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Gedichte
- Reineke-Fuchs
Ein
heiteres Kinderbuch
von
Julius
Lohmeyer und Edwin Bormann,
Freie
Nachdichtung des niederdeutschen Reineke de Vos.
mit
12 Bildern von Fedor Flinzer,
Verlag
von Carl Flemming, Glogan
______________________________________
Vierter
Gesang
Hochmüthig
ging mit keckem Schritte
Reineke
durch der Kläger Mitte
Und
sprach voll Zuversicht am Thron,
Als
ob er wär‘ des Königs Sohn:
„Vertrauend
deinem Edelsinn
Tret‘
ich, mein König, vor dich hin;
Du
wollest helfen mir zum Rechte,
Mir,
deinem allertreusten Knechte,
Und
Lügen nicht und Fabeln glauben,
Die
deiner Gnade mich berauben.“
Der
König rief: „Ehrloser Wicht!Dein
Schmeicheln hilft Dir wahlich nicht.
Hier
steht Hahn Henning, schaue her,
Der
Kater Hinze, Braun der Bär,
Mit
Schimpf und Wunden arg beladen —
Und
du sprichst noch von Recht und Gnaden?
„ Mein
König,“ sprach Reineke dreist,
Sind
sie nicht selber schuld zumeist?
Wer
hieß den Schlecker Braun vermessen
Des
Bauern süßen Honig fressen?
Und
Hinze? Will sich der beklagen?
Wer
hieß ihn fremde Mäuse jagen? —
O
Herr, ich bin in deinen Händen,
Du
magst mich hängen, köpfen, blenden . . .
Du
willst, o König, mein Verderben —
Wohlan,
ich bin bereit zu sterben!“
Doch
half ihm nichts sein listig Spiel,
Der
Kläger waren allzuviel.
Und
von den Richtern insgesammt
Ward
er zum Galgentod verdammt:
„Man
soll ihn binden und fangen,
Darzu
bei seinem Hals aufhangen.“
Dem
Wolf, dem Kater und dem Bär
War
dieses Urheil süße Mär.
Sie
führten mit vergnügtem Sinn
Den
armen Schelm zum Richtplatz hin.
„Getrost,“
sprach Isegrim, „der Strick
Kürzt
deine Qual im Augenblick.“
Reineke
frug: „Ist denn zur Hand
Euch
schon ein derbes Gurgelband?
Wenn
ihr darum verlegen seid —
Der
Kater Hinze weiß Bescheid.“
Mit
lauter Stimme rief er dann:
„Mein
Sterbestündlein rückt heran;
Und
so, nach unsrer Väter Sitte,
Gewähr‘
mir, Herr, die letzte Bitte.
Laß
hier am lichten Galgen mich
Dir,
König, beichten öffentlich;
Auf
daß die Wahrheit komm‘ ans Licht,
Und
man nach meinem Tode nicht
Unschuldig
manchen mag belangen
Um
Missethat, die ich begangen!“
So
sprach der schlaue Bösewicht
Mit
Armensündersangesicht
Und
weinte flugs zwei dicke Zähren.
Der
König rief: „Ich will’s gewähren.“
Reineke
schlug sich vor die Brust:
„Ich
bin mir großer Schuld bewußt!
Steht,
werthe Herren, wohl einer hier,
Der
ungeschädigt blieb von mir?
In
meinen Kinderjahren schon
War
ich ein räub'rischer
Patron.
Ich
würgte Enten, Gänse, Hühner;
Und
dreister ward ich stets und kühner.
Bald
stahl ich Lämmlein mir und Ziegen,
Die
im Gebirge sich verstiegen. —
Einst
traf ich Isegrim am Rhein
Und
ging ein Bündniß mit ihm ein:
„Du
stiehlst das Große, ich das Kleine;
Und
der Gewinn geht ins Gemeine.“
Doch
wenn’s zum Theilen kommen sollte,
Und
ich die Hälfte nehmen wollte,
Wies
Isegrim in wilder Gier
Laut
bläkend seine Zähne mir;
Dann
kam sein Weib mit sieben Jungen —
Im
Umsehn war der Raub verschlungen.
Allein
trotz Isegrims Betrug
Blieb
meiner Nothdurft noch genug;
Nenn‘
ich den größten Schatz doch mein
Von
Silber, Gold und Edelstein . . .“
„ Wie?“
rief der Leu voll Wißbegier,
„Ein
Schatz! Von wannen kam er dir?“
„Herr,“
sprach der Fuchs, „ich will’s erzählen
Und
dir kein Sterbenswort verhehlen.
Vernimm:
an diesem Schatze eben
Hing
deine Krone, hing dein Leben!
Beschlossen
war es, dich zu morden.
Wär
nicht der Schatz gestohlen worden,
Floß
längst dein heilig Königsblut!“
Da
sprang der Leu empor in Wuth:
„Was
hört mein Ohr für Schauderdinge?
Man
löse Reineken die Schlinge!
Tritt
näher, Fuchs, und sage dreist,
Was
sonst du von dem Schatze weißt.
Doch
schlicht und wahr sei dein Bericht.“
Reineke
sprach: „Wie sollt‘ er nicht nicht?
Sag‘
selbst, ob mit dem Fuß im Grabe
Ich
noch zu lügen Ursach habe. — —
Einst
fand an wohlverborgnem Platz
Mein
Vater König Emmrichs Schatz;
Und
schürt er längst schon Hochverrath,
Jetzt
ward sein böser Plan zur That.
Mit
Botschaft sandt‘ er alsobald
Den
Kater Hinze in den Wald
Und
hieß ihn Braun den Bären fragen
„Willst
du die Königskrone tragen?“
Das
war dem Stolzen frohe Kunde;
Freund
Isegrim trat bei zum Bunde,
Und
mit dem Schatz — so ward beschlossen —
Wirbt
man im Lande Kampfgenossen.
Darauf
ward Eid um Eid getauscht.
— Ich
aber hatte sie belauscht. —
Schon
damals kannt ich nur zu gut
Des
Bären frechen Frevelmuth.
Ist
der zum König erst gemacht,
Dann
Freiheit, Ehre, gute Nacht!
Ich
sprach’s im Herzen und verglich
Mit
Braunen, edler Herrscher, dich.
Da
klang es in mir tausendtönig:
Reineke,
rette deinen König!
Bald
zog mein biedrer Vater aus,
Zog
weit durchs Land von Haus zu Haus,
Verrätherische
Söldnerhaufen
Mit
seinem Golde zu erkaufen.
Ich
hatte längst erspät den Ort,
Wo
er verborgen seinen Hort;
Nun
schleppt‘ ich emsig Nacht für Nacht,
Bis
alles ich hinweggebracht.
Kaum
war der Vater heim, so schlich
Er
heimlich zum Verstecke sich;
Doch
wie er wühlte fort und fort,
Verschwunden
war und blieb der Hort.
Das
brach des Alten stolzes Herz —
Er
hängte sich in Schmach und Schmerz.
— Gleich
als ob nichts geschehen wär‘,
Sitzt
Isegrim und Braun der Bär
Hochmüthig
auf der Richterbank;
Wer
weiß mir armen Schelmes Dank,
Daß
ich den Vater hingegeben,
Zu
retten meines Königs Leben?“
So
log der Fuchs mit frechem Mund.
Der
König winkte: „Thu‘ mir kund,“
Begann
er leise, „jenen Platz,
Da
du verborgen hast den Schatz;
Und
gnädig will ich dir’s gedenken,
Will
Leben Dir und Freiheit schenken.“
Und
Reineke beschrieb den Platz.
„Nimm
denn zu eigen Emmrichs Schatz;
Von
allem irdischen Gethier,
Gönn‘
ich ihn einzig, König, dir.“
Schon
gut. Und morgen früh bei Zeiten
Magst
du mich selber hinbegleiten.“
Reineke
sprach: „Zu gerne nur . . .
Hielt
mich nicht ab ein frommer Schwur!
Es
that der Papst mich sünd’gen Mann
In
einen schweren Kirchenbann.
Für
meiner Seele Heil zu sorgen,
Laß,
meinem Schwur getreu, mich morgen
Mit
Frühstem auf die Reise gehen,
In
Rom mir Ablaß zu erflehn.“
Der
König sprach: „Bist du im Bann,
Steht
dein Geleit mir nimmer an.
Ich
will die Bußfahrt dir nicht wehren,
Magst
du zum Bessern dich bekehren.“
Und
zu dem Volke hingewandt
Rief
laut er: „allen sei’s bekannt,
Reineken
ist verziehn die Schuld,
Ich
schenk‘ ihm wieder meine Huld.
Man
soll ihn ehren nach wie vor;
Verschlossen
bleibt dem Neid mein Ohr.“
So
sprach der Leu und hört‘ ein Murren,
Ein
höchst unehrerbietig Knurren . . .
„Wer
wagt’s und widersetzt sich hier?
Seid
ihr es, Schurken, he? die ihr
Nicht
werth das Sonnenlich zu schau’n?
Man
fess’le Isegrim und Braun!
Zu
gut wahrhaftig dünkt mich noch
Für
sie das tiefste Kerkerloch.“
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