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04.2
Marceline
Desbordes-Valmore
Das
Lebensbild einer Dichterin
Zweiter
Teil: Gedichte

Palmsonntag
Du
Tag, der jedem Pilger
Seligkeit verkündet,
Der
jedem Leidensweg ein
Morgenrot entzündet,
Du
schöner Tag der Kinder,
die mit grünen Zweigen
Die
Straßen auf und ab sich
sehr geschäftig zeigen
Und
unterwegs den duftigen
Reichtum gerne mehren,
Um
Armevoll von frischem
Glück nach Haus zu kehren . . .
An
jenem Tage sucht auch
ich den jungen Ast,
Als
Halt für meines
Schicksals wintermüde Last.
Ich
ging, ich schritt
voran, auf trauervollen Wegen
Durch
Sonne bald und bald
durch grauen Regen,
Von
Kerzenglanz verlockt,
der unsre Andacht weiht
Und
unserm Gottesdienst so
holde Anmut leiht.
Die
Chöre waren voll von
hellem Kindersingen,
Das
durch die Kirche zog
auf unschuldsfrohen Schwingen;
Und
Gott allein vernahm
durch diesen lauten Sang
Ein
Beten und ein Lied, das
weinend aufwärts rang:
„Von
einer Verbannung zur
anderen ruhlos vertrieben,
Wahrhaftig,
ich weiß keine
Heimat, die je mir geblieben!
Die
Bäume zumindest, sie
haben doch Zeit, um zu blühn,
Um
Früchte zu tragen, zu
wachsen, zu Tode zu glühn,
Mir,
mir ward nicht Zeit!
Meine Pflicht will nicht warten und
weilen,
Gott!
Zwing mich nicht
immer, aus Frieden in Fremde zu eilen;
Gott!
Gönn mir im Schatten
am Wegrand ein wenig Bestand,
Meine
Kinder im Arm, meine
Stirne gestützt in die Hand!
Ich
kann nicht mehr gehen.
Ich komme . . . ich sah . . . und ich
Ich
holte dort droben vom
Berg eine Blume; ich walle
An
rosenkranztragenden
Gräbern vorbei wie gehetzt,
Die
Füße vom steinigen
Bergpfad erlahmt und verletzt.
Gott!
bin ich der Vogel mit
ewig gebreiteten Schwingen,
So
laß mich noch einmal das
Haupt meines Sohnes umschlingen;
Des
blondfrohen Knaben, der
ohne mich wandert und strebt,
Die
ich sein Gemüt doch mit
Seele und Sehnsucht durchwebt!
Du
Gott der Bedrückten, -
Gott! bist du wirklich mein Vater,
So
sei du den Meinen ein
Retter, sei mir ein Berater,
Laß
nicht meine Sorgen die
Boten des Kommenden sein,
Nein,
zeig uns den Hafen
und führ uns in Frieden hinein;
In
Nacht, in verfrühte, laß
endlich ein Morgenrot dringen,
Verbiete
denWegen, mich
weiter und weiter zu zwingen,
Bezeichne
für uns einen
Ort, eine Heimat, die Ruh,
Und
führe den knieenden
Kindern den Vater zu!“
Die
Orgel schwieg; der
Glanz erlosch, mein heißes Sinnen
Ward
still, um tief im
Herzen heimlich fortzuspinnen;
Im
Herzen, das nun doch die
neue Hoffnung trank,
Die
aus dem Lied der vielen
in mich niedersank.
Ein
Greis beglückte mich
mit einem schlanken Zweige,
Weihwasser
tropfte durch
das Grün in meinen Händen,
Und
froh betrat ich meine
winterkalten Steige,
Mit
festem Schritt den
Erdenweg zu enden . . .
zurück
Entsagung
Vergib
mir, Herr, mein
trauerndes Gesicht,
Dem
du zuvor die Anmut
eingeschrieben;
Du
gabst die heitre Stirn,
doch gabst du auch
Die
Tränen – sie allein
sind mir geblieben.
Man
neidet sie mir nicht,
und doch sind sie
Vielleicht
das beste Teil;
mein junges Wähnen
Und
meine Blumen, Herr, gab
ich zurück.
Es
blieb mir nichts, als
nur das Salz der Tränen.
Die
Blumen sind dem Kind,
der Frau das Salz;
O
mach daraus der Unschuld
klare Fluten!
Und
hat das Salz die Seele
rein geklärt,
So
gib dem Herzen neue
Andachtsgluten.
All
mein Verwundern hab ich
schon durchlebt,
Mein
Abschied ist getan,
mein Herz bereitet,
Den
Früchten nachzugehn,
die Tod mir stahl,
Und
dreist in unbekannte
Nacht geleitet.
O
Heiland! sei den andern
Müttern gut!
Erbarme
dich, aus Liebe zu
der Deinen.
O
taufe ihre Kinder in der
Flut
Von
unsern bittren Tränen,
und die meinen,
Die
stumm und starr zu
deinen Füßen liegen –
Erhebe
sie und laß
sieheimwärts fliegen!
zurück


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