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04.3
Gedichte in Prosa
Ann
Croissant-Rust
_____________________
Sturm
Hatte
er nicht
am Morgen schon einen drohenden
schwarzblauen
Riesenwolkenarm über den Himmel
gestreckt?
Ueber
den mattblauen, erschreckten, verschüchterten
Himmel, an dem
die Sonnenstrahlen wie erstarrt hingen,
blaßgelb,
glitzrig, wie gesponnenes Glas.
Und
dann war er hinunter. Tief hinter die starre
Mauer, die er
sich geballt am Rand.
Dort
hockte er.
Dort
lauerte er.
Nur manchmal — heiser, schrill — ein
Pfeifen —
Nur
Schnauben — abgebrochen —
Er
wachte!
Es
zitterte die Erde, der Himmel fröstelte, Angst
spannte sich
über die Sonne.
Das
All erwartete ihn gebeugt.
Stille,
still! —
Noch kommt er nicht.
Er ruht hinter der Schwarzwolkenmauer und
seiner
Ruhe Atem
haucht über den Himmel, die flockenweißen
Dünnwolken zu
scheuchen.
Sie
irren, Sie taumeln, sie halten, sie rennen in
die Sonne —
die Aufgescheuchten!
Da!
auf einmal sind sie zerblasen, zerstäubt, einen
schüchternen
Mattglanz dem Himmel lassend.
Nun
ruht er.
Friede
hat die Erde, Friede der Himmel.
Noch
sind sie zagend und der blinzelnde Sonnen-
blick schielt
nach der Drohwand.
Steil,
mit hochfahrendem Dunkelstrich, fährt sie
am Himmel hin,
wieder jäh absinkend.
Und dahinter?
Ruht er wirklich?
Stille,
still!
Wie
hat er gestern die arme Erde überfallen!
Die
Erde im Festkleid.
In
leichten, dünnen, glitzernden Schneeschleiern
ruhte sie und
lachte mit der Sonne, die ihr Gefunkel
und Flitter schenkte.
Herunter
das Kleid!
Er riß es ihr vom Leibe.
Zu
zusammengeballten Fetzen hängt‘s an ihr heute
und ihr
nackter Leib, grau und erschauernd, schaut
durch die
Risse.
Aber
die Sonne tröstet sie, streichelt sie, wärmt sie.
Zündet
goldne Lichter an, hoch oben in Winter —
buchenlaubästen,
umwebt wehende Birkenhaarzweige,
daß sie glühen
und scheinen, daß sie frohlocken und
jubeln.
Die
düstern Fichten macht sie grünen, streicht am
Metallmantel
der Pappel herunter mit zuckendem,
lichterndem
Finger.
Hände
voll Glasperlen, rollt sie über das Fetzen-
kleid,
gleißendes Steingefunkel.
Und
sie küßt die Thränen der Erde, küßt ihren
Leib warm,
hehlt ihr das Bangen.
Aber
er lauert.
Lauert
hinter der herrischen Steilwand.
Da
flattert ein Stern auf.
Von
dort kommt er, von der Wand her. Mattes
Geflimmer am
glanzverlöschenden Himmel, ein nest-
müder, verscheuchter Vogel.
Der
Bote für die Sonne, daß sie gehen muß.
Und
nieder kniet sie am Himmelsrand, hält die
Erde in
letzter, angstverwirrter, banger Glut umfangen
und sinkt.
Aufflammt
ihrer blutroten, düstergleißenden Warn-
fackel
brennendes Mahnzeichen am Wolkenwandende.
Er
kommt! - Er kommt!
Aus der
Steilmauer streckt sich sein Wolkenarm,
schießt über
den Himmel, zertrümmert sein Blau.
Wolkenballen schleudert er in den Brandschein
der
Sonne, löscht
sie, erstickt sie und sein gelles Lachen
schrillt durch
die Weiten.
Er
kommt!
Beugt
euch, er ist nah!
Ein
Wimmern zieht über die Erde, erlöscht ist
der letzte
Schein, geborsten das tröstende Blau.
Furchtsame,
verwirrte Sterne zittern und knistern
in wogendem
Grau.
Wie
sie irren, wie sie keuchen, gehetzt, die Trüm-
mer der
Wolkenmauer.
Zerrisen
hat er sie, zerfetzt und fliehend verfolgt
er sie, ballt
sie zusammen, zerstößt sie wieder.
So
taumeln sie in der Höhe und in sie verrannt
hat sich der
schaukelnde Silberkahn des Mondes.
Taucht
auf, sinkt unter, schwankt - ist ver-
sunken.
Auf
und ab und hin und her jagen noch immer
die
Verfolgten, bis sie sich finden, sich schmiegen, sich
festhalten.
Da
stößt er gegen sie, rüttelt am Gewölbe, daß
es birst und
in Millionen kleine Krystalltrümmer
zerstäubend
sinkt.
Immer
mehr, immer mehr!
Er
jagt sie hinunter, sein heiserer Atem bläst sie.
Und
nun fährt er auch wieder auf die Erde.
Er
ist da! —
Ein
Angstschrei schrillt über die Weiten. —
Gebannt
harren sie, furchterstarrt.
Hört
ihr, wie sein Triumphsang über die Berge
schallt?
Seine
Posaune gellt? —
Da
faßt er die Erde.
Seine
Hände reißen in ihren Haaren, er kniet
auf ihrer
Brust und schreit ihr seinen Hohn ins Antlitz.
Schütteln,
schütteln will er sie.
Seine
Finger rasen an ihrem Leibe, sein schnau-
bender Eisatem
tötet sie.
Wie
er keucht, wie er kreischt!
Wunden
wühlt er ihren Weichen, ihrer Brust,
ihr Wimmern
erstickt er mit geballten Fetzen ihres
Kleides wütend
errafft.
Dann
läßt er von ihr.
Und wieder fallen von hochoben die geborstenen
Wolkenkrystalltrümmer.
Immer
zu, immer zu!
Deckt
sie, sie ist tot!
Und
nein! — — sie stöhnt! —
Abermals
wirft er sich über sie, umkrampft ihre
Brust,
erdrückt ihr Stöhnen. Reißt wieder an den
Wunden ihres
Leibes — — heult — — seine Wut
schreit auf im
Rasen, mächtig, höhnend — —
Da
wandelt sich‘s in Triumph.
Seiner
Siegerstimme Ton schreitet jauchzend durch
die Weiten.
Deckt
sie, die Tote!
Die
Tote!
Nieder,
nieder mit dem Bahrtuch.
Erstickt
sie, verhüllt ihren Leib, verbergt ihr
Antlitz. —
Weiß
und dicht fällt die Schneeleichenhülle, birgt
die Besiegte,
deckt die Wunden.
Von
oben schauen matte Sterne, trübe Augen
der Nacht.
Sein
Siegeslied aber singet der Sturm.
Laut,
hell, in brausenden Jubelakkorden singt er
den
Triumphsang der Kraft durch schauernde Weiten,
bis er mählich
verschallt.
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