lifedays-seite

moment in time
Literatur 









Gedichte - Reineke-Fuchs

Ein heiteres Kinderbuch
von
Julius Lohmeyer und Edwin Bormann,

Freie Nachdichtung des niederdeutschen Reineke de Vos.
mit 12 Bildern von Fedor Flinzer,
Verlag von Carl Flemming,
Glogan

_______________________________




Siebenter Gesang


 

Verruchter Mörder!“ rief der Leu,
Du wagst zu Hofe dich auf’s Neu‘?
Seht doch, ihr Herren, schreitet er
Nicht frech und wohlgemuth daher,
Als könn‘ es keine Seele wissen,
Wer unsern Lampe todtgebissen? —
Es starb Bellin, dein Mordgesell;
Jetzt geht es dir, Herrn Fuchs, ans Fell!“
 
Reineke rief: „O weh der Noth!
So sind Bellin und Lampe todt?
Ich Aermster, wär‘ ich nie geboren!
Nun ist mein höchster Schatz verloren!
 
Vernimm. ich sandte dir durch sie
Kleinode, wie dein Auge nie
Und nirgends sie zuvor geschaut.
Hätt‘ ich’s Bellinen zugetraut,
Daß er in wilder Beutegier
Den besten Freund, das frömmste Thier,
Den guten Lampe würd‘ erschlagen?
Wo lebt noch Treu‘ in unsern Tagen?“
 
Sprich,“ rief der König wuthentbrannt,
Was war’s, das du mir zugesandt?“
So höre, Herr, um welches Glück
Betrogen dich dies Bubenstück.
Das erste Kleinod war ein Ring,
Daran mein ganzes Herze hing.
Wer ihn am Finger trug, der war
Geschützt vor jeglicher Gefahr;
Der konnte dreist durchs Feuer gehn,
Im Kampfe wider hundert stehn.
Auch saß am Ringe ein Karfunkel,
Deß Glanz erhellte jedes Dunkel;
Und wer vor Augen sah den Stein —
Mocht‘ es dein Todfeind selber sein —
Von holder Zauberkraft getrieben,
Mußt‘ er des Ringes Träger lieben. —
Das andre Kleinod aber war
Nicht minder schön und wunderbar,
Bestimmt für deine Königin:
Ein Spiegel von Beryll, darin
Bei Nacht man wie bei Tage sah,
Was meilenweit umher geschah.
Und wunderthätig war sein Licht;
Hatt’st du ein Fleckchen im Gesicht —
Nur in den Spiegel flugs geschaut,
Und blendend rein war deine Haut. —
Ich aber hielt mich zu geringe
Solch zauberhafter Wunderdinge
Und so — wie konnt‘ es anders sein?
Beschloß ich, Herr, sie dir zu weih’n.
Nun steht dein treuester Vasall
Umstellt von Feinden überall,
Die ihm entwendet deine Gunst
Durch teuflisch arge Lügenkunst!
Ich aber bringe sie zum Schweigen.
Heda, ihr Memmen all' ihr Feigen!
Ist, frag‘ ich, unter euch ein Mann?
Der trete vor, der klag‘ mich an —
Im grimmen Kampf auf Tod und Leben
Will ich ihm Red‘ und Antwort geben!“
 
Da klang ein lauter Ruf: „Wohlan,
Schamloser Wicht, hier steht der Mann!
Und aus der Feinde zagem Chor
Wuthknirschend trat der Wolf hervor.
Läßt sich an einem Maul voll Lügen
Der König abermals genügen,
Ei nun, so mag er’s immer thun —
Ich werde rasten nicht und ruhn,
Bis ich dem Fuchs sein Theil gegeben —
Und Leben setz‘ ich wider Leben!
Daß er bei Hofe mich verhetzt,
Das sei dem Schelm vergessen jetzt,
Vergessen, was er freventlich
Gesündigt einzig wider mich.
Das Alles, Alles möchte sein;
Eins aber kann ich nie verzeihn:
Daß er mir auch mein armes Weib
Geschädigt hat an Ehr‘ und Leib! —
Vernehmt die losen Bubenstreiche:
Einst saß mein Weib am Mühlenteiche,
Da trat Reineke hin zu ihr.
Frau Muhme“, sprach das falsche Thier,
Du willst gewiß dir Fische fangen;
Laß nur den Schwanz ins Wasser hangen,
Sie beißen schaarenweise an —
Mehr als dein Magen fassen kann.“
Und weil der Fuchs gar ehrsam that,
Befolgte arglos sie den Rath.
Nun merkt , wie bös er sie genarrt.
Im Winter war’s, die Kälte hart,
Und bald der Schwanz von Eise schwer;
Sie sprach: „Jetzt werden’s immer mehr!“
Ja,“ rief der Fuchs, der Spaß gelang,
Es ist ein ungeheurer Fang!“
Ich kam von Ungefähr vorbei
Und hört‘ ein lautes Angstgeschrei.
Zur Unglücksstätte lief ich flugs,
Doch lachend sprang davon der Fuchs;
Und ach, mit halbem Schwanze blos
Bracht‘ ich mein Weib vom Eise los!“
 
Reineke sprach voll Zuversicht:
Ja ja, so war’s; ich leugn‘ es nicht.
Da thun sich wieder einmal klar
Der Habgier schlimme Folgen dar.
Denn zog das Weib zu rechter Zeit
In Tugend und Bescheidenheit
Ihr Schwänzchen aus dem Teich heraus,
Kam sie mit reichem Fang nach Haus.“



Brennt sich der Schurke wied’rum weiß
Und giebt mein Weib dem Spotte preis?“
Rief Isegrim in hellem Zorn.
Sprich, Schelm, wie war es jüngst am Born?
Zwei Eimer hingen dort am Seile,
Und du — aus lieber Langeweile —
Bestiegst den einen unbesonnen
Und fuhrest nieder in den Bronnen.
Jetzt galt’s, ein Mittel auszufinden,
Dich wieder in die Höh‘ zu winden.
Da kam mein Weib Frau Gieremund
Und sah dich auf dem Brunnengrund.
Ach, Mühmchen,“ sprachest du zu ihr,
Sieh nur, von Fischen wimmelt’s hier!
Willst du mein lieber Tischgast sein,
Steig‘ droben in den Eimer ein.“
Und weil die Arme hungrig grad,
Befolgte sie den bösen Rath.
Ihr Eimer fuhr gar lustig nieder,
Doch d e i n e r, Schurke, hob sich wieder.
So geht’s im Leben,“ riefest du
Dem armen Weibe spöttisch zu,
Der eine steigt, der andre fällt,
Das ist nun so der Lauf der Welt.“
 
Bald kam ein Haufe wilder Bauern
Und sah mein Weib im Eimer kauern.
Da hieß es denn: „Sehr, unten sitzt,
Der uns die Lämmer wegstipitzt.
Herauf mit dir ans Licht, Patron!
Herauf, wir zahlen vollen Lohn!“
Gesagt, gethan — und ohn‘ Erbarmen
Zerbläute man das Fell der Armen.
Mit wund- und lahmgeschlagnem Leib
Kam stöhnend heim mein armes Weib.“
 
Ja,“ sprach der Fuchs, „Seit jener Zeit
Bin ich erfüllt von Dankbarkeit,
Daß sie die Prügel übernommen,
Die mir rechtswegen zugekommen.
In diesem Punkt, das muß ich sagen,
Kann sie weit mehr als ich vertragen“
 
Da rief der Wolf: „Bei meinem Eid,
Mit Reden weißt du wohl Bescheid!
Was nützt auch eitel Wortgefecht?
Im Zweikampf heisch‘ ich nun mein Recht.
Du Ehrenschänder, du Verräther,
Du Räuber, Mörder, Missethäter . . .“
 
Reineke schrie: „Du Grobian!
Meinst du mit Schimpfen sei’s gethan?
Laß du nur ab vom Mäulerstreit,
Mich siehst du längst zum Kampf bereit!“
 
Der König aber rief: „Genug!
Wer wird aus all‘ den Reden klug?
Sei morgen denn, ihr Herrn, der Tag,
Der euren Rechtsstreit enden mag.
Sein Spruch — ein Zweikampf soll entscheiden,
Wer Recht, wer Unrecht hat von beiden.


zurück







   lifedays-seite - moment in time - literatur