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04.2
Gedichte
Oskar Loerke
Die heimliche Stadt
Berlin 1921
__________
Jenseits
Die
Nacht lang schlagen Schattenbäume
Ihre
Häupter an die lautlosen Wände,
Kein
Wind erzählt, er geht im Jenseits der
Klage.
Auf
Treppenvorbauten unsichtbar
Wiegst
du dich selber auf Schaukelpferden,
Wie
ferne zischt im Sande das Holz!
Heranzutasten
scheut sich der Schein
Der
zaudernden Feuerspinnen in Wipfeln.
Fern
mag ein weiser Herr der Welt
Vor
seiner Türe sitzen
Und
Gottes Abend mit seinem Stabe
Vergänglich
in die Erde ritzen.
Eingereiht
den Schattenbäumen,
Die
ihr Haupt an lautlose Wände schlagen,
Geh
in die Kühle.
zurück
Huldigung
Die
Adler an den Simsen und die Hunde,
Die über Straßen schliefen wie an Krippen,
Sie schlürfen Lichtblut aus des Dunkels
Wunde,
Auf nasses Laub gehauchte Mondeshippen.
Vor einem Café, das man längst geschlossen,
Von eines Segelschirmes weißem Pilze
Bedacht, sitzt Er, geranienglutumflossen,
Allein und spielt mit einem Gläserfilze
Und spricht: »Mein Augenblick ist reich an
Jahren,
So wie das Meer erst einsam wird, wenn wir
Es abendlich befahren.«
Im Winde surrt vorbei ein Stück Papier:
Da tanzt der Spukgeist einer Riesenkröte,
Scharrt steißlings hoch, muß sich in
Mondsucht
drehen.
Doch Li-tai-pe, der Große, stützt die Flöte
Sich dolchgleich unters Kinn, um zuzusehen.
»Die Liebsten, Nächsten mir zur Wechselrede,
Sie siedeln jetzt auf Gipfeln und im Eise -«
Spricht der Unsterbliche.
Er rastet heut bei uns von langer Reise.
zurück
Nachtstück
Kalt
entfacht verwandeln sich in Lichtleib
Die steinernen Platten.
An das Unwägbare, Härtelose
Rührt lautlos mein Schreiten.
Und so träumt mein Fuß und schwebt, wie
fahrend
Auf gläsernem Flügel
Eines ungeheuren Tieres, während
Die Nähe rings abstirbt.
Adern, lila eingezeichnet, trocken
Wie Schatten von Zweigen
In dem Flügel, Pulse, deren Blutlauf
Verschallend noch anbraust.
Oder ist es Rauschen aus den Kronen
Noch rieselnder Bäume?
O, ich war ein Tönen selbst, und Tönen
Weiß nichts zu ertasten.
Und verstummend bin ich mit dem Flügel
Verspült in den Gletscher,
Der im Nachtschlund, unbesucht von Blicken,
Haltlos hinabhängt.
Wie in einem schwarzen Kruge Wassers
Kristallene Blasen,
Wirbeln, dicht vor Ferne, nüchtern regsam,
Die himmlischen Feuer.
Jemand hat den Krug hinausgestellt, ach,
So weit in die Irre.
Sehnsucht dringt in mir wie warme Rosen,
Ihn leis zu erschüttern.
zurück
Nächtliche Brandmauern
Zermahlner
Lärm? Er verrollt im wüsten Ohre.
Im Dunkel umwächst dich des Einsamen
Kutte.
Ein schiefer Baum hebt schwarz seine
Kanzelempore
–
Sie schweigt. Tritt leise! Blitze ruhen im
Schutte!
Es blitzt in der Welt, doch hier, wo am Schafte
deine Glieder
lehnen,
Dein Fuß den Schlaf nach ungeheurem Wege
begreift,
Magst du dich nach dem Prediger-Vogel
sehnen,
Der traurig dir sein „Wanderer, wo bist du?“
pfeift.
Hohe Schiffe sind hier gestrandet,
Ragende Rümpfe, vielleicht von Krebsen
bewohnt,
Gelbe Riesensegel, schwarz umrandet,
Refft lautlos und umsonst der Mond.
Zu Freunden willst du? – sitzen sie nicht in dir
wie an
Tischen?
Nah sind ihre Stimmen,
Du kannst dich, Banger, unter sie mischen –
Weh dir, du hast ein Meer zu
durchschwimmen.
Du sankst zu Grund wie ein vergeßner
Schlüssel,
Und rufst du „Freunde!“, nimmst ihre Hände
beklommen,
Weh dir, du bist ihnen der hilflose Fisch in der
Schüssel,
Sie brechen dein Fleisch und sagen einander,
du werdest
bald kommen.
Horch, geisterhafte Brandung sägt,
Weiße Tiere bildend, in Felsbucht voll Turm
und Söller.
Höre den Schrei der Alke
Unter der Last des Nordlichts wie deinen
Schrei
Und sein einsames Echogeböller.
Der Singschwan legt
Auf plump verschneite Katafalke
Sein unfruchtbares Ei.
Erregend stehn und fiebernd im Hirn wie im
Eise
Gelbe Riesensegel gehißt.
Ihre Schatten machen sich auf die Reise,
Schon sind sie außer dir, sind Wanderer, wo
du bist!
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