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Gedichte
- Reineke-Fuchs
Ein
heiteres Kinderbuch
von
Julius
Lohmeyer und Edwin Bormann,
Freie
Nachdichtung des niederdeutschen
Reineke de Vos. mit
12 Bildern von Fedor Flinzer,
Verlag
von Carl Flemming, Glogan
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Zweiter
Gesang
Reineke
saß im Malpertaus,
Dem
festen, stolzen Fuchsenhaus.
Da
klopft‘ es ungestüm ans Thor:
„He,
Reineke, du Schelm, hervor!
Als
Bote steh‘ ich hier. Vernimm,
Du
reiztest deines Königs Grimm!
Entbieten
läßt er vor Gericht
Reineke
Fuchs, den Bösewicht.
Und
kommst du nicht, so sei bedroht
Mit
Folterqual und Henkerstod!“
Vorsichtig
lauernd an der Pforte
Vernahm
der Fuchs des Bären Worte.
„Ha,“
dacht‘ er, „könnt‘ ich dir dein Prahlen
In
meiner Münze wiederzahlen!“
Und
listig lugt‘ er durch die Spalte,
Ob
andre wohl im Hinterhalte.
Er
sah, daß Braun allein zur Stelle
Und
trat hinaus vor seine Schwelle.
„Willkommen,
Vetter, Gottwillkommen!
Du
hast dich doch nicht übernommen?
Der
Weg ist weit, die Sonne heiß;
Dir
perlt vom Pelz dein edler Schweiß.
Hat
denn der König, sag‘ mir an,
Nicht
sonst noch Boten, theurer Mann;
Daß
auf den edelsten von allen,
Den
besten seine Wahl gefallen?
Mir
aber wird’s besonders frommen,
Daß
du, verehrter Freund, gekommen;
Willst
du nur klugen Rath mir spenden,
Wird
bald des Königs Sinn sich wenden.
Ich
ziehe mit, sei außer Sorgen;
Nur
bitt‘ ich, warte noch bis morgen.
Mir
ist so voll, so schwer der Magen;
Kann
Süßigkeiten nicht vertragen.“
„Ei,
ei!“ rief Braun, „laß hören: was?“
Reinecke
sprach: „Was hilft dir das?
Ich
muß nach armer Schlucker Weise
Zufrieden
sein mit jeder Speise;
Und
wenn mich Noth und Hunger treiben,
Und
nichts im Haus als Honigscheiben . . .“
„Wie?
was?“ so unterbrach ihn Braun,
„Du
kannst den Honig nicht verdau’n?
Die
wunderbare süße Speise,
Die
ich mir über alles preise?
Willst
du mit Honig mich erfreuen,
Es
soll dich sicher nicht gereuen!“
„Ich
merk‘ es wohl, du spottest mein.“
„Ich
spotten? Ei, bei Leibe nein!“
„So
komm; ein Stündchen nur von hier
Zeig‘
ich den schönsten Honig dir
Bei
Rustifeil, dem reichen Bauer.
Zwat
wird das Gehen mir noch sauer,
Doch
ist Befehl mir dein Begehren —
Was
thut man nicht dem Freund zu Ehren?
Das
Wasser Braun vom Maule troff;
So
kamen sie zum Bauernhof.
Dort
lag ein Eichstamm auf der Erden,
Der
sollte längs gespalten werden;
Drum
hatte klüglich Rustifeil
An
jedem Ende einen Keil
Hineingetrieben
mit Gewalt;
Schon
klaffte fußesweit der Spalt.
Reineke
sprach: „Mein Vetter Braun,
Ist
dir’s genehm, den Stamm zu schau’n?
Er
hält mehr Honig, als man glaubt,
Steck‘
nur recht tief hinein das Haupt.
Du
siehst, schon rückt die Nacht heran,
Zu
Bett ging längst der Bauersmann.
Genieße
froh dein Leibgericht;
Nur,
rath‘ ich, überfriß dich nicht!“
„Ein
Mann wie ich weiß, was er thut;
Maaß
ist zu allen Dingen gut.
Hab‘
Dank für das, was du geboten,“
Sprach
Braun und beide Vorderpfoten
Und
Kopf und Nacken hinterdrein
Steckt‘
tief er in den Spalt hinein.
Reineke
aber springt herzu
Und
bricht die Keile aus im Nu.
„So,
Freundchen,“ ruft er voller Hohn,
Merk
auf, das ist dein Botenlohn!“
Dem
Bären saust und brummt der Kopf . . .
Da
steckt er nun der arme Tropf,
Und
wie er auch sich kraftvoll stemmt —
Der
Eichstamm hält ihn festgeklemmt.
Jetzt
mit den freien Hintertatzen
Hebt
er gewaltig an zu kratzen —
Umsonst,
sein Halsband schließt zu gut;
Laut
heult er los in wilder Wuth . . .
Und
aus dem Schlaf schreckt Rustifeil,
Lugt
auf den Hof und greift zum Beil.
Reineke
aber lacht und spricht:
„Gelt,
Braun, ein treffliches Gericht?
Den
Herrn des Hauses seh‘ ich kommen;
Der
hat gewiß sich vorgenommen,
Ein
gutes Schlückchen dir zu weihen.
Laß
es zum Besten dir gedeien!“
Der
Bauer macht ein groß Geschrei:
„Herbei,
ihr Männer all‘, herbei!
Ein
Bär auf meinem Hof gefangen!“
Da
kommen sie mit Spießen, Stangen,
Mit
Gabeln, Flegeln, Rechen, Hacken,
Den
Honignäscher Braun zu packen.
Der
aber reißt mit Schmerz und Graus
Den
Kopf, ruck! aus dem Spalt heraus.
Ein
gutes Theil von seinen Ohren,
Von
Haut und Haaren geht verloren:
Auch
beide Klauen läßt er drinnen . . .
Doch
heißt’s , nicht lange jetzt besinnen!
Und
athemlos vor Angst und Pein —
Die
Bauern toben hinterdrein
Mit
Hollahoh! und Hussahuh! —
Läuft
Braun dem nahen Walde zu.
Manch
schwerer Stein, manch wucht’ger Speer
Flog
pfeifend hinterm Flüchtling her,
Und
nur mit knapper Müh‘ und Noth
Entging
der Bär dem sichern Tod. —
Und
wie er stöhnend lag im Tann,
Trat
Reineke zu ihm heran:
„Find
ich dich wieder, theurer Braun?
Wie
freut’s mich, dich wohlauf zu schau’n!
Hat
dir’s gemundet? Nun, ich weiß
Des
Honigs mehr zum gleichen Preis.
Hast
ihn doch redlich auch bezahlt?
Wer
hat so roth dich angemalt?
Auf
deinem Haupte das Barett
Steht
dir wahrhaftig wundernett!
Doch
sag‘, wo ließest, Freund, du hangen
Die
Handschuh‘ und das Fell der Wangen?
Und
Tags darauf zerfetzt und lahm
Der
Bote Braun zu Hofe kam.
Da
rief der König: „Braun, mein Bär,
Wie
kommst du so verstümmelt her?“
„Ach,
Herr, das ist ein traurig Lied,
Wie
schamvoll mich der Fuchs verrieth!“
Der
König sprach: „Bei meiner Kron‘,
Dem
Buben werde voller Lohn!“
Alsbald
versammelt‘ er den Rath,
Um
Rache für die Missethat.
Zum
Kater Hinze sprach er drauf:
„Sei
du mein Bote, mach‘ dich auf!
Du
bist zwar von Person nur klein,
Doch
pflegst du klug und schlau zu sein.
Entbieten
lass‘ ich vor Gericht
Reineke
Fuchs, den Bösewicht!
Läßt
er ein drittes Mal sich laden,
So
sei es ihm zum ew’gen Schaden —
Ihm
und dem ganzen Fuchsgeschlecht!
So
will’s der Thiere heilig Recht.“
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