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Literatur


04.2



Gedichte
Oskar Loerke

Der Silberdistelwald
Berlin 1934

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Vignetten

 
Wissenschaft

Erforschend häuftest du Gewinn,
— In schwülem Stollen Grubenfleiß,
Darüber schritt dir Anmut hin,
— Auf hoher Alm schneejung die Geiß.
 
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Am Wort

Ballst du jedes immer dichter,
So wird jedes immer lichter.
Lenke alle immer schlichter:
Sie sind göttliche Verrichter.

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Befreiung

Im Bild erhobst du dich zum Leidesherrn.
Zum Gleichnis wächst dem Lichte fern und fern
Dem Segen
Im Bergkristall ein Auge aus Achat,
Und über seiner Gruft trinkt junge Saat
Den Regen.
Dem Gleichnis zu fährt unterm Fuß der Stern,
Ihm drängt sein Ja und Nein, die Haut, der Kern
Entgegen.

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Der jüngste starb

Morgenland

Wir haben beide Morgenland betreten.
Das Herz im Wüstenhaus aus rohem Lehm,
Sahn wir den Tag im Turban des Propheten,
Die Nacht im weißen Kasbah-Diadem.
 
Und unsre Wahrheit war ein Traum vom Norden,
Im Süden vorgelebt und vergedacht:
Nur unser Wandel war berichtet worden
Von Scheherezade in tausendeiner Nacht.
 
Hast du nun andres Morgenland betreten?
Und seine Stirn, umschlingt auch sie nicht rund
Der blaue Sternenturban des Propheten?
Und scheint er nicht aus jedem Brunnengrund?

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Die Kamele

In fernstes Morgenland bist du gewichen.
Sein Gemel war uns das bedankte Tier.
Du zähmtest es in heitren Zeichen-Strichen
Zum Geisterboten zwischen dir und mir.
 
Zuerst nur leichtes Federspiel in Briefen,
Erwachten, rissen sich die Traber los.
Sie knieten, harte Bergeshöcker, schliefen
Auf Städten, saugten sich zu Wolken groß.
 
Warst, Wandrer, du im Weitenblau versunken,
Eins aus der Herde war zum Lauf bestellt.
Es hat mir atmend aus der Hand getrunken,
Vom Zauber frei, nur warmer Gruß der Welt.
 
Nun donnert es gespenstisch an, als schnaube
Den Sturm im Kiefernforst ein Nüsterloch.
Schlug nicht ein Huf den Herbst im Wirbellaube,
Bis er wie bitteres Gewölle roch?

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Antwort auf eine Postkarte mit einem Kamel
(19.8.1916)

Wohin rennt Meh-rir, die brave Stute?
Nach der freien Wüste?
Palmenwälder schlafen dir im Blute,
Rennerin, du gelbe.
Biß der Sehnsucht, wie von Skorpionen,
Die in freier Wüste
Tief im Teppich, hoch am Himmel wohnen,
Stachelt dich, du gelbe.
Trage mir den Freund, doch sanften Schrittes
Durch die Feierstunde,
Geist Meh-rir, daß er am Traum des Rittes
Ruhe und gesunde.

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