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Literatur


04.3


Gedichte in Prosa

Ann Croissant-Rust

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Vorfrühling
 
Ist dies das Land, über das der breite Lichtstrom
rann? Die Berge, die von Sonne umspannt waren?
     Wärmende Helle rieselt an ihnen nieder, lichte,
trunkene, taumelnde Schönheit stieg zu ihnen auf.
     Ist dies dasselbe Land?
     Ahnte es einst den Frühling? —
     Nieder der Himmel.
     Knechtisch sind die Berge unter die Nebel ge-
schlüpft. Sie reißen sie an sich, die Gipfel, die Grate,
die Wände, langen tief, tief herunter, greifen in den
Wald, packen die Wiesen, streuen graue Dünste über
das Land.
     Und demütig beugt es sich. Läßt sich den
Schimmer entreißen, die mattblitzenden Farben, seine
glänzende, stille, wartende Heiterkeit gibt es hin —
— und ruht. Ruht wie ein Spätherbst. Wenn die
Wolken, ein drohendes, finsteres Dach, sich ausspannen,
nieder, bewachend.
     Wie im Spätherbst gilben die Wiesen, raschelt
Dürrlaub, wenn die Wälder atmen. Aus rötlichen
Blättern steigen die Metallstämme der Buchen in das
kahle Grau, von Sammtmoos umklettert. Ängstlich irrt
der Duft über die Wiesen und seinen dicken Atem
stößt der Strom wieder mürrisch aus, schleicht unter
den Weiden voll Tücke.
     Wie müde Alte kriechen die Wälder die Abhänge
hinauf, rasten unter den Nebeln. Und rücken sie
höher, die Nebel, so zeigen Schrunden und Risse, die
Wände mit schmutzig-gelbem Ton, daneben die Schwarz-
tannen, hingeklebt an die farblosen Grasflecken.
Flecken neben Flecken, widerlich vom Grau durchschossen.
     Ohne Eitelkeit, ohne Heiterkeit ist die Natur.
Zeigt ihre Grämlichkeit, ihre Gleichgültigkeit, verbirgt
nichts, läßt sich gehen, ­—  lohnt sich´s denn? —  —
müde und kraftlos wie im Spätherbst.
     Wie im Spätherbst?
     Trotzig ist die Wolkendecke, aber unsicher trotzig.
Hat nicht das Gebieterische, Fordernde, das Unerbitt-
liche des Herbstes. Nicht diese verstummende, starre
Trauer. Hinter ihr lauert der Wind, hält den Atem
an, hinter ihr blaut der Himmel, lacht — und wartet
die Sonne.
  Kauern nicht unter dem Gelbgras schon scheue,
saftgrüne, leuchtende Spitzen? Drücken nicht Blumen-
köpfe an dem dürren Laub, schieben, strecken sich?
     Und das Frösteln, das durch die Wälder streicht,
ist es nicht das erste mahnende, zunickende Anklopfen
des Windes?
     Hui, wie wird er ihnen über die Köpfe rasen!
Wie reißt er ihnen das alte Kleid vom Leibe und
wirbelt´s über die Hügel! Im Übermut küßt er die
lauschenden Knospenspitzen, daß sie springen und hurtig
ein zartgrünes Spitzenkleid weben über die alten
Strünke.
     Weißt du es nicht mehr?
     Kennst du sein Lied nicht?
     Sein Tanzen in den Schluchten und seine Freude
Rasen über Berg und Thal? Vor jenen goldnen
Sonnentagen, ehe die Nebel gekrochen kamen wie
graue Riesenwürmer?
     Wie zerblies er die Wolken und verschleuderte
sie bündelweise! — Sein rufen tönte über den Himmel
hin, brauste in den Schluchten und die Wildbäche
brachten den donnernden Widerhall seines Sanges
von den Bergen her, wenn er den Schnee zerküßte.
     Weißt du es nicht mehr?
     Ist dir alles in die Nebel geschlüpft, hat dir das
Grau alles verschlungen und du hörtest sein Freuden-
taumellied nach dem Siege, du sahst ihn mit starkem
Arm Platz machen, für Licht und Heiterkeit.
     Sonnenströme schossen durch das Thal,
     Sonnenwunder lagerten auf den Bergen.
     In süßer, zager Schönheit, mit furchtsamen Augen
wartet die junge Erde. Und der Thauwind sang ihr
das Hochzeitslied, warf ihr jubelnd die Felsengewänder
über.
     Zarte, weiche, zerfließende Farben, klare helle,
leuchtende, bunte, wechselnde, und umtanzte sie, —
brachte ihr die schmeichlerischen Küsse des Frühlings,
raunte ihr erste, heiße, begehrende Botschaften zu und
schwang sich dann jauchzend weiter.
     Sie harrte zitternd.
     Ängstlich. Wieder bewacht von den Grauwolken.
     Gab die reichen Gewänder zurück, den Sonnen-
goldschmuck, die gleißenden Farben, beugt sich dem
Grau — wartend, demütig, bange, verschüchtert.
     Dann grämlich, gleichgültig, kraftlos, müde.
     Schläft sie?  Wie im Spätherbst? —
     Auf!    Auf!     Wach auf!
     Der Thauwind!
     Ist das seiner Stimme Ton, tief, tief hinter den
Schluchten?
     Ruft er über den Himmel hin?
     Ruft er ihr zu?
     Bringt er den Frühling?
     Mit jähem Ruck reißt er die Wolkendecke entzwei
und das lächelnde Himmelblau schaut durch die Spalte.
     Übermütig ist der Thauwind, ein singender Wan-
derer, nicht der brausende junge Kämpfer, der den
Winter geschlagen — nur den Schatten des Winters
vertreibt er pustend aus dem Land.
     Und dann lacht er und errafft die Wolken alle
und verwirbelt sie, nimmt im singenden Schreiten den
Schnee mit, umschmeichelt die Erde, öffnet die Hände
und Sonne und Licht und Heiterkeit entquellen ihnen.
     Ist dies dasselbe Land, über das der Lichtstrom
rinnt?
     Die Berge von Sonne umspannt?
     Dasselbe Land.
     Rüstet euch, rüstet euch, der junge König ist nahe!


 
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Nymphenburg

Sonntagmorgen!
Durch das Grün der Bäume zittern die Seufzer der Freiheit,
das Lossein von allem Zwange,
freies, leichtes Atmen.
Sie bewahren gut die Büsche,
die Hecken,
die Gehege,
nur ein leiser Hauch,
zittert über die Wege,
den See.
 
Die Luft bringt Küsse,
heimliches Gelächter der Verliebten,
süßes Geflüster,
heiße,
raunende Worte.
Grünes, jungfrisches Weben imPark,
breiter, warmer,
frühjährlicher
Sonnenschein vor dem Schlosse.
Wie Goldregen
fällt’s
von hoch oben,
die jungen Eichenblätter glühen
rotgolden
über dem grünlichen Baumgedämmer.
 
Gold, Sonne, Licht, Luft,
Freiheit,
Vergessen!
 
In dem kleinen Schlößchen
wispern und kichern
die Abenteuer vergangener Jahrhunderte,
das breite, weiße Schloß schaut kalt,
abweisend auf die nackten Götter und Göttinnen,
die lächelnd die vergangenen Geheimisse des Parkes hüten.


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