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04.2
Gedichte
Oskar Loerke
Die heimliche Stadt
Berlin 1921
__________
Die heilige Musik
zeigt den Menschen eine
Vergangenheit
und eine Zukunft, die sie nie erleben.
In
den Glockenstuben tanzen sie wieder,
Der
Götter Zauberer und Gaukler,
Die
unsichtbaren Gelenke behängt
Mit
dicken rotmetallnen Röcken,
Weithergereist
aus Morgenland,
Arme
Männer aus Morgenzeit,
Tausenjährig
wie Armut.
Ihr
Baß ruft süß und hymnenlaut,
Nun
sie sich verneigen über der Stadt,
Den
goldnen Rock auf der Hüfte schwer,
Den
sie erbettelt dem Seelenleib,
Der
seiner nicht bedurfte.
Der
hungrige Mund erbat sich nichts,
Denn
er war satt von seinem Ruf,
Der
unverzehrbar nachwuchs,
Er
strahlte, spaltete sich zum Stern,
Maß
das schwarze Gewimmel der Straßen.
So
unabzählbar ists wie viele Völker.
Und
wie die Straßen in Straßen springen,
Sich
selbst verlassen in Nachbarstraßen
Und
immer in sich selbst sich retten,
Die
Ferne mit kühler Nähe betrotzend –
So
haben die Zauberer auf den Türmen
Nicht
uns nur, vor deren Stirne sie ragen:
Sie
haben den Markt an den Toren zu Füßen
Auf
fliegenden Sitzen, welche nicht fliegen,
Sie
schachteln und dichten den endlosen Ort.
Mongolen
vielleicht und Neger und Inkas
Bewohnen
den Raum mit raumbauenden
Sprachen.
Ach,
im gedächtnislosen Verdämmern,
Sinds
unsere Pferde, mit denen wir fahren?
Und
wessen die Katzen, denen beiseite
Greisinnen
rüsten die Näpfe mit Milch?
Dieses
vollbrachten die Fremdlinge tanzend
Vor
ihren Göttern über dem Dachmeer.
Manchmal
wehten sie fast wohl den Menschen
Wie
mit gebreiteten Armen entgegen,
Aber
die Menschen wichen vorbei.
Jene
wenden sich strenger zenitwärts,
Tigergeschmeidig
buckeln sie böser,
Drohend,
es klirrt und braust ihr Metall.
In
diesem rieselnden Volksstrom erschauern
Nun
die jüngeren Brüder der Gaukler,
Vereinzelt
und unscheinbar noch und irisch.
Einer
beugt sich, - Ruhe des Schmerzes,
Ahnung
erhellt ihm den Untergang,
Der
jetzt eintrifft über den Türmen, -
Und
er trauert: „Ihr weckt mich spät.
Ihr
verstandet den Schlangen zu pfeifen,
Und
ihr lerntet in tausend Jahren
Zu
gebieten den großen Drachen.
Seht,
sie lagern sich um die Sonne:
Fumarole,
hoher Vulkan,
Aus
Gletschergrün und Eisensteile
Flucht
sie Feuerfluch auf die Stadt.
Sind
es schon seine roten Schollen
Oder
eure Rufe, Rot-Singer,
Die
auf unsere Straßen donnern?
Häuser
wanken wie Segelschiffe,
In
der Brust ist der Atem gekürzt.“
Einer
schämt sich der heulenden Klagen
Auf
dem volkreichen Platze nicht mehr.
„Große
Väter vom Morgenlande,
Euer
Auge hat mich verworfen?
Meins,
ach, so verwarf es den Tagstern,
Weil
es, geblendet, ihn nicht ertrug.
Sein
Bild floh zehnfach wie im Entsetzen,
Entstürzte
geschwärzt gleich verstümmelten
Hunden,
An
Gossen und Mauern geworfen, litt es,
Geduldig
auferstand es umsonst,
Es
rötete sich wie mit strömendem Blute,
Endlich
aber vergings.“
Einer
sieht die roten Schollen
Die
Stadt begraben: Das Grab ist Musik.
Es
klammt sein Mund und spricht nicht viel.
Noch
schwebt die Stadt, noch fiel sie nicht,
Noch
ist es Zeit, noch hängt die Wand.
Er
baut ein weißes spitzes Zelt,
Stößt
mitten im schwärmenden Lärme den
Pfahl,
Läßt
sich auf dürftigem Teppich nieder,
Betastet
das Knie, die Hand mit der Hand:
„Bin
ich es selber, der nun heimkam?
O
Beduinenwind, mein Ruhlied!
Bin
ich der Andre, der draußen getrauert
Am
Turm? Der Dritte, schreiend am Platze?
War
ich auf wilden Türmen ein Magier,
Im
Angesichte des Trauernden,
Im
Angesichte des Schreienden,
Im
Angesichte des Reisigen?“
Der
letzte Erste steht auf und schüttelt
Aus
fahlem, von vieler Erde verklebten
Zerschlissenen
Teppich den Skorpion.
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