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04.2
Gedichte
Oskar Loerke
Der Gast von Altheide
aus: Die Abschiedshand
__________
Warum so viel Trauer?
Euch
zuzusprechen bin ich lang geübt.
Nichts
widerfuhr mir, nennt mich nicht betrübt.
Kein
Sturmgespenst braust neu mir durch den Sinn,
Das,
was ich Gutes tat, nochmals zerfetzt.
Mein
Auge ist die große Welt: ich bin
Von
so viel Ungerechtigkeit verletzt.
zurück
Zuspruch
Man
lebt, doch nie nach eigner Wahl und Kür,
Man
stirbt, jedoch man stirbt niemals wofür.
Es
kann den Bettler nicht, nicht den Propheten
Ein
andrer seinesgleichen stellvertreten.
Wer
stirbt, der lebt! Er hat in sich die Dauer,
Und
trauern wir, so ists nicht seine
Trauer.
Und
suchen wir nach Trost, wir finden keinen,
Doch
er küßt uns die Stirnen als den Seinen.
zurück
Vom Weltlauf
Der
Hund, das Huhn, der Esel scharrt,
Die
ungeschmierte Angel quarrt.
Des
freuen wir uns insgesamt,
Weil
es dem Lauf der Welt entstammt.
Das
Leben wie der Tod gedeiht
Zur
Apfel-, zur Lawinenzeit.
Zu
keiner Zeit behält den Glanz
Ein
Eichen-
oder Lorbeerkranz.
So
schelten grob und ungeschlacht
Und
haben uns ein Joch gemacht.
Da,
eines Morgens grünt ein Halm,
Und
Gottes ist die ganze Alm.
zurück
Gebetsfrage
Warum
hast du uns zugedacht
Ein
Geistesfeuer, Vater,
Um
das dein böser Feind sich müht
Und
Pfähle für das Fleisch uns glüht,
Eh
wir uns strecken in die tiefe Nacht?
Von
deinem Atem duftet warm
Die
alte Tanne, Vater.
Und
wenn an ihrem Fuß die Säge
Schon
zischt, noch rauscht der Wipfel träge,
Eh
er
ins Nichtsein zuckt – ein Rabenschwarm.
Um
Kälber hab ich oft geweint,
Die
wir dir stahlen, Vater.
Ihr
Fuß hüpft heute aus der Hütte,
Ihr
Blut hüpft morgen in die Bütte.
Du
strafst uns nicht. Ist denn dein Herz versteint?
Dein
Wohnsitz schweigt. Du hast genug gelehrt.
Wir
konnten selten, Vater,
Die
Schriften deines Griffels lesen,
Sind
deine Kinder nie gewesen.
Dein
Feuer hat uns Glück und Glied verzehrt.
zurück
Eingang und Ausgang
Ich
war in Seligkeit ein Kind,
Das
aus dem Indianerkral
Sich
keine Reiherfeder stahl,
Weil
drüben immer Federn sind.
So
oft
ich wollte, stieg ich hin.
Wohin
die Kompaßnadel schlug,
Fand
ich den Weg und fand genug.
Die
Welt war ohne Hintersinn.
Dann
riß den Göttern die Geduld.
Sie
machten meine Haare weiß
Und
schmähten meinen kranken Fleiß,
Und
plötzlich war ich voller Schuld.
Was
meiner Hände Arbeit trägt,
Es
reicht wohl eben, daß mans nimmt,
Auch
manchmal zu mir sagt: es stimmt,
Und
manchmal aus der Faust mirs schlägt.
Ein
Messer liegt und ist gewetzt, —
Ein
Seelenchor blieb mir im Bach,
Ich
höre, wie im Schindeldach
Die
Seelen jammern, bis zuletzt.
zurück
Über vielen Sintfluten hin
Der
Abend wärmt die weiße Birkenhaut.
Ein
alter Vogel kommt das Holz betasten.
«Auch
ich bin weiß — und ich war schon ergraut,
Als
ich zur Sintflut fuhr in Noahs Kasten.
Ich
habe eine neue Flut erschaut
Und
will, bevor ich wieder fliege, rasten.
Fern
hämmert schon der Archenzimmermann.
Wie
Halme wird es bald die Menschen heuen.
Oft
sah ichs vom gepichten Floße an:
Die
Bösen sind geliebt, zerstiebt die Treuen.
Es
glauben, daß sie nichts zerstören kann,
Die
Bösen, die sich der Zerstörung freuen.
So
viele hören mich wohl als Pirol.
Wie
viele, die mit zweitem Ohr mich hören?
Den
einen schallt mein Zuruf alt und hohl,
Sie
werfen mich mit abgenagten Möhren.
Den
andern macht er warm und traurig-wohl,
Sie
fangen ihn für Gott in Orgelröhren.
Wie
wenig kann ein irrendes Geschlecht
In
siebentausend Jahren doch errichten!
Wie
viel, eh ihr fünftausend Worte sprecht,
Kann
es vom gute, weisen Bau vernichten!
Ist,
was es neu erbaut, dann echter echt?
Es
wird der Trümmer Glanz nicht überlichten.
Wer
mit mir in den Drang der Zukunft sieht,
Wie
hülfen wir den Blinden und den Lahmen?
Nur
wer den Sturm der Ewigkeit nicht flieht,
Beharrt
bei seiner Unsichtbaren Namen.
Und
wem nur Leid, doch neu kein Leid geschieht.
Gehört
zu uns, die immer wieder kamen.»
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