|
|
|
|
|
lifedays-seite
moment
in time
|
|
|
04.2
Gedichte
Joseph
Roth
aus:
Collection
Emigration
Lied
des Todes
Alles Leben ist Lüge,
Wahr
bin nur ich allein,
Finde
nun, Herz, Dein
Genüge,
Schlafe,
schlafe nun ein.
Ich
war Dein erster
Begleiter
Und
werde Dein letzter sein,
Die
Menschen eilten weiter,
Ich
liess dich nie allein.
Sie
alle kränkten dich
stets aufs neu,
Ich
stand nur still
beiseite,
Sie
gingen alle, ich blieb
treu,
Ergib
Dich mir nun heute.
Lieb
mich und meine sanfte
Macht,
Du
bist mir ja bestimmt.
Das
Leben hat dich müd
gemacht,
Schlaf
ein, schlaf ein,
mein Kind.
Ich
und Deine Mutter
lauschten
Deines
Herzens erstem
Schlag,
Blut
und Blut
zusammenrauschten,
Herz
an Herz gebettet lag.
Sie
war Anfang, ich bin
Ende
Und
dazwischen littest Du.
Gib
Dich nun in meine
Hände,
Finde,
Seele, Deine Ruh.
zurück
Lied
der ungeborenen Kinder
Wir sind nur ein leises
zartes Wehen
Ihr
könnt uns nicht sehen
Wir
sind nur Gedanken und
leichter als Hauch
Aber
wir leben auch.
Wir
sind nie gewesen, wir
durften nicht sein
Nur
Wünsche sind wir, nicht
Fleisch und nicht Bein
Eure
innigsten Träume waren
wir mal
Und
sind jetzt Eure Qual.
Wir
schweben um Euch als
leichter Duft
Ihr
greift nach uns und
greift die Luft
Wir
sind gar nicht da und
Ihr könnt uns nicht fassen
Ihr
müsst uns hassen.
Nur
in manchen Träumen
fangt Ihr uns ein,
Dann
liegen wir an Euren
Herzen
Und
träumen lächelt Ihr der
Schmerzen
Und
denkt nicht der Qualen,
die wir Euch gemacht,
Bis
Ihr erwacht.
zurück
Sonntag
auf dem Dorfe
Die
Engel nahmen weichste
feinste Seide
Und
spannten über uns das
blauste Baldachin
Heut
sind die Wiesen
frommer Augen Weide
Gott
atmet Kühlung drüber
hin.
Die
Glocken, müd geläutet,
schweigen nun
Und
in den Ställen
schlummert satt das Vieh
Gott
will, dass seine
Kinder heute ruhn
So
tat auch er nach einer
Woche Müh.
Die
Sonne hält uns sanft in
ihren Armen
Wir
träumen Seligkeit in
ihrem warmen Glanz
Sie
wiegt uns ein in
zärtlichstem Erbarmen
Wir
sehn im Traum der Engel
Sonntagstanz.
Wir
schlafen tief und mit
uns schläft die Welt
Gott
hat die Sonne längst
zu Bett gebracht
Und
weckt den Mond, der ihm
die Nacht erhellt
Dieweil
er uns bewacht.
zurück
Die
Ketzerin
Und
als es stille stand,
ihr Herz,
Das
beten nie gewollt,
Da
flog die Seele
himmelwärts
In
einer Wolke von Gold.
Weit
tat sich auf das Himmelstor,
Die
Seele trat hinein,
Willkommen,
sang der Engel
Chor,
Willkommen
sollst Du uns
sein.
Und
in den Wolken kündet’s
sacht
Ein
warmer holder Schein,
Die
Seele stand vor Gottes
Macht
Und
schluchzt in sich
hinein.
Und
Gott, der misst nach
seinem Mass,
Haucht
sich in sie hinein,
Die
ihn auf Erden nicht
besass
Darf
ewig bei ihm sein.
zurück
Die
junge Mutter
Ich
liebe meinen gesegneten
Leib,
Hülle,
die dich
umschliesst,
Leben,
du zartes, mit
Nerven und Adern,
In
die sich mein Blut
ergiesst.
Tritt
mich ins Herz, holdes
Werden,
Kleinod,
geliebtes, ich
frage mich,
Wie
gross wäre der Schmerz
auf Erden,
Den
ich nicht lächelnd
ertrüge um Dich?
Schwesterlich
nah ich dem
trächtigen Tier,
Sanftäugige
Kuh mit
beladenen Flanken,
Fühlst
Du das Kälblein
wachsen in Dir?
Sag,
hast Du Gedanken?
Ich
denke Tag und Nacht an
mein Kind,
Hielt
ich’s doch schon,
könnt ich es küssen.
Ob
wohl andere Mütter auch
so sind?
Gern
möchte ich’s wissen.
Kindlein,
ich hab dir so
viel zu sagen,
Kannst
Du mich hören,
kleiner Vertrauter?
Stark
bin ich jetzt, kann
für Dich alles wagen,
Klopf
kleines Herzlein,
lauter und lauter.
Liegst
Du gut in mir? Bist
Du warm?
Hast
Du Platz zum Dehnen
und Strecken?
Möchtest
Du schon in meinem
Arm,
An
meiner Brust Dich
verstecken?
Wachs,
Winziges, werd
kräftig und gross,
Iss,
trink von mir, alles
ist Dein.
Noch
ist Deine ganze Welt
mein Schoss,
Kindlein,
noch bist Du ganz
mein.
zurück
oben
|
lifedays-seite
- moment in time |
|
|
|
|
|
|
|