lifedays-seite

moment in time



Meine Lizenz
Creative Commons Lizenzvertrag 
Literatur


04.2



Gedichte

Oskar Loerke
Die heimliche Stadt
Berlin 1921

__________




Theater

Bruder! hauchen meine Lippen,
Und sie beben. Und die Hände
Rücken enger an den Körper;
Denn ich sah die Felsenstufe
Mir zu seiten wie vom Schatten
Eines faltig blau umhüllten
Andachtsvollen eingenommen.
Und ein Frost schlug mir die Wange.
„Bruder!“ sprach ich in das Leere.
 
„Fremdling!“
 
„Fremdling! hallst du mir entgegen
Mit dem Ton der Meeresmuschel,
Doch ich höre viele Stimmen
Mit dem fühlend wachen Ohre.“
 
„Recht vernahmst du: viele Stimmen.“
 
„Dieses wieder sprach nur eine.“
„Gegenwärtig sind wir alle. –
Auf dem andern Bug des Golfes,
Eingeschnitten in die Meilen
Großer lichtgestillter Trauben
Liegt ein toter Feuerbrunnen,
(Kaum noch Bruder dieses hohen,
Der aus seinem Berge aufseufzt).
Selber sahst du seine Wandlung,
Standest in dem runden Wulste.
Und wenn du nun sichren Fußes
Und auf Teppichen der Gnade
Eingingst in den stummen Rachen,
Der einst Städte hingedonnert;
Warst, wohin dir das Jahrhundert,
Gras und aufrecht sanfte Bäume,
Dunkle jetzt, vorausgeschritten:
Standen dennoch eure Sohlen,
Schwebten Fasern, hingen Wurzeln
Auf dem Feuer. Und es trug euch
Seine mondengoldne Schale.
Hast du je ein kleines Strohbund
Angezündet und geleuchtet
Über Spalten, runden Löchern:
Dämpfe rauschten aus den Rissen,
Traten vor dich hin wie Säulen,
Überwuchsen dich wie Geister.
Dicke Lachen Schlammes kochten
Ungeduldig, platzten schwatzhaft.
Gläsern schien der trübe Boden,
Und die alten Bäume grauten
Dämmernd wie aus großer Zukunft.
Feuer sog empor das Feuer:
Der Vesuv, der große Ätna
Wissen es mit dunklen Häuptern
Und in Asien weiße Häupter.
Fern im Schneeland jede Kerze
Sagt es an mit ihrem Geiste
Dem Nadir der Antipoden.“
 
„Warum aber schweigst du, Stimme?“
 
„Gegenwärtig sind wir alle.“
 
„Nun schreckt mich der Chorklang wieder.“
 
„Warum schrecken? Wenn wir sprechen,
Sind wir ohne Unterscheidung,
Ohne Wuchs und ohne Alter,
Augen ohne Stern und Wasser
Wie die deinen dir, - Gesichter,
Wie das deine dir verborgen,
Stirnen, unsichtbar wie deine.
Willst du dich und uns begrenzen,
So wirst du auf leeren Steinen
In dem Runde des Theaters
Gras und Kraut nur regsam sehen,
Und in Spalten der Zerstörung
Rieselt das Jahrtausend weiter,
Und die Emse kreuzt geschäftig
Seine Schwermut ohne Schrecken.“

  
zurück 


 

Gebirg

Die Schatten werden länger,
Die schweigsamen Affen der Dinge.
Es klimmt, es flieht schon bänger
Das Gras aus dem Bache, den Fuß in der
  Schlinge.
Der Zahn des Strudels klirrt,
Der Wind steht groß und silbergeschirrt.
 
Sieh, wie das strömende Wasser
Den Felsen doch besiegt,
Die Welle, die vorüberbiegt,
Fortlebt auf geglätteter Tafel –
Deine Seele soll siedeln
Im strömenden Wasser.

   
zurück 



 
Traum gen Afrika

Nun gegen Abend durch das All
Donnern Flügel,
Donnernd nicht mir,
Aber den Ohren der Steine,
Mit denen die Hufe meines Kameles schwatzen
Fern den Oasen!
 
Die Steine sagen: „Wir hören, wir hören
Unsern großen Phönix Sonne,
Wir hören seine Gestalt und sie gleicht uns.
Denn der Gedanke seines Hauptes
Ist ausgestrahlt so hell, daß ein leuchtender Ball
Ihm Schopf und Schnabel, Brust und Fuß
Und selbst die weiten Schaufeln der Flügel
Mit weißem Feuer überschattet.
 
Ach sind wir Vögel?
Wächter der Wüste, vor Dschinnen vermummt,
In ihrem Atem zu Stein verstummt,
Gefallen an Wegen des Durstes,
Und Hufe trillern draußen an uns
Wie Pocher am Haus der Gestorbnen?“
Der Himmel ist hochhin gelöst wie klares
  Wasser,
Auf dessen Grund schon gelbe Steine liegen,
Und alle fliegen.
Fern hinterm Horizont stapft der Kamelhengst,
Sein Fuß klirrt wie in Kieseln an Sternen.

 
zurück 



 
oben

weiter
____________________________

   lifedays-seite - moment in time