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Literatur


04.2



Gedichte - Oskar Loerke

Atem der Erde
Berlin 1930

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DIE GESCHEITERTEN DER WELTSTADT

Mondstunde

Der Mond verläßt sie in gekalkter Grube:
Sein Götzentrost war ihrer Not gemäß.
Nun steigt er überfüllt in trägem Hube,
Für Unrat und für Trauer ein Gefäß.

Die Feuerschriften an den Dächern taumeln,
Und frische Tränen fallen irgendwo
In Schirme, die am Arm halboffen baumeln,
Vor Augen stichts wie faules Stoppelstroh.

Das Meer zu Häupten, das kein Schiff
  durchsteuert,
Zerschlug trotzdem wieviel! und wracke Habe
  treibt,
Und mancher Mann wird zäh als Maat geheuert
Von Einem, der ihm auf der Ferse bleibt.

Und mancher senkt sich mit der Taucherglocke
Und hockt beim Schatz, - nie zieht man in
  herauf,
Statt seines Blutes wächst in seinem Rocke
Der dicke rote Rost am Waffenknauf.

Ein Holzplatz und verdunkelte Remisen,
Sie werden katalaunisches Gefild,
Wo Lust, zu schattenlosem Schlaf verwiesen,
Sich hebt und rührt, noch immer ungestillt.

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Aus den Augen gelesen

Der Weisheit Schluß

Ich war bedürftig und begabt,
Ich sah euch gehn wie kommen:
Da ihr mir nicht gegeben habt,
So habt ihr mir genommen.

Der Körper nährt sich noch, der seelenkahle,
Durch seiner Hände Betreuung,
Doch zwischen Mund und Fingern rauscht das
  schale
Dumpfe Meer der Zerstreuung.

Bettler

Längst schreibt auf keine Wand ein Griffelspeer
Seine glühenden Zeichen,
Und von den Päpsten kommen keine Münzen
  mehr,
Die inbeschrieben wären: Weh euch Reichen.

Einsamer

Ich treibe mich um in den Menschenhorden;
Sie sind ohne Sünde;
Ich bin milde geworden.
Sie haben mich nicht hören wollen.
Wo sind meine Gründe,
Ihnen zu grollen?
Nur weil das Meine werter war
Als andres, das begehrter war?

Höchstes Stockwerk

Manchem gründete Sankt Peter
Den Felsen überm Wasserlärm:
Mein Horst im hupenden Gezeter
Ist Rabitzwand und Rohrgedärm.

Will mich das schwellende Getöse
Von meiner Wahrheit überführen?
Es schallt nur, schallt nicht gut und böse -
Ich darf die Erde nicht berühren.


Ausblick

Raubzeug geht in Schluft und Schächte.
Schmerz und Ängste werden eben.
Am Rande der Nächte
Müssen sich immer Sonnen erheben.


Intellektuelle

Das Vieh hat süßes Gras für seinen Magen,
Wir aber sind die bittren Rhizophagen.


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Aussegnung

Nur in der Fibel ist dir begegnet
Leben, in Kinderlettern zu lesen.
Du gingst gehetzt und ungesegnet.
Langsam ist das Verwesen.

Nacht war über deinen Händen,
All die Jahre Nacht.
Nun liegst du zwischen den Sternenbränden.
Ein Wild, zur Strecke gebracht.


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Schattenleuchter

Im Schein der Fische wurden wir geboren.
Nach langem Irren ist uns nun bewußt:
Was wir nicht hatten, haben wir verloren,
Was wir nicht mußten, haben wir gemußt.

Wir fordern! Gebt, denn weh tun Hirn und
  Galle,
Der Schlund, er giert, es freut sich das
  Geschlecht,
Wir bluten, reißt ins Fleisch uns eine Kralle,
Wir sind euch gleich, ihr habt kein tiefres Recht.


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