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04.2
Gedichte
Oskar Loerke
Der Silberdistelwald
Berlin 1934
__________
Garten
Geleit
Auf
wenigen Klaftern im Geviert
Hunderttausend
Gräser,
Hunderttausend
Bläser
Des
Klanges, der sich selbst
gebiert.
Auf
wenig Klaftern im Gebreit
An
Wurzel und an Stengel
Hunderttausend
Engel
Im
Larvenstand der Ewigkeit.
Auf
wenig Klaftern hoch und tief
Nach
hunderttausend Willen
Hunderttausend
Stillen,
Darin
die große Stille schlief.
zurück
Das
Segelschiff des Knaben
Es
stand im elterlichen Birkenschranke
Hinter Kram und Glas,
Aber seine Planke
War vom Räubermeere nass.
Durch
Bauernmohn und Balsaminen
Glückselig schwebend, schnitt sein Kiel,
Ihm nachzustaunen, war im Knabenspiel
Dein erstes ernstes Dienen.
Und
saß dein Kinderschopf gefangen
In Staub- und Schulgeruch –
Schon wieder: Die Matrosen sangen
Durch das Vokabelbuch.
Und
einmal waren alle tot.
So kam das Schiff gezogen,
Als um dein ländlich frühes Abendbrot
Septemberwespen flogen.
Es
fuhr, wo es nicht mehr den Wal gelüstet,
Zu schwimmen, aber da bliebst du bei ihm,
Die Segel brausten, in den Wind gebrüstet,
Wie Haufen weißer Cherubim.
—
Noch fliegt die Wespe. Noch bist du bereit,
Den alten Segler heimzusteuern
In dichte wilde Ewigkeit:
Du hörst dorther ganz fern Salute feuern.
zurück
Garten
Besänftigender
Winde Schritte
Sind
in der Hecke auf der Wacht.
Von
Laurin Herrn der Jahresmitte
Und
Herrn der Rosen angefacht.
Es
ist, sie fegen aus dem Garten,
Mit
sommerheiterer Geduld,
Was
weither weht: soviel des
Harten,
Soviel
der Qual, soviel der
Schuld.
Soviel
der Unschuld nährt im
Engen
Das
Feuer, menschenunerweckt;
Es
kann davon die Hand versengen,
Was
eine halbe Hand bedeckt.
Verwunschen
stille Selbstgefühle,
Kokardenblume,
Bärenklau.
Verschollner
Gram und
Ahnungskühle
Lavendelruch,
Lavendelblau.
Gedanken
viel im Eingedanken,
An
Balsamquellen Schar bei Schar,
So
spielen Sterne, Glocken,
Ranken
Nach
außen, was geist-innen war.
Entblättern
Rosen mit dem Tage
So
scheinen sie alther zu schnein
Zu
ihres bösen Königs Klage
Aus spitzem
Dolomitgestein.
zurück
Kleine
Erzfigung des Osiris
Gemagert
ist die sandgeschliffne
Wange,
Geschwärzt
die bunte Krone im
Gelock,
Geköpft
hängt ihm ums Kniegelenk
die Schlange,
Sein
Schuh ist Grieß des Kiesels,
Grünspan ist sein Rock.
Zuweilen
ruhen seine Erzgelenke
Sich
in die Kuppen meiner Finger
ein.
Dann
kommt mir eine Zärtlichkeit.
Ich denke:
Sein
Reich, das um mich ist, sei
wieder sein!
Die
Ferne kommt mit grünenden
Gewirken,
Osiris
schwebt in ihrem hellen
Rauch,
Forsythienfeuer
brennen unter
Birken,
Die
Amsel schlägt die Orgel ihm
im Strauch.
Ägyptens
Alter wird ihm jung im
Herzen:
Ein
Hacker schlägt die plumpen
Schollen klein,
Der
Holzpflug reißt mit zwei
gekrümmten Sterzen,
Ein
Knabe sät, die Schafe
trampeln ein.
Dahin
versinnt die Amsel sich im
Schlafe,
Bewohnt
daheim des Totengottes
Ohr,
—
Doch toter Pflüger, Pflugschar,
Knabe, Schafe,
Sie dringen
schon in unserm Acker
vor.
zurück
Opfer
Keine
Heckenrosen umklammern
Die
gelben Pfeiler im Garten
mehr.
Nun
steigst du in die
Waffenkammern
Tief
innen, und sie sind leer.
Ein
Fernweh war an dein Ohr gebogen
Und
sprach etwas hinein.
Von
Geisternähe angesogen,
Ließ
dich dein Herz allein.
So
wieder und nochmals. Du hast
nicht verstanden.
Oh,
schönster Jahre Entscheid!
Der
kam abhanden, doch nicht kam
abhanden
Ein
leis erinnerndes Leid.
Der
Weltlärm will seinen Atem
nicht dulden,
Er
schleifte es trommelnd vorbei.
Du
gabst es zum Opfer, damit dein
Verschulden
Mitgeopfert
sei.
Auftun
wird sich und Rosen
entsenden
Die
leere Wetterwand.
Trauer
zu trösten, ein Werk zu
vollenden,
Gut ist die
leere Hand.
zurück
Gartengewitter
Nach
dem Monde greift ein Spuk,
Und
er flieht gekrümmt.
Schwüler,
träger Quell entspringt
Rings
im Laub und fließt.
Durch
die Kiefernwipfel huscht
Feuermähn
ins Gras.
Aus
dem grünen Schrecken glühn
Säulen
wilden Weins.
Und
sie schnellen wie zum Dienst
In
den Regendom,
Das
Gewölbe kracht und birst,
Doch
sie tragen wohl.
Dann
webt volle Finsternis.
Nur,
wo Straßen sind,
Flickt
das Dunkel dort und hier
Eine goldne
Naht.
zurück
oben
weiter
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