 |
 |
 |
 |
|
lifedays-seite
moment
in time
|
|
|
04.2
Marceline
Desbordes-Valmore
Das
Lebensbild einer Dichterin
Zweiter
Teil: Gedichte

Vor
Dir!
Das
Schicksal hatte schon
dreimal die Runde
Im
Teppich meines Lebens
neu geflochten,
Drei
Jahre, die ein Dank zu
sein vermochten
Für
meiner Mutter
schmerzensreiche Stunde –
Als
deine dich gebar;
seitdem bestand
Von
dir zu mir ein
unsichtbares Band.
Das
wies mich durch die
Welt, nur dir entgegen,
Den
gleichen Pfad, den du
zu mir genommen:
Uns
hieß das Leben
zueinander kommen
Und
führte uns auf
vorbestimmten Wegen.
Wir
fanden uns, und du
erkanntest mich,
Dein
Auge war mein Himmel,
und ich liebte dich!
Es
stirbt die Nachtigall am
Übermaß der Lieder
Und
hinterläßt der Brut
doch nur das gleiche Los;
Als
meine Mutter starb, da
sah sie fassungslos
Auf
mich, ihr Kind, das
ihre Seele erbte, nieder.
Ihr
Blick sprach
Zuversicht, doch die besorgte Hand
Hielt
innig lange Zeit die
meine fest umspannt,
Als
suche sie vom Erbe, das
sie mir gegeben,
Mein
junges Sein befreiend
mit empor zu heben.
Und
lange, lange Zeit
beweint ich ihren Tod,
Trug
ihr Geheimnis, das ich
nicht zu deuten wußte,
Versiegelt
in der Brust und
litt gleich ihr und mußte
Gleich
ihr, die Stirn
gesenkt, bedrängt von bittrer Not,
Die
allzu viele Liebe tief
in mir bewahren:
Ich
hatte noch kein Lied,
mein Leid zu offenbaren!
Sein
schwaches Schlagen,
das der Zeiten Maß
Nur
zögernd wiedergab,
verriet, wie wenig Leben
In
diesem Herzen war; und
wie ein Kind, das eben
Halb
eingeschlummert über
seinen Büchern saß,
Hielt
meine Hand mein
Schicksalsbuch verschlossen;
Mein
schwarzer Gürtel meine
dunkle Trauer band
Mich
an der Mutter Grab –
was hatte noch Bestand?
Die
Welt war groß und leer;
es fehlte ihr die Stimme,
Die
einzige, die das wüste
Lärmen und Gebraus
Zur
Heimat machte; nein! die
Welt war nicht mein Haus!
Ich
scheute ihr Gesetz, ihr
Urteil, ihre schlimme
Verlockung
und Bedrohung –
und von Angst gehetzt
Fand
ich das Wort, den Ruf,
das laute Lied zuletzt!
Doch
als du sprachst: „Ich
komme!“ welch Geläute.
Verscheuchte
da den Schlaf
aus meinem Blick?
Mit
gleichem Arm umschlang
uns das Geschick
Und
trug uns hoch empor:
mein Herz, das heute,
Noch
müd gewesen war und
ohne Halt,
Es
blühte auf und hatte
nicht mehr kalt.
Gleich
matter Blume, die im
Licht von oben,
Ganz
ohne Stütze, ohne Halt
und Pfahl,
Nur
an dem Sonnenkuß, dem
rosigen Strahl,
Sich
aufwärts reckt, ward
ich von Glut erhoben. –
Und
daß du aus den
Höhen kamst – so tief!
Das
war, weil meine
Hoffnung dich auf Knieen rief!
Dann,
seit dein Wille mich
ergriffen hatte,
Warst
du mein Himmel, meine
Religion,
Und
schweigend, nenn ich
Bruder dich und Sohn
Und
meine Seele, mein
Gebet, mein Gatte.
Du
wirst es niemals wissen,
du, wie weit
In
dich hinabgreift meine
Innigkeit!
Und
würdest du vom Tode mir
entrissen –
Ich
fände dennoch Augen,
dich zu sehn,
Und
Rufe, Tränen, die ins
Dunkel flehn,
Und
Helligkeit und Sieg für
Hindernisse!
O
selige Mutter, die als
Kind dich kannte
Und
schützend ihren Arm um
deine Jugend spannte!
Sei
nicht besorgt, siehst
du mich schweigend und versonnen
Dich
meiden; meine Liebe
sinnt – und sehnt sich oft,
Und
brächt es mir auch Tod:
die Seele träumt und hofft
Und
hat schon manche Frage
heimlich fortgenommen.
So
höre diese: als du
damals mich erwählt –
Hast
du dich mir auf Tod
und Leben anvermählt?
Hast
du so Ewiges gefühlt?
– O sag mir’, sage!
Denn
sieh, aus allen Tiefen
fragt dich meine Frage.
Ich
möchte, dir zur Lust,
ein ganzes Weltall sein –
Und
bin doch nur ein Weib
und trage mehr an Jahren
Als
du. So bitt ich dich,
laß es mich nie erfahren,
Daß
du’s empfindest, nein
sei gütig, wehr dem Schein:
Ich
weiß dir Dank dafür und
will beim Schicksal werben,
Daß
es mir gönnt, vor dir –
vor deinem Tod – zu sterben!
zurück
Brief einer Frau
Da
du
es bist, der unser
Bündnis neu verknüpfen will,
Da
du
es bist, der fleht:
„Sei lieb, sei treu! –„
So
höre still:
Der
Schwur, der das, was
süßer Traum sich malt,
Im
Brief verspricht –
Da
man den Schwur mit
tausend Tränen zahlt,
So
schreib ihn nicht!
Gleichwie
die Landschaft,
ist der Sturm vorbei,
In
Sonne ruht.
Sei
unser Auge hell, die
Stirne frei
Und
froh und gut.
Noch
scheucht von meinem
Weg
dein liebes Wort
Die
grauen Sorgen,
Doch
sage nicht „auf ewig!“
fort und fort,
Sag
nur „auf morgen!“
Die
hehren Tage, rein und
anmutvoll,
Die
blumigen Tage, -
Die
schweren Tage, wild und
dornenvoll,
Durchschrillt
von Klage –
Nicht
dieses Bild, das
schmerzt, lähmt und erstickt!
Komm,
sieh nicht hin;
Nein,
Zuversicht, die
kindhaft vorwärts blickt,
Trägt
mehr Gewinn!
Ach,
könnt es sein, daß
neues Leben sich
Erschließen
würde,
Um
anders zu verketten dich
und mich –
Und
ohne Bürde –
Hier,
dieses Wort, das
wahrste Wort von mir,
Dir
fliegt es zu,
Heut
abend wacht ein Weib
und träumt von dir,
Komm,
nimm mich, du!
zurück


|
lifedays-seite
- moment in time |
|
|
 |
 |
 |
 |
|