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Literatur


04.2



Gedichte
Oskar Loerke

Der Wald der Welt
Berlin 1936

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Seemann Sindbad

Du kaust den Sturm, er kaute dein Kleid
Und Allah ist weit.
Wo du jetzt bist, rauscht unbekannt,
Seemann Sindbad, und wann
Schmatztest du aus der Zauberin Troge,
Bevor der Ozean dich umrann?
Wohin du siehst, erwächst dir Land,
Und wohin nicht, wälzt sich die Woge.
Unter deiner Sohle gedeiht
Als wärst dus selber, geiles Kraut,
Ungesät, unbetaut,
Seemann Sindbad in grauer Zeit,
Und immer, kehrst du nur den Rücken,
Mit knirschender Demut und Schleicherbücken
Verneigt sich die Woge, und sie zerschlägt es,
Was Insel werden will, und trägt es
Mit halbgestaltem triefendem Maule
Hinunter ins Faule.
Doch Land schafft dein Auge fort aufs neue,
Und immer folgt ihm der Fuß in Treue.
Dich setzte Allah sich zur Wehr,
Seemann Sindbad im grauen Meer.


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Lebensmeer

Zu zornig und zu alt an Jahren
Sind wir: deine Macht und du.
Wem schütteln wir die Fäuste zu,
Daß, wer uns gebar, nicht anders gebiert!
Wir sind zu weit hinausgefahren,
Wir Abschaum, auch du, der uns regiert.
Wir sind nun alle das Eine, das Meer.
Die Flut, du selbst und wir, das Heer.
 
Wir tanzen. Dennoch, dich und die Flotte
Zeichnet der gleiche Gewitterstrahl,
Ein Einarm bist du, Admiral:
Dem Ruder befiehlst du, doch nicht dem
  Funken,
Bückst du dich auch nicht dem Wettergotte.
Es trinkt sich die See, schon röchelnd und
  trunken.
Und alle sind wir das Eine, das Meer:
Die Flut, du selbst und wir, dein Heer.
 
Du wolltest uns die Inseln finden
Voll ruhend unverbrochnem Recht.
Wir gieren ja nicht wie das Feindgeschlecht
Nach fleischigen Kröten und schnellen Hinden
Noch neuen Gärten Gethsemane.
- Getrost, die Inseln sind unser von je.
Verwehrt sie zu lang noch uns Irgendwer,
So stürzen sie in uns, das wütende Meer.


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Der Traum von den Disteln

Ich jäte nachts ein Feld voll Disteln und Nesseln.
Gespenstisch mehrt sichs, ich weiß nicht, wie ichs
  erschöpfe.
Schlingen wollen mich den Füßen fesseln,
Die Stachelkugeln grinsen manchmal wie
  Menschenköpfe,
Messer, Speere gieren herab von den Stielen,
Ungestüm stechen und hacken sie, ohne zu zielen.
 
Bis zum Himmel schwillt rings die zackige Bürste.
Ich bin von allem Fruchtland abgeschnitten,
Kein Napf mit Wasser kommt an meine Lippen.
Von oben, zischende Felsen sind alle Lichter geglitten.
Wasser geht von mir im Dunkeln, und ich dürste.
Samen sä’n sich, nun keimen schwarz die  blaugrünen
  Sippen.
 
Endlich hob ich inmitten der Ungeheuer
Zwei Meteortrümmer auf und schlug ein Feuer
Und warf das Dürre hinein. Die Flamme wuchs,
Ihr goldner Tod ging ins Feld und erschlugs.
Dann kam von den Bergen der Morgen, erschlug
  den Brand,
Der Frühwind fegte die Asche und hob die saubere 
  Hand.
 
Großer Morgen, so sang er, ich bin dein Teil,
Darum blieb ich im Blasen von Besudelung heil
Rein bist du immer, du wirst nicht gereinigt.
Menschen würgen deine Wesen und werden gesteinigt.
Doch du erweckst sie vom rächenden Albtraum der
  Schrecken,
Wenn sie, ruhst du, nur deiner Glieder kleinstes
  erwecken.

 
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Weltgeschichte

Völker.
Mein Lachen bleibt zurück in Kopf und Mienen
Wie ein brenzlicher Rauch,
Meine Flüche hängen trüb in ihnen
Wie verwehte Fetzten im Strauch.
 
Völker.
Mich umdrängen einsame Felsen,
Riesenhäupter, unerlöst.
Mich umtummelt ein See mit walgroßen Welsen,
Mäulern, aus denen die Sintflut flößt.

 
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