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04.2
Gedichte
Oskar Loerke
Der Silberdistelwald
Berlin 1934
__________
Dichter aus dem
Dreißigjährigen Kriege
Was
sollen wir essen?
Sie
kamen aus dem langen Graun,
Und
Wall und Burgen beben.
Durch
Feuersbrunst und Kerkerzaun
Gewahrten
sie das Leben.
Durch
die verarmte Erde geht
Die
Geißel mit dem Knoten,
Durch
Himmels Armut der Komet,
Die
Geißel über Toten.
Sie
sind der fortgespiene Rest.
Sie
waren schon erschlagen,
Bevor
der Mutterleib bei Pest
Und
Krieg sie ausgetragen.
Wo
Schluchzen einst vor Gott
geschah,
Klebt
trockenes Gerinnsel,
Grinst
Chloe, Phyllis, Delia
Von
hirnbespritzter Insel.
Die
Nächte mästen die nicht
feist,
Die
tages hungern, dürsten.
Vielleicht,
wenn man sie Götter
heißt,
Erbarmen
sich die Fürsten.
So
sterben sie mit Wortgequarr
In
Bälgen leer von Leide,
Dann
hebt der Wind sie, Narr bei
Narr
Im
Schäferinnenkleide:
Mit
Speichelfluß, die Rücken
krumm,
So
ziehn sie durch die Zeiten,
In
bleicher Angst, daß hart und
stumm
Sie
«Götter» überschreiten.
Nun
sammelt sich ihr armer Zug,
Er
sieht am Wege liegen
Den
Engel. Steht. Er spricht.
«Genug!
Ich
weiß, was ihr verschwiegen.
Der
Engel, der einst auf euch
sank,
Hat
lang das Schwert geschwungen,
Und
wenn er euch auch niederrang,
Ich
weiß, ihr habt gerungen.
Ich
weise meine Wunder her
—
Die Spuren eures Lebens!
Verzeiht,
ich prüfe euch zu
schwer.
Und ihr wart
nicht vergebens.»
zurück
Das
Brausen
Hört
das Geklirr, hört das
Gescharr!
Ins
Ohr schleppt uns die Welt der
Wind.
Ihr
nennt uns irr, ihr nennt uns
Narr,
Weil
wir dem Wehn verschworen
sind.
Ihr
hört im Walde nur Gelull,
Und
wie ihr wollt, lullt es euch
ein.
Der
Holzwurm sägt, es fällt der
Mull,
Bald
wird kein Wald gewesen sein.
Bleibt
reich! Wir lagern uns im
Ton
Des
Wehns auf eine Gabel Stroh,
Wir
sind seine Sohnessohn und
Sohn;
Wie
klang es einst? Es klingt
noch so:
Wenn
es, wo Herbst, der Vielzahn,
äst,
Durch
gelb und roter Runen Fall
Aus
einem andern Reiche bläst,
Dann
tritt die Göttin aus dem
Schwall.
Sie
spricht uns an: «Verwaltet
ihr
Das
Wesen Wind, das Wesen Licht,
So
walten wir. Erkaltet ihr
Und lebt nur
euch, so sind wir
nicht.»
zurück
Ein
Umgetriebener
Ihr
Verse seid wie kühlendes
Entzücken,
Wann
stiller Ulmen Schattenrisse
Das
weglos fahle Ungewisse
Des
Dämmerfeldes überbrücken.
Und
wird ein Krieger, den die
Schlacht geschlagen,
Zu
solchem weisen Baum getragen,
Es
wird sein Schatten in das
Schweigen
Dem
Scheidenden die Richtung
zeigen.
zurück
Nachtmusik
Laub
kam von den Bäumen
Meine
Schulter betupfen,
Nicht
du.
Schaum
kam ans Ufer
Und
wollte mein Schuband zupfen,
Nicht
du.
Sonne
von gestern kam aus den
Rosen,
In
meinen Augen zu wohnen,
Nicht
du.
Sternenschnuppen
hängen, wehende
Schleifen,
Aus
der Vergängnis Erntekronen,
Auch du.
zurück
Besuch
im Vergangenen
Gewürzter
Schatten aus Lindenmai,
Den
Mondlichter lockern und
roden,
Hebt
einer dörflichen Sakristei
Inneres
vom Boden.
Es
schwankt, und wie auf Gängeln
träumt
Das
Schriftbuch, goldgerandet.
Beim
Schächer zur Linken am
Querholz säumt
Ein
Fernweh, das nie landet.
Ihm
wuchs zu greifen einst die
Hand,
Nun
weiß es, wie bald sie
verdorrt ist.
Es
weiß ein Land weit über Land,
Das kühl und
ohne Wort ist.
zurück
Eine
Nacht des Simon Dach
Was
atmet der Wind? —
Entbehrungsmatt
Verwesen
mir die Lungen.
Bist
dus, die vorbeifliegt, ein
welkes Blatt,
Zunge,
lahmgesungen?
Lebenslang
fuhr ich Verse aus
Wie
Karren voll Karotten,
Vom
Fieber war ihr Blattwerk
kraus,
Die
Wurzel war notgesotten.
Denn
immer ist kein Brot im
Schaff —
Weine,
schöne Kürbislaube:
Vor
Kurfürst Brandenburg und
König Wladislav
Wälzt
sich mein Darm im Staube.
«Ich
wiehere, dein altes Pferd,
Sieh
nach, mir wächst kein
Flügel,
Bin
ich kein Gnadenfutter wert?
Zieh
doch heran den Zügel!»
Nun
will ich mein junges
Haupthaar zu Schnee,
Weil
ich das sprach, zergrämen.
Die
hilflosen Wellen in Haff und
See
Sollen mein
hilfloses Blut
beschämen.
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