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Literatur


04.2



Gedichte

Oskar Loerke
Die heimliche Stadt
Berlin 1921

__________




Das Regenkarussel
 
1
Der Regen schlägt den ganzen Tag
In meinen Hof den kühlen Schlag.
Es fahren Haie heimlich ein.
Die Stadt muß schon verwittert sein.
 
Das Festeste ist losgeschwemmt:
Nichts, was noch seine Reise hemmt.
Wohin sie ihr Gebild bestellt,
Vergißt die dauerlose Welt.
 
Hat Oben nicht, hat Unten nicht,
Sie fährt im Kreis durch fahles Licht,
Hat Ende nicht und nicht Beginn,
Die Zeiten taumeln durch sie hin.
 
Ein geisterhaftes Karussell
Dreht seine Bilder um mich schnell,
Und manchmal nimmt mich eines hin,
Bis ich der Himmel um sein Leben bin.
 
2
Ich sehe auf uraltem Holzschiff die Leuchte,
Sie ist seit Monden im schwarzen Meere die
   Mitte,
Wo sie auch irre, - seit Monden die Mitte der
   Nacht.
Seeleute, weh euch, nun sinkt euer Fünkchen
   am Öldocht
In steigendem Krater des Wassers tagelang
   tiefer;
Es fällt wie ein Bolz vom Bogen des Mondes
Geschossen die lärmende Bergwand der Fluten
   hinab.
Das Meer bricht ein, es hebt am Rande den
   Himmelsring
Noch mißt der rinnende Faden der Sanduhr
An Bord das mahlende Rauschen der Welt,
Aber Flut schlägt dem höchsten Stern ins
   Gesicht,
Den heiligen schlägt sie, frisst das ewige Feuer. –
 
Tote ruhen im Grunde. Durch ihren Frieden
Rast die Musik der Okeaniden.
Tode flehen: Laßt uns stumm!
Je ferner wir fuhren, je ferner suchten wir
   Elysium.
 
3
Das Leid verhallt. Mein Ohr verfinstert sich.
Noch immer hängen draußen Strich bei Strich,
Noch immer ist die Tiefe zwielichthell,
Noch immer saust das Regenkarussell.
 
Mit offnen Fenstern drehen sich die Mauern.
Die Menschenvögel nicken aus den Bauern.
Ich sehe hinter den gezupften Schleiern
Die Stuben, Küchen ihren Sonntag feiern:
 
Steingut, gereiht, bemalt mit blauen Mühlen,
Die glatten frischen Tücher über Stühlen,
In Schüsseln Fische, die bald sterben sollen,
Das Wasser siedet in den Kasserollen.
 
Verborgen tanzen abgeschiedne
   Zwergenfrauen
Aus einer Sing-Maschine stygischem
   Gewimmer.
Der Trichter ist gebläht gleich blankem Schweif
   der Pfauen –
Und in dem Hofe schrillt der Regen immer.
 
Und kurze, gläsern spröde Halme sprießen
Zu bleichen Wiesen aus dem Stein, vom Wind
  geregt,
Sie hüpfen, zappeln, sinken rasch und fließen
Und sind schon heulend in den Rost gefegt.
 
Dahinter fährt das Karussell,
Es dreht sich fort, die grelle Nähe wird schon
   leise,
Und andre Schwermut fährt vorbei die
   langsam süße Reise:
Mein Sonnenfest in der Sahara wird mir hell.
 
4
Die Berge brennen rot wie Tulpenwälder
Am Himmel.
Mein Traumgeist weidet Schnee auf ihren
   Dächern
Verloren.
Mein Finger, schreibend, teilt den Sand in
   Felder
Hier unten.
Viel bunte Vögel schnattern kalt in Sandes
   Bechern
Mir nahe.
 
In heißen Bechern paaren sich die Käfer,
Ureinsam.
Bald naht die Nacht: die gelben Breiten kochen
Zu Asche.
Der Träumer droben säumt, schon fast ein
   Schläfer,
Weilt lange.
 
Sein Finger spielt mit aufgescharrten Knochen.
Ach Heimweh!
 
Die Knochen sprechen: Laßt uns stumm!
Je ferner wir fuhren, je ferner suchten wir
Elysium.


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