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Literatur


04.2

Gedichte

Friedrich Raßmann






Zuruf

Ragen vor dir schroffe Felsen,
Wandrer, klimm‘ hinan!
Wehren deinem Schritte Fluthen,
Wandrer, schwimm‘ hindurch!

Ob ein Stein, herniederrollend,
Dich vielleicht verletzt,
Grüne Nixen nach dir haschen;
Wäg‘ im Busen nicht.

Einmal auf des Felsens Scheitel
Stehn, und hinter sich
Wogen schauen, stählt, wenn wieder
Herdräut Fels und Fluth.

Der nur heißt Genoß der Götter,
Wer das Hinderniß,
Lerna’s zweite Hyder, bändigt:
Knie‘ ihm, Alltagsmensch!

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Das Gärtnermädchen

Ich ließ ein Thränlein rinnen,
Das Thränlein ward zur Thräne,
Die Thrän‘ ein Thränenstrom.

Denn als ich trat in Garten,
War meine beste Rose
Von Diebeshand gepflückt.

Doch fand ich in der Blätter
Umhüllung noch ein Knöspchen:
Das Knöspchen schloß sich auf.

Da ward der Strom zur Thräne,
Die Thräne ward zum Thränlein,
Und auch das Thränlein schwand.

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Textgrundlage: „Sommerfrüchte“, Friedrich Raßmann,
Münster 1811, Bucheinband N. Depping, Münster

Sammlungen uni-münster

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