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04.2
Gedichte - Oskar Loerke
Atem
der Erde
Berlin 1930
__________
Die Rast
Im
Sturme
wenden sich alle Blätter nach
Westen,
Wagrecht
eingelegt ist des Gesetzes
Pfeil,
Das Gesetz ist
groß,
Ihm folgen
alle.
Ein Raubvogel
steht, bereit zum Stoß,
Im
graugefleckten Blau.
Lotrecht
niederschlägt der Keil
Und trifft
genau
Im
Niederfalle.
Ich fege die
Welt mit meinem Glauben
klar.
Geordnet harrt
sie, wie sie geordnet war.
Freunde können
erscheinen.
Die noch nie
das Schweigen brachen,
Öffnen sich,
und ihre Sprachen
Schweigen nun
auch in der meinen.
Haben die Füße
mich mattgetragen,
Hinab des
Herbstes Strahlenschiefe,
In des
Wintersgesenkes Tiefe,
So wird ein
Fels mir guten Abend sagen.
Das Kinn wird
im Handballen liegen,
Über mir hören
auf zu wiegen
Die Knospen,
verpackt in
Schuppenleder,
Mit Harz
verklebt, in Wollhaar
eingebettet –
Behütet wurde
der Keime jeder,
Seine
Künftigkeit gerettet –
Kein Schnee
verfällt, der
einwärtsdränge,
Zerlöst den
Panzer sprengte, daß er
spränge.
Und ich sehe
Schon wagrecht
eingelegt des Windes
Pfeil,
Der Stamm
schwingt wie des Bogens
Seil,
Regensilber
sät lotrecht Keil an Keil.
In mir übt
seine Sprache verfrüht
Der Wipfel: er
enthüllt sich, er blüht.
zurück
Stadtmauerschatten
Chrysanthemen
Nun
dieses Himmelslaken feucht und
lehmen
Bedeckt
den seiner Welt verlornen
Sohn,
Stehn
hinter Scheiben zahllos
Chrysanthemen –
Ein
Sonnetraum – und er betritt ihn
schon.
Ihr
drangt in mir, verpflanzt und
abgeschnitten,
Die
Köpfe wollig weiß und fahl und
braun,
Umringt
von bleichen Masken, kalten
Sitten,
Wo
Feuerlinien Labyrinthe baun
Dicht
wimmelt es im schwarzen
Schnee der Städte,
Sie
haben Worte unverständlich viel;
Ich
neige mich auf euch hinab und jäte
Verwelkte
Blätterdrachen euch vom
Stiel.
Die
trugen mich nach unsrer
Heimatinsel,
Indem
ihr Schweif in meiner Hand
zerbrach.
Dort
vom Vulkan hob seinen grauen
Pinsel
Ein
großer Geist, der mit den Sternen
sprach.
Und
er hielt ein und lag auf seinem
Rücken,
Der
guten wie der bösen Werke bar,
Und
alles Planen wollte ihm nicht
glücken,
Weils
schon vollzogen und vollkommen
war.
Da
sah er mich. »Du träumst. Der
Drachenmotte,
Du
Mensch«, so sprach er, »war dein
Schweiß zu schwer.
Bleib
übersee. Und es gibt keine Flotte,
Die
nicht verschölle im verschollnen
Meer.
An
Todesfelsen hacken leere Kähne,
Die
Wellenkreise klappern bugentlang,
Dem
Großen Bären wässern sie die
Zähne
In
unaufhaltsam ernstem
Weiterdrang.«
Ich
höre durch die Stadt das Leben
brausen
Dem
Abend zu, doch wenn es Atem
zieht,
Ertönt
von fern, verschämt, in Pausen
Ein
Klang aus einem
Chrysanthemenlied.
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