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Literatur


04.2


Gedichte

Franziska Stoecklin
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Seele

Sieh, meine Seele ist wie eine Taube,
So leichtbeschwingt und weiß und federweich.
Und ganz erfüllt von Zärtlichkeit und Glaube.
Ein lichter Bote aus dem höhern Reich.

Und meine Seele ist wie eine Wildnis,
Wo Geister lauern, Dunkles sich versteckt.
Doch hütet sie zu tiefst das reine Bildnis
Der Taube, die kein Schmutz und Sünd befleckt.

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Blumen

Ich lag in Schmerz und dumpfem Fiebersehnen.
— Da legte jemand Blumen auf mein Bette —
Die lösten meine Freude bis zu Tränen,
Als ob ich Blumen nie gesehen hätte.
 
Ich trank ihr Duften, streichelte sie innig,
Und war so froh mich liebend zu verschwenden.
Dann hielt ich sie ganz fest und fromm, und minnig.
Da blühten sie aus meinen eignen Händen.


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Andenken

Wenn der Abend so wunderbar blau und dunkel
In den Bäumen hängt,
Der runde Mond fern und golden über der Erde schwebt,
Bist du mir nah.
 
Deine schmalen Hände behüten mit inniger Sorgfalt
Die Reliquien unserer Liebe,
Zarte Gebilde süßer Erinnerungen.
 
Leise öffnet sich das Fenster.
Meine Augen folgen den Sternen,
Aber unfaßbar ist alle Ewigkeit,
Angefüllt mit Schauer und den Fragen nach Verstorbenen.
Dem stillen Weinen ungeborener Kindlein.
 
Von Unendlichkeit verwirrt,
Sinke ich an das braune Kreuz des Fensters.
Leise bete ich deinen Namen.
 
Ich weiß dich im einsamen Zimmer,
Träumend bei einer Kerze.
Um deinen Mund ein todnahes Lächeln.


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Der Spiegel
 
Wie viele Bilder sind in dir gefangen,
Du hoher, alter, goldgerahmter Spiegel.
Wie viele Lächeln blieben in dir hangen.
Wie viele Eitelkeiten schweigt dein Siegel.
 
O tausend Blicke, die in dir versunken.
O Hände, Leiber! Die in dir verborgen.
O all die Ängste, die du eingetrunken
Von schönen Frauen, die sich alternd sorgen.
 
Ich ahne doch ganz angefüllt mit Dingen.
Ich fürchte oft, dein Glas müsse zerspringen
Vom ewigen Verhalten deiner Träume.
Doch du bist tiefer als die tiefsten Räume.


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Seiltänzer
 
Sie fahren immer noch von Dorf zu Stadt
In einem langen, grauen Wagen.
Und manchmal sieht man Angst und Hunger
In den stolzen Angesichtern nagen.
Am Wagenfenster lächelt
Das Artistenmädchen, fern und matt.
 
Doch in den warmen Sommernächten,
Im Federbarett und im Flitterkleid,
Da steigt der junge Tänzer auf das hohe Seil,
Und immer schneller schwebt er, schmal und steil,
Umstrahlt von geisterhaften Lichtern ..
Der Kinder Engel, über allem Erdenleid.

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Trauriger Tag im Winter

Der Himmel hängt bleich über der kalten Erde.
Frierende irren wir durch entlaubte Alleen.
 
Am Ufer füttern wir die weißen Möwen,
Hungrige Tiere mit weichem Brot.
 
Im Armenhaus verwelken die Freudenmädchen,
Verfallen Gesichter, im Mitternachtsweinen.
 
Auf den Sternen betet man für uns Tote.

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Wenn der Mond groß ist
 
Wenn es Abend wird, fällt mir dein Lächeln ein,
Schwarzer Engel, der meine Träume umnachtet.
 
Im Herbst saßen wir oft auf den Bänken am Strom,
Stille Kinder, in der abendlichen Sonne.
 
Wenn dann deine Hand zärtlich über mein Haar strich,
O wie freute sich da die Seele.
 
Seitdem sind traurige Jahre vergangen,
Ängste und Wahnsinn, zerfallene Abende.
 
Wenn der Mond groß ist, betet mein bleicher Schatten
In deinem Zimmer verlorene Tänze.


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Sternenlied

Es rauschen die Bäume,
Es golden die Sterne
Am nachtblauen Himmel.
Wir warten auf Träume.

Jetzt wagen wir leise
Die kleinen Gebete.
Gott mög uns behüten
Zur nächtlichen Reise.

Es golden die Sterne
Im einsamen Weiher.
Ein Mondvogel irrt noch
In nachtblauer Ferne.
 

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