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Literatur


04.2



Gedichte

Oskar Loerke
Die heimliche Stadt
Berlin 1921

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Das Waldherz der Stadt


Wechselgesang

Ich töne wie die Blätter tönen,
Sie spielen lauter, was ich meine,
Ich bin schon kühner, was ich scheine,
Woran sie tönend mich gewöhnen.
 
Die neue Melodie gibt Zeichen
An jene, frischer einzufallen
Und ihr erregendes Erschallen
Dem meinen schallend anzugleichen.
 
Und meine Antwort ist schon rege,
Vertrauend ist sie ihre Weise:
So schließt Musik den Weg zum Kreise,
Umkreist sich selbst mit ihrem Wege.
 
Sie hat sich selber fern im stillen,
Vielleicht auch Mensch und Baum ersonnen:
Wir sind beschlossen wie begonnen
Sibyllenmund nach ihrem Willen.

  
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Abend
 

Die Bäume wachsen und die Menschen wachsen,
Ich seh es durch den Wind der Worte.
Derweilen säumt mit silbergrüner Borte
Der Abend euer Antlitz, lieben Freunde.
 
Von seinem Erz erhascht, verweilt das Scheue,
Den Sturz ins Dunkel will es überscheinen.
Die Völker wiegen ewig ihre Kleinen:
Ihr sollt nicht wissen, ihr nicht, was wir seufzten.

   
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Der andere Raum

Im Baum die kleinen Tiere fliehen raschen
  Fußes,
Den ich nicht sehe, einen Feind:
Schon durch den Tulpenglanz des Mondes
  scheint
Die bittre Kälte seiner Waffen.
 
Die Tiere hauchen Laute nach
Aus andrem Raum und landen sie auf Erden.
Auf Erden landet schon der andre Raum.
Ich grenze an ihn. Soll ich aufgenommen
  werden?

 
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Magie des gespiegelten Mondes

Im langen Polygon der Mauern,
Begilbt von Baumseptembern, zieht die
  Teilnacht
Kähne mit Toten –
Zug, der die Flut zum gespenstischen Reich
  macht.
 
Gleich Korken aufgetaucht, umkränzen
Sie Wipfel tief, - nun Totentraum aus schwarzem
  Pinsel
Alt und entwurzelt,
Botschaft von drunten, von goldener Insel.
 
Verschollner Geistersünden, glimmt sie
Ein Scheibenkreis im Grund, mysterienhaft
  entzündet;
Mondlicht erfroren
Lagert ihr Herdrauch im Rauch ihrer Sünden.
 
Trösteinsamkeit der Ferne heißt sie,
Wo Meereswetter sie nicht segnen, ihr nicht
  fluchen.
Doch ihre Toten,
Seeleute, kommen sie fernher besuchen.
 
Sie kamen mit dem Admirale,
Die Sklaven dienten schwer an großen
  Ruderstangen,
Weißes Getrümmer
Hat die Salzgeschwärzten empfangen.
 
Sie sitzen auf zerbrochnen Göttern,
Die aus der Form nun wieder in den Felsen
  kehren.
Eidechsen, atmend,
Stellen den Fuß auf den Schlaf ihrer Ehren.
 
Unendlich steht der Raum auf ihnen.
Auf Räumen hoch, wie wenn sie mich auf
  Schultern lüden,
Laste ich Dunkler,
Heimwehschwer nach dem Mondensüden.
 
Vielleicht sind sie schon aufgebrochen,
Von einem Gang durch ihre Tempel
  qualgereinigt,
Oder sie haben
Ihren toten Führer gesteinigt.
 
Vielleicht sind sie hinausgefahren,
Gescheitert an der untren Wasser Himmelgrotte.
Schattengaleeren
Treiben hier oben, Rest ihrer Flotte.

  
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Güte

Die du vor dir hergesendet,
Deine verspottete Güte,
Du wirst sie nicht wiederfinden. –
Du schweifst mit den Gleichaltrigen,
Die da schlafen und wachen in dir,
Die widerspenden, was du spendest,
Und lang noch nicht erscheinen auf Erden: -
Aber andere werden
Spät empfangen von ihr
Wie von süßem Gasttrunk,
Wann Ehre von heute morgen Ehre nicht ist.
 
Noch Licht auf dem Erdstern, magst du dich
  lösen
Von seinen Bösen
Und seinen Frommen
Und ihn von ferne sehen im Vorüberkommen
Wie die schwebende Mistel im Baum:
Und sie und du habt unter gleichem jungen
  Regenbogen Raum.

   
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