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Literatur


04.2



Gedichte
Oskar Loerke

Der Silberdistelwald
Berlin 1934

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Vignetten

 
Nachleben
 
Sie haben wirklich deinen Leib verbrannt?
Noch immer pflückt ja deine kluge Hand
Im Garten Rosen für ihr Blumenstück.
Die strahlen auch aus tiefrer Welt zurück
Und dauern viele Sommer.
 
Und in dem Gartenhaus, das du entwarfst
Und wo du, sind wir dort, nicht ruhen darfst,
Verweilst du nachts bei Mond, wir schlafen schon,
Du zeichnest Mauer, Pergola, Balkon —
Den schattenreichen Sommer.
 
Das Gastgeschenk, das dir der Tod geraubt,
Du bringst es uns: den fichtnen Pfahl umlaubt
Geranke, wie es Hafis Augen sahn,
Und auf dem Knaufe steht dein goldner Hahn
Im traumverwunschnen Sommer.
 
Uns schreckt der Mond, den Kiefernflor umsaust,
Den du und Slevogt of wie Doktor Faust
Umrangen. Ein Gewölk aus deinem Geist
Im letzten Jahr umtummelt ihn und reist
Fern über unserm Sommer.

(An seinem Geburtstage)

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Der Geistergong aus Asien

Zuweilen rauscht dein großer Geistergong,
Bewohnt von Tibets Bergesschlüften,
Geschmiedet für das Kloster Khamba Dsong,
Der Marsch der Mönche aus den Grüften.
 
Der Gipfelschnee im kupfernen Gedröhn,
Als Salz des Himmels stiebt er an die Pfosten,
Das Kloster hallt Gehöhn, Geplärr, Gestöhn,
Das Dröhnen währt, das fahle Licht von Osten.
 
Die Zeit entkriecht aus ihm, ein Würmchen flach,
Der Donner dreht Saturn in seinen Ringen,
Im Raum wird schon die Tierkreisrunde wach,
Der Steinbock äst, des Widders Hufe klingen.

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Die Tafelrunde der Toten
Im Herbst

Ihr füllt mir fast die ganze Tafelrunde,
Nur führt ihr nicht wie ich die Frucht zu Munde.
 
Ihr witzt und lacht wie eh, doch schallt es weise.
— Wir blieben wir, und du nur wurdest leise.
 
Seid ihr nicht übers letzte Meer gefahren?
— Das taten wir vor unsern Erdejahren.
 
Wir brachen auf, wir kamen an und bleiben,
Vergessen wird man uns, doch nicht vertreiben.
 
Wir traten, wie wir lebten, aus der Zeit,
Wir sprangen durch den Reif Vergangenheit.
 
Uns wird vom Ersten Letztes nicht vergällt —
Der Vogel ist im Fluge schon gefällt.
 
Wir stoßen sie den Dieben zu und Schindern:
Das Vollgewicht der Welt kann keiner mindern.
 
Zu viel in ihr — nimm, iß! — ist die Parmäne
Vor dir; zu wenig — weine sie! — ist eine Träne.

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