|
|
|
|
|
lifedays-seite
moment
in time
|
|
Meine
Lizenz
|
04.2
Gedichte
Oskar Loerke
Die heimliche Stadt
Berlin 1921
__________
Hinter
Asiatischen Bergen
Auf
dem heitren Tempelplatze
Einem trägen
Gott zur Ehre
Wiegen sich gebräunte Mädchen
Wie im Winde Kalmuskolben.
Wie im Winde Kalmuskolben,
Die dem großen See nicht glauben,
Glauben sie nur ihrem Tanze
Auf dem heitren Tempelplatze.
Morgensilbern ist ihr Zwitschern,
Hallt im Tempel kühl und selig,
Und es hat den Gott erschaffen
Heilig mit gekreuzten Beinen.
Glaubt er, Kalmuskolben tanzen
In dem großen See der Seele
Bei des Silbermorgens Zwitschern.
zurück
Standbild der örtlichen Gottheit
Wo
sind meine Weltenhallen?
Meine Städte sind gefallen.
Städte, die mich ehmals grüßten,
Sind wie Stapfen in den Wüsten –
Stapfen, die den Regen messen,
Ihn vergessen und versiegen,
Noch den Schall der Vögel bergen,
Die bei Nacht zu Meere fliegen,
Und zerbröckeln und verfallen.
Seelen meiner Weltenhallen,
Grüßt die Bahn, die ihr geflogen:
Honigschein von Regenbogen,
Malven, Rosen, die verstauben,
Ausgekühlte Sternenlauben.
Licht in vielen Formen, Farben
Schuf die Dinge, die nicht starben:
Lichtes Glauben, Lichtes Schauen
Wird mir ewig Städte bauen.
zurück
Chinesisches Drachensteigen
Wesen,
die wir fürchten, meistern,
Die
auf unsern Pfaden waren,
Sind
gleich windgescharten Geistern
Farbig
in die Luft gefahren:
Schiffe,
voll getakelt, tragen
In
die Wolkenberge Büßer,
Groß
geschwänzte Drachen schlagen
Fische,
Vögel, Tausendfüßer.
Schwebt
die Heimat, die wir lieben,
Über
unserm Haupt von hinnen,
Und
wir sind zurückgeblieben,
Dem
Entschwebten nachzusinnen?
Um
die Dschunken aus Papiere
Harfen
ausgespannte Drähte,
Durch
die hohlen welken Tiere
Weint
Musik der Totenstädte.
Greise
wir mit klugem Scheine!
Lächeln
malt uns in die Falten
Fragen:
was wir an der Leine
In den Abendhimmel halten.
zurück
Aliang
Landüber
klagt die Stimme des
Dichters Yan-tse-
tsai,
Bedeckt mit der Süße der Ferne,
Umwunden von Linien des
Vogelflugs,
beschüttet mit Mai,
Von Wolken gedämpft, dem Rauche
des großen
Feuers der Höhe,
Erhört von der Heimat, klagt die
Stimme des
Dichters Yan-tse-tsai:
„Ist’s nicht, wie wenn sie
vorüberhusche?
Bist du es, Töchterchen Aliang?
Klare Pupillen wie kleine Tupfen
Tusche
Strahlen dein Leben, Aliang.
Ich formte dir einen Gong aus Eis
Auf dem See, dein Auge sah zu,
Noch liegt auf dem Stein aus
Wasser der
steinerne Kreis
Aus Wasser und schmolz nicht, und
du,
Du bist mir hingeschmolzen,
Aliang.“
zurück
Die Raben
Nach
einer alten Sage
Als zwei Raben sich im Nebel
Schlugen, rührte Gott des einen
Leben an. Er starb erwürgt.
Trauer faßte da den andern,
Und er flatterte im Nebel
Durch ein Angstmeer ohne Festen.
Er erflog das Licht der Höhe,
Wollte es dem Toten holen,
Um sein Auge zu erhellen.
Doch die Helle, die den Flügel
Alle Tage ihm ermüdet,
War nicht kostbar und nicht
heilsam.
Und er flatterte zur Erde,
Um im Staube Licht zu suchen,
Es dem Bruder einzublasen.
Zweifel schwächte nicht den
Helden,
Und gewiß, das Licht zu finden,
Glaubte er es schon gefunden,
Sah es schon im toten Bruder,
Und er sorgte nur um Speise,
Die zuerst ihn letzen sollte.
Einen Kornhalm brach sein
Schnabel,
Gläubig trug er ihn zum Toten,
Legte ihn in seine Fänge.
Und die Fänge griffen. Neuer
Anhauch schüttelte die Federn.
Der Erwachte nahm den Hornhalm.
zurück
oben
weiter
____________________________
|
lifedays-seite
- moment in time |
|
|
|
|
|
|
|