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Literatur 









Gedichte - Reineke-Fuchs

Ein heiteres Kinderbuch
von
Julius Lohmeyer und Edwin Bormann,

Freie Nachdichtung des niederdeutschen Reineke de Vos.
mit 12 Bildern von Fedor Flinzer,
Verlag von Carl Flemming,
Glogan

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Sechster Gesang



 

Reineke lag in guter Ruh
Und sah dem Spiel der Mücken zu;
Da klangen Schritte an sein Ohr,
Er lauschte auf, er sprang empor . . .
Bist du es, Grimbart?“ rief er aus;
Willkommen, Freund, in Maöpertaus!
Von Hofe kommst du sicherlich —
Was giebt es Neues, Bester, sprich?“

Grimbart begann: „Von bösen Dingen
Muß leider ich dir Zeitung bringen.
Dein Gut und Leben ist verloren,
Tod hat der König dir geschworen!
Entbieten läßt er Mann für Mann
Zu folgen seinem Heeresbann;
Bevor drei Tage noch vergehn,
Wird er vor deiner Veste stehn.“
 
Nichts weiter?“ sprach der Fuchs mit Lachen.
Das laß dir keine Sorge machen.
Trotz all‘ und jeder Fährlichkeiten,
Werd‘ ich nach Hofe dich begleiten.
Mein Lügenschatz, versichr‘ ich dich,
Läßt mich auch diesmal nicht im Stich. —
Erst aber, Grimbart, komm‘ herein
Und laß bei Tisch uns fröhlich sein.
Zwei Täubchen fing ich,zart und gut,
Mit Knöchelchen wie Milch und Blut;
Ein Essen, trefflich zu verdauen,
Man schluckt es, ohne nur zu kauen.“
 
Er sprach’s. Sie traten in das Haus
Und setzten nieder sich zum Schmaus.
Die Füchslein kamen angesprungen.
Was meinst du, Grimbart, zu den Jungen?“
Frug Reineke den Brudersohn.
Der Rossel fängt sich Küchlein schon,
Und Reinhart dort, der Schlingel, wagt
Sich gar schon auf die Entenjagd.“

Mit vollem Recht.“ fiel Grimbart ein.
Magst stolz du auf die Kleinen sein.
Kaum zum Verwundern ist es ja —
Sie arten ganz nach dem Papa.“

Wohl,“ sprach der Fuchs. „Du darfst indessen
Auch die Erziehung nicht vergessen;
Talent allein vermag es nicht. —
Nun aber komm‘, uns ruft die Pflicht.“
 
Wie?“ frug voll Angst Frau Ermelin,
Du willst doch nicht nach Hofe ziehn?“

Mein gutes Kind, gieb dichzufrieden;
Der König hat mich hinbeschieden.
Mißgönnst du mir denn das Vergnügen,
Mich einmal gründlich satt zu lügen?“

Reineke sprach das Trosteswort
Und küßt‘ ihr eine Thräne fort. —

Ach, bester Ohm, ich muß gestehn,“
Begann verzagt der Dachs im Gehen,
Es steht um dich recht herzlich schlecht.
Bellin, des Königs biedern Knecht,
Schickst du mit Lampe’s Haupt zurück?!
Das war denn doch ein starkes Stück!“
 
Verdammst auch du mich wie die andern?“
Sprach Reineke im Weiterwandern.
Wer heute durch die Welt will wandeln,
Der kann nicht stets so heilig handeln,
Als wenn er Mönch und Klausner wär‘.
Sieh, Lampe sprang so hin und her,
So: willst du mich, da hast du mich —
Daß mich’s ganz sonderbar beschlich,
Daß ich urplötzlich mich vergaß
Und ihn vor lauter Liebe fraß.
Bellin stand nie bei mir in Gnaden;
Mein ist die Sünde, sein der Schaden.
Ist doch der Raub des Thieres Brauch.
Gesteh‘, raubt nicht der König auch?
Und hat er selbst noch nie gestohlen,
Läßt er’s durch Wölf‘ und Bären holen.“
 
Er sprach’s und lachte vor sich hin.
Grad geht ein Streich mir durch den Sinn.
Du mußt es, lieber Neffe, hören,
Wie arg der Wolf sich ließ bethören. —

Wir streiften beide jüngst einmal
Mitsammen über Berg und Thal.
Da sahen wir auf grünem Rasen
Ein Pferd mit seinem Füllen grasen.
In solchem Fall geschieht's nun leicht,
Daß uns ein Appetit beschleicht.

Hm,“ sprach sich räuspernd Isegrim,
Mir wird vor Hunger schlecht und schlimm;
Lauf hin zur Alten, Freund, und sieh,
Ob sie verkauft das leckre Vieh.“
Ich ging. „Verehrte Frau Mama,
Welch dralles Füllen hast du da!
Ist es wohl feil für gutes Geld?“
Recht gern,“ sprach sie, „wenn dir's gefällt.
Tritt näher, Freundchen, nur herzu,
Denn klar geschrieben findest du
Den Preis mir unter'm Hinterfuß.“
Ich aber schied mit art'gem Gruß:
Frau Mähre, nein, das laß ich bleiben;
Kann weder lesen, weder schreiben.“
Ich lief zu Isegrim zurück.
Geh', Freund, versuche du dein Glück!“
Und sagt' ihm alles: so und so.
Was?“ rief der Schlaukopf siegesfroh,
Nicht lesen kannst du? Kleinigkeit!
Wer so wie ich geraume Zeit
Auf hohen Schulen einst gewesen,
Kann alle Schriften spielend lesen.“
Er ging und fragte nach dem Preis.
Hier steht er,“ sprach sie, „schwarz auf weiß.“
Und schlug mit ihrem Hinterbein
Dem Tölpel fast den Schädel ein;
Denn sechs Hufnägel hart wie Stahl
Die trafen richig allzumal.
So lag er nun, der alte Narr,
Wohl eine Stunde steif und starr;
Da schlug er matt die Augen auf.
He, Freund,“ frug ich, „wie steht der Kauf?
Du hast dich satt und rund gefressen
Und meiner ganz und gar vergessen.
Pfui! Undankbarer Schlemmer du!
Trug ich dir nicht die Botschaft zu!
Ja ja, nach solchem Mahle thut
Ein Mittagsschläfchen doppelt gut.
Wer brachte dir's so trefflich bei,
Wie derlei Schrift zu lesen sei?“
Und Isegrim sah stier und stumm
Nach dem ersehnten Schmaus sich um.
Davon war Füllen längst und Pferd. —
Sag' ist der Spaß nicht Goldes werth?


Ach,“ zeufzte Grimbart, „bestes Thier,
Dein Schwank entlockt kein Lächeln mir,
Er lastet schwer mir auf dem Herzen.
Ja, deine Lust zu losen Scherzen
Wir noch verhängnisvoll dir werden!
Kein schlimm'rer Feind lebt dir auf Erden . . .“

Wie?“ unterbrach der Fuchs ihn hier,
Mit solchen Schmerzen kommst du mir?
Ich muß ob deines Eifers lachen —
Mir soll kein Popanz bange machen!“

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