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 Literatur 









Gedichte - Reineke-Fuchs

Ein heiteres Kinderbuch
von
Julius Lohmeyer und Edwin Bormann,

Freie Nachdichtung des niederdeutschen Reineke de Vos.
mit 12 Bildern von Fedor Flinzer,
Verlag von Carl Flemming,
Glogan

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Erster Gesang



 

Es lag ein goldner Maientag
Auf Berg und Thal, auf Hain und Hag;
Da hieß der König Leu berufen
Die Thiere vor des Thrones Stufen.
Von nah und fern, aus Busch und Nest
Zog alles hin zum Königsfest;
Nur einer that, als hört‘ er nicht,
Reineke Fuchs, der Bösewicht. —
 
Und vor den Thron trat Isegrim
Der Wolf: „Mein gräd’ger Herr, vernimm,
Wie Reineke mit Schimpf und Schaden
Mir Weib und Kinder hat beladen:
Drei meiner Kleinen schlug er wund
Und schmähte laut Frau Girenmund!“

Ja,“ sprach das Hündchen Wackerlos ,
Sein Frevelmuth ist riesengroß.
Das letzte Würstchen, was mir blieb,
Stahl mir der Fuchs, der freche Dieb!“
 
Da sprang der Kater Hinze vor:
Dich selbst schmähst du, junger Thor!
Wohl mag der Fuchs ein Räuber sein —
Doch wisse, Herr, die Wurst war mein.
Ich war es, der sie dazumal

Dem Müller aus der Esse stahl.“ 

Fürwahr,“ so sprach das Pantherthier,
Reineke Fuchs, das glaubet mir,
Hat Ehre feil und feil Gewissen
Für einen einz’gen fetten Bissen
Und würde selbst des Königs Leben
Um eine feiste Henne geben. —

Seht Lampen hier, den Hasen, an.
Wem mochte je der Ehrenmann
Ein Härchen nur am Leib versehren?
Ihn wollte jüngst Reineke lehren
Ein neues Lied. Im dritten Takt
Hatt‘ er ihn schon beim Fell gepackt.
Wär‘ ich nicht grad dazu gekommen,
Das Leben hätt‘ er ihm genommen.“
 
Da rief Reinekens Brudersohn
Grimbart der Dachs mit bitterm Hohn:
Wen lobte jemals Feindesmund?
Geschichtchen gebt hier hämisch kund
Aus alten, längst vergangnen Tagen.
Willst, Isegrim, kein Wörtlein sagen,
Wie Reineken du einst geprellt,
Als er noch treu dir zugestellt? —
Euch quälte grimmen Hungers Pein,
Da kam des Wegs ein Bäuerlein,
Fuhr große Fische nach der Stadt.
Reineke sieht’s und legt sich platt
Wie mausetodt ins Straßengleis.
Merkt wohl: sein Leben gab er preis !
Der Bauer stutzt; er steigt vom Wagen,
Will mit dem Messer ihm an Kragen.
Schon todt? Zu einer Wintermütze
Ist solch ein Fuchspelz immer nütze.“
Er wirft Reineken auf den Wagen
Und läßt sein Rößlein weiterjagen.
Wie ward mein Oheim plötzlich munter,
Warf lustig Fisch auf Fisch hinunter;
Doch als er drauf vom Wagen sprang
Der Wolf das letzte Stück verschlang
Und bot dem heldenmüth’gen Mann
Zum Dank ein Häuflein Gräten an.
Wohl könnt‘ ich hundert Bücher schreiben
Von Isegrims verlognem Treiben.
Daß ihn des Lehrers Hand geschlagen,
Darob will Lampe sich beklagen?
Meint er, ein Schüler könn‘ auf Erden
Je ungeprügelt Meister werden? —
Und dort der Kläffer Wackerlos
Er stellt sich selbst am meisten bloß.
Sagt es nicht Hinze unverhohlen,
Daß beide sie die Wurst gestohlen?
Mein Oheim ist der frömmste Mann,
Den weit und breit man finden kann.

Nun ging’s hinaus ins grüne Gras,
Das war ein Jubel, war ein Spaß´—
Heimtückisch aber bei der Hecke
Lag jener Heuchler im Verstecke.
Da plötzlich welch ein kläglich Schrein?
 Reineke packt mein Töchterlein . . .
Ich krähe laut, doch wie der Wind
Trägt er davon das arme Kind.
Zwar löste man auf meine Kunde
Im Nu die treuen Klosterhunde;
Sie haben nur — Gott sei’s geklagt! —
Ihm einen Leichnam abgejagt!
Und Kratzfuß, aller Hennen Zier,
Sie liegt entseelt, o Herr, vor dir.“

Der König sprach: „Welch seltner Mann!
Nun, Grimbart, komm und tritt heran,
Sieh‘ selbst, wie voller Frömmigkeit
Dein Oheim büßt und sich kasteit.“
 
Und Braun den Bären rief er drauf:
Freund, nimm dein Schwert und mach‘ dich auf —
Entbieten laß ich vor Gericht
Reineke Fuchs, den Bösewicht!
Dir rath‘ ich, laß durch List und Lügen
Dich von dem Schlauen nicht betrügen.“

Herr,“ sprach der Bär, „das läßt er bleiben,
Ich wüßt‘ es auch ihm einzutreiben.“







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