Betstühle,
das rote, blinzelnde, schlaftrunkene Flimmern
des ewigen Lichtes vor dem Altar,
leise, leise pendelnd.
Durch die hohen Fenster die Gewittermauer am Himmel,
eine finstere Wache.
Wie mit feuchten Schleiern ist die Luft verhängt,
die schlafende, gleichgültige Kirchenluft.
Wellen erfüllen das Schiff,
ziehen träg
lautlos
durch die Gänge,
branden an den Mauern.
Ein glühes Sternlein schaukelt das rote Licht
über den Wellen.
 
Ruhendes,
verstummtes,
im Schlafe lächelndes
Versunkensein.
Draußen, draußen Alles.
Doch das Dunkel drängt vor.
Nicht ungestüm, mit hastenden Eilschritten.
Von der Gewittermauer gedrängt gleitet es leise,
demütig
durch’s Fenster.
Traurig fast.
Kriecht über die Betstühle,
von Stuhl zu Stuhl
klebt es seine dichten Seidengaseschleier,
wischt über die Bilder,
schleppt sich zum Altar —
die Kirche schläft weiter.
 
Da herrscht schon der Sturm an den Fenstern,
daß sie in Schauern klirren von seinen Schlägen.
Ein Geißelhieb, zuckt der Blitz
über den gekrümmten Rücken des Dunkels,
wieder! —
wieder! — und mit mächtigem Schritt
schreitet der Donner
über das Dach.
 
Die Kirche träumt.
Draußen, draußen Alles.
Nun picken die ersten
unruhigen
Regentropfen an die Scheiben.
Picken, pocken, horchen —
klopfen, sausen, schnell, schnell,
der Sturm
schleudert sie mit zuckenden Fingern
gegen die Mauer und reißt
mit ungestümen Händen
an Thor und Fenster.
 
Drängt er sich durch?
 
Nur die Kirchenfahne tanzt
schwerfällig,
weltlich, verträumt
um ihren grellroten Schaft und hebt
ihre gleißenden Goldquasten. —
 
Zuckende Flammen brechen wie Schreie
durch die Dämmerschleier,
züngeln auf den mattweißen Platten,
zischen durch die Fenster. —
Plötzlich lohend,
groß, grell,
höhnisch,
durch die Kirche bleckend,
ein Schlag ins Antlitz — —
 
Die Kirche schläft — —
 
Und wieder das grollende
Schreiten des Donners
über dem träumenden Frieden.
 
Und wieder spitze, kleine Blitzzungen,
leckend, huschend,
das Dunkel kitzelnd,
und wieder die Donnerstimme,
aber in Eile,
im Verhallen.
 
Draußen, draußen Alles.
 
Nur ein paar eigensinnige Regentropfen
plappern noch nach auf den Steinen vorm Portal.
Jauchzend
schießt der Sonnenstrom durch das Zittern der
                                                Nebel,
junges Baumgrün jubelt von den Anhöhen,
eine Woge von Licht und Duft und Farbe
                                               umhüllt mich,
nimmt mich,
trägt mich,
berauscht mich — —
Die Kirche schläft. —
Draußen, draußen Alles!

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