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Gedichte
- Reineke-Fuchs
Ein
heiteres Kinderbuch
von
Julius
Lohmeyer und Edwin Bormann,
Freie
Nachdichtung des niederdeutschen Reineke de Vos.
mit
12 Bildern von Fedor Flinzer,
Verlag
von Carl Flemming, Glogan
_______________________________
Fünfter
Gesang
Und
mit dem frühsten Morgen schon
Trat
Reineke zum Königsthron.
Der
Löwe sprach: „Es thut mir weh,
Daß
ich so bald dich scheiden seh‘!“
„O
Herr, du machst das Herz mir schwer,
Doch
leidet’s länger mich nicht mehr,“
So
schluchzte laut der lose Wicht;
„Wer
Gutes vorhat, säume nicht.“
Der
König sprach: „So nimm, Gesell,
Dies
zott’ge Stücklein Bärenfell,
Das
Braunen man vom Rücken schnitt,
Als
Ranzen auf die Reise mit.
Und
hier schickt Isegrim dazu
Ein
Paar dir seiner Lederschuh‘;
Sie
sind vortrefflich warm und dicht,
Er
braucht sie doch im Kerker nicht. —
So
ziehe denn mit Gott von dannen!
Ihr
aber, meine treuen Mannen,
Gebt
unserm biedern Freunde jetzt,
Den
unser Herz aufs Höchste schätzt,
Der
sich so fromme Buße weiht,
Ein
Stündchen Weges das Geleit.“ —
Da
schritt Reineke zwischen ihnen
Mit
demuthsvollen Duldermienen.
„Ach,
Lampe,“ hub er kläglich an,
„Du
theurer, engelsfrommer Mann,
Daß
auch von dir ich scheiden soll,
Dünkt
mich vor allem kummervoll!
Und
du, geliebeter Freund Bellin,
Kannst
du nicht fürder mit mir ziehn?“
Sprach
er zum Schafbock hingewandt
Und
drückte stöhnend ihm die Hand.
„Ihr
nähret euch in schlichter Weise;
Gras
sind und Kräuter eure Speise.
So
lebt ihr fromm und klösterlich,
Wie
jüngst gelebt als Klausner ich;
Und
füllt nach heil‘ger Büßerbrauch
Euch
nie mit Fleisch und Brot denBauch.“
Mit
solcher groben Schmeichelei
Bethörte
Reineke die zwei,
Ihn
zu begleiten bis nach Haus. —
So
kamen sie nach Malpertaus.
„Willst
du, mein werther Ohm Bellin,
Ein
Weilchen hier am Thor verziehn?
Du
aber, Lampe, treues Tier,
Hilfst
trösten wohl mein Weibchen mir?
Hört
sie von meinem Unternehmen,
Wird
sie sich fast zu Tode grämen!“
Und
Lampe rief: „Die arme Frau!“
Und
folgt' ihm schluchzend in den Bau.
Da
lag von Sorg' und Gram bezwungen
Frau
Ermelin mit ihren Jungen.
„ So
war umsonst,“ rief sie, „mein Bangen?
Wie
ist es, Liebster, dir ergangen?“
„ Der
König — Glück und Heil auf ihn! —
Hat
gnädig diesmal mir verziehn,
Gab
obendrein als Sühne mir
Den
Lampe, das verlog’ne Thier,
Das
mich bei Hof mit Vorbedacht
Um
meinen guten Ruf gebracht.
Was
mir behagt, darf ich ihm thun,
Entgelten
soll der Schelm es nun!“
Der
Hase hört’s und will entfliehn.
„Zu
Hilfe!“ schreit er laut, „Bellin!
O
komm‘ zu Hilfe meiner Noth,
Der
fromme Pilger beißt mich todt!“
Reineke
sprach: „Boshaft Geschrei!“
Und
biß die Gurgel ihm entzwei.
„Der
soll mich nirgends mehr verklagen!
Ein
leck’rer Bursch, das muß ich sagen,
Der
leidlich Fett am Leibe hat!
Nun,
Kinder, kommt und freßt euch satt!
Mag’s
allen Schurken so ergehn,
Die
mir nach Gut und Leben stehn. —
Vernimm,
mein liebes Weibchen, jetzt,
Wie
ich bei Hof mich losgeschwätzt.“
Die
Füchsin hört‘ ihm schmunzelnd zu;
Am
Ende sprach sie: „Schäker du!
Nur
Eines steht mir nicht zu Sinnen:
Daß
du als Büßer willst von hinnen.“
Reineke
lachte: „Liebe Frau,
Wer
nimmt’s mit Worten so genau,
Wenn
Kopf und Kragen auf dem Spiel?
Was
schert mich Rom und Buße viel?
Ich
lache Papst und König aus
Und
bleibe still bei dir zu Haus.“
Da
klang es mahnend ihm ans Ohr;
„He
Lampe!“ rief der Bock am Thor,
„Hältst
du die Freunde so zu Narren?
Wie
lange soll ich hier noch harren?“
Reineke
lief hinaus. „Bellin,“
Begann
er, „schmähle nicht auf ihn;
Er
plaudert voller Wohlbehagen
Mit
meiner Frau von alten Tagen.“
„Hat
er nicht vorhin,“ frug Bellin,
„Um
Hilfe jämmerlich geschrien“!
„Ganz
recht. Denn da mein Weib vernommen,
Daß
ich als Pilgersmann gekommen,
Fuhr
ihr der Schreck in Mark und Bein;
Und
laut hub Lampe an zu schrein:
„Bellin,
zu Hilfe unsrer Noth,
Mein
armes Mühmchen bleibt mir todt!“
Bellin
sprach: „Sei’s wie’s immer sei,
Es
war ein fürchterlicher Schrei.“
„Nein,“
sagte Reineke, „fürwahr,
Man
krümmte Lampen nicht ein Haar.
Doch
— darf ich eine Bitte wagen?
Der
König hat mir aufgetragen,
Daß
ich von hier sogleich ihm schreibe.
Und
während sich mit meinem Weibe
Freund
Lampe froh die Zeit vertrieben,
Hab‘
ich die Briefe flugs geschrieben.
Willst
du vielleicht mein Bote sein?
„Gut,“
sprach Bellin, „daß mir nur nicht
Ein
Siegel unterwegs zerbricht.“
Reineke
sagte: „Grämt dich das?
So
kommt mein Ränzel uns zu Paß.
Ich
kann’s entbehren auf der Reise.“
Er
eilt ins Haus und murmelt leise:
„Was
solch ein Schaf nicht alles glaubt!“
Faßt
Lampe’s edles Dulderhaupt,
Läßt’s
hurtig in den Ranzen gleiten
Und
schnürt ihn zu von allen Seiten.
Jetzt
trat er wieder vor das Haus.
„Geh‘,
Oheim, nur gemach voraus;
Noch
muß ich Lampen manches fragen,
Noch
dies und das dem Freunde sagen . . .
Er
läßt dich bitten zu verzeihn;
Der
Schnellfuß holt dich sicher ein. —
Hier
ist das Ränzel, nimm es hin,
Zwei
dicke Briefe sind darin.
Doch
öffn‘ es mir bei Leibe nicht,
Auf
daß dir ja kein Siegel bricht! —
Und
nun noch eins. Mein Freund, du weißt,
Hoch
schätzt der König Witz und Geist.
Willst
du in seine Gunst dich setzen,
Brauchst
du nur dreist ihm vorzuschwätzen,
Daß
du beim Schreiben mir, Bellin,
So
manchen guten Rath verliehn.“
Da
sank der Bock in heller Lust
Reineken
an die Freundesbrust.
„ Ach,“
jauchzt‘ er, „ganz erkenn‘ ich jetzt,
Wie
du mich liebst, o Freund, und schätz’t!
Mein
Herr und König wird in Gnaden
Mit
reichen Ehren mich beladen;
Bald
heißt
es rings im ganzen Land:
Wie
ist Bellin doch kunstgewandt!
Denn
keiner weiß, wie das geschehn. —
Nimm
tausend Dank! — Auf Wiedersehn!“ —
Bald
trat mit selbstzufriednem Sinn
Der
Widder vor den König hin,
Legt‘
ihm das Ränzel stolz zu Füßen
Und
sprach: „Reineke läßt dich grüßen.
Er
sendet, edler König, hier
Die
beiden dicken Briefe dir,
So
du ihm anbefohlen hast.
Sie
sind nicht übel abgefaßt,
Weil
ich dabei, der Bock Bellin,
Ihm
manchen guten Rath verliehn.“
Man
löst vom Ranzen Band um Band,
Schreck!
— Was kollert in den Sand?
„Ein
blut’ger Brief, bei meiner Treu‘!“
Ruft
zornentflammt der edle Leu
und
hält empor das Hasenhaupt.
„Und
du? wer hätt‘ es je geglaubt,
Du
hast ihm deinen Rath, Bellin,
Bei
diesem Bubenstück verliehn? —
Nie
täuscht mich mehr, so wahr ich lebe,
Reineke’s
Lug- und Truggewebe!
Führt
Isegrim und Braun herbei —
Rein
sind sie jeder Schuld, sind frei.
Als
Sühne aber giebt das Recht
Bellin
den Bock und sein Geschlecht
Rings
auf dem weiten Erdenkreis
Den
Wölfen und den Bären preis. —
Und
jener Wicht, der mich betrogen,
Vom
Galgen frech sich losgelogen,
Der
Meister aller Büberei,
Er
sei von Stund an vogelfrei!
Entbieten
lass‘ ich Mann für Mann
Zu
folgen meinem Heeresbann.
Gelingt
es uns, den Schelm zu fangen,
Mag
er am nächsten Baume hangen.“
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