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04.3
Gedichte in Prosa
Ann
Croissant-Rust
_____________________
Vorfrühling
Ist
dies das Land, über das der breite
Lichtstrom
rann? Die
Berge, die von Sonne umspannt waren?
Wärmende Helle rieselt an ihnen nieder,
lichte,
trunkene,
taumelnde Schönheit stieg zu ihnen auf.
Ist dies dasselbe Land?
Ahnte es einst den Frühling? —
Nieder
der Himmel.
Knechtisch
sind die Berge unter die Nebel ge-
schlüpft. Sie
reißen sie an sich, die Gipfel, die Grate,
die Wände,
langen tief, tief herunter, greifen in den
Wald, packen
die Wiesen, streuen graue Dünste über
das Land.
Und demütig beugt es sich. Läßt sich den
Schimmer
entreißen, die mattblitzenden Farben, seine
glänzende,
stille, wartende Heiterkeit gibt es hin —
— und ruht. Ruht wie ein Spätherbst.
Wenn die
Wolken, ein
drohendes, finsteres Dach, sich ausspannen,
nieder,
bewachend.
Wie im Spätherbst gilben die Wiesen,
raschelt
Dürrlaub, wenn
die Wälder atmen. Aus rötlichen
Blättern
steigen die Metallstämme der Buchen in das
kahle Grau,
von Sammtmoos umklettert. Ängstlich irrt
der Duft über
die Wiesen und seinen dicken Atem
stößt der
Strom wieder mürrisch aus, schleicht unter
den Weiden
voll Tücke.
Wie müde Alte kriechen die Wälder die
Abhänge
hinauf, rasten
unter den Nebeln. Und rücken sie
höher, die
Nebel, so zeigen Schrunden und Risse, die
Wände mit
schmutzig-gelbem Ton, daneben die Schwarz-
tannen,
hingeklebt an die farblosen Grasflecken.
Flecken neben
Flecken, widerlich vom Grau durchschossen.
Ohne Eitelkeit, ohne Heiterkeit ist die
Natur.
Zeigt ihre
Grämlichkeit, ihre Gleichgültigkeit, verbirgt
nichts, läßt
sich gehen, — lohnt sich´s denn? — —
müde und
kraftlos wie im Spätherbst.
Wie
im Spätherbst?
Trotzig ist die Wolkendecke, aber unsicher
trotzig.
Hat nicht das
Gebieterische, Fordernde, das Unerbitt-
liche des
Herbstes. Nicht diese verstummende, starre
Trauer. Hinter
ihr lauert der Wind, hält den Atem
an, hinter ihr
blaut der Himmel, lacht — und wartet
die Sonne.
Kauern nicht unter dem Gelbgras schon scheue,
saftgrüne,
leuchtende Spitzen? Drücken nicht Blumen-
köpfe an dem
dürren Laub, schieben, strecken sich?
Und
das Frösteln, das durch die Wälder streicht,
ist es nicht
das erste mahnende, zunickende Anklopfen
des Windes?
Hui, wie wird er ihnen über die Köpfe
rasen!
Wie reißt er
ihnen das alte Kleid vom Leibe und
wirbelt´s über
die Hügel! Im Übermut küßt er die
lauschenden
Knospenspitzen, daß sie springen und hurtig
ein zartgrünes
Spitzenkleid weben über die alten
Strünke.
Weißt
du es nicht mehr?
Kennst
du sein Lied nicht?
Sein
Tanzen in den Schluchten und seine Freude
Rasen über
Berg und Thal? Vor jenen goldnen
Sonnentagen,
ehe die Nebel gekrochen kamen wie
graue
Riesenwürmer?
Wie
zerblies er die Wolken und verschleuderte
sie
bündelweise! — Sein rufen tönte über den Himmel
hin, brauste
in den Schluchten und die Wildbäche
brachten den
donnernden Widerhall seines Sanges
von den Bergen
her, wenn er den Schnee zerküßte.
Weißt du es nicht mehr?
Ist
dir alles in die Nebel geschlüpft, hat dir das
Grau alles
verschlungen und du hörtest sein Freuden-
taumellied
nach dem Siege, du sahst ihn mit starkem
Arm Platz
machen, für Licht und Heiterkeit.
Sonnenströme
schossen durch das Thal,
Sonnenwunder
lagerten auf den Bergen.
In
süßer, zager Schönheit, mit furchtsamen Augen
wartet die
junge Erde. Und der Thauwind sang ihr
das
Hochzeitslied, warf ihr jubelnd die Felsengewänder
über.
Zarte,
weiche, zerfließende Farben, klare helle,
leuchtende,
bunte, wechselnde, und umtanzte sie, —
brachte ihr
die schmeichlerischen Küsse des Frühlings,
raunte ihr
erste, heiße, begehrende Botschaften zu und
schwang sich
dann jauchzend weiter.
Sie
harrte zitternd.
Ängstlich.
Wieder bewacht von den Grauwolken.
Gab
die reichen Gewänder zurück, den Sonnen-
goldschmuck,
die gleißenden Farben, beugt sich dem
Grau — wartend, demütig, bange, verschüchtert.
Dann
grämlich, gleichgültig, kraftlos, müde.
Schläft
sie? Wie im Spätherbst? —
Auf!
Auf! Wach auf!
Der
Thauwind!
Ist das seiner Stimme Ton, tief, tief hinter
den
Schluchten?
Ruft
er über den Himmel hin?
Ruft
er ihr zu?
Bringt
er den Frühling?
Mit
jähem Ruck reißt er die Wolkendecke entzwei
und das
lächelnde Himmelblau schaut durch die Spalte.
Übermütig
ist der Thauwind, ein singender Wan-
derer, nicht
der brausende junge Kämpfer, der den
Winter
geschlagen — nur den Schatten des Winters
vertreibt er
pustend aus dem Land.
Und
dann lacht er und errafft die Wolken alle
und verwirbelt
sie, nimmt im singenden Schreiten den
Schnee mit,
umschmeichelt die Erde, öffnet die Hände
und Sonne und
Licht und Heiterkeit entquellen ihnen.
Ist
dies dasselbe Land, über das der Lichtstrom
rinnt?
Die
Berge von Sonne umspannt?
Dasselbe
Land.
Rüstet
euch, rüstet euch, der junge König ist nahe!
zurück
Nymphenburg
Sonntagmorgen!
Durch das Grün
der Bäume zittern die Seufzer der Freiheit,
das Lossein
von allem Zwange,
freies,
leichtes Atmen.
Sie bewahren
gut die Büsche,
die Hecken,
die Gehege,
nur ein leiser
Hauch,
zittert über
die Wege,
den See.
Die Luft
bringt Küsse,
heimliches
Gelächter der Verliebten,
süßes
Geflüster,
heiße,
raunende
Worte.
Grünes, jungfrisches
Weben imPark,
breiter,
warmer,
frühjährlicher
Sonnenschein
vor dem Schlosse.
Wie Goldregen
fällt’s
von hoch oben,
die jungen
Eichenblätter glühen
rotgolden
über dem
grünlichen Baumgedämmer.
Gold, Sonne,
Licht, Luft,
Freiheit,
Vergessen!
In dem kleinen
Schlößchen
wispern und
kichern
die Abenteuer
vergangener Jahrhunderte,
das breite,
weiße Schloß schaut kalt,
abweisend auf
die nackten Götter und Göttinnen,
die lächelnd
die vergangenen Geheimisse des Parkes hüten.
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