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Literatur


04.2


Gedichte

Franziska Stoecklin
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Schweigen der Nacht

Die Nacht trägt gar ein stilles Kleid,
Aber in seinen Falten wacht das Leid.
Die Nacht ist voll Ruhe und wie ein Grab.
Vor Dunkelheit sehn wir keine Klippen.
Jetzt wirft einer sein Lächeln ab,
Und sehnen Frauen mit durstigen Lippen.
Jetzt entfällt meinen Kinderhänden das Ziel
Jetzt schweigen alle — nur der Tod spricht viel.

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Morphina

Im Traume fand ich dich,
Mädchen, in mondener Nacht
Kamst du mir zögernd entgegen.
Auf deiner Stirne träumte ein Stern,
Deine kleinen Schritte klangen wie Glas,
Um deinen Mund ein überweltliches Lächeln.
Deine schmalen Schultern froren im Wind.
Ich umschlang dich, deinen eisigen Körper.
Schwester! wie lange bist du gestorben ...
Wir sanken, wir fielen.

Mohn umblühte unser Sterben.
 

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An den unsterblichen Geliebten

Meere sind zwischen uns und Länder und Tage.
Aber ich weiß,
Du wartest auf mich
Jetzt und immer.
Wissend und gut.
Meere sind zwischen uns und Länder und Tage.
Ich sehne mich nach dir,
Nach deinen sanften Händen,
Nach deiner frommen Schönheit,
Nach deiner klugen Güte.
O ich sehne mich nach dir.
Alles, was ich habe, will ich dir schenken,
Alles was ich denke, will ich dir denken,
Ich will dich lieben in allen Dingen,
Meine schönsten Worte will ich dir singen,
All meine Schmerzen und Sünden will ich dir weinen.
Meiner Seligkeit Sonnen werden dir scheinen.
Was ich bin, will ich dir sein.
Meine Träume sind voll deiner Zärtlichkeit.
Mein Blut singt süß deine Unendlichkeit.

Weiße Seele
Unsterblich Geliebter.
Du blühst sehr wunderbar
Im Gestirn meiner Liebe,
Im Schauer meiner Ängste,
Im Lachen meines Glücks.
 
Du blühst sehr wunderbar
Im Gestirn meiner Liebe.

 

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Tod der kleinen Schwester
 
Die Nacht braust um mich ihr schwarzes Lied,
Dabei tickt immer an die Scheiben der Regen.
 
O die Nacht mit ihrem bösen Gesang . . .
 
Jetzt stöhnt neben mir die kleine Schwester,
Weil ihr ein finstrer Mann
In den weißen Traum steigt.
 
Über Wolkenwälder wallt der Mond.
Sein Licht fließt in mein Zimmer
Und erzählt von den Toten,
Die da oben
Ihr Schattendasein führen.
Und wie sie mit furchtbaren Händen
In die Stunden der Lebenden greifen.
 
Jetzt hat der finstere Mann die kleine Schwester erwürgt.
 
O die Nacht mit ihrem bösen Gesang . . .
 
Ich will sie auf eine Wiese tragen, die ohne Ende.
Ich will sie in den weiten Mantel hüllen,
Damit sie keiner ahnt,
Damit sie keiner anrührt,
Will ich sie in die stillste Erde tun.
 
Nur die schmalen Engel werden dabei sein,
Mit ihren Strahlenlichtern,
Und das Lied von den Gärten Gottes singen.
 
O das Totenfest meiner kleinen Schwester . . .


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Angst

O wie ist diese Nacht so schwer,
Und wie hangen die Wolken so tief.
Warum stöhnen die sanften Tiere,
Bluten laubdunkle Bäume,
Seufzt in jedem Winkel der Tod?
Wo sind die blassen Engel geblieben
Und die zittergoldenen Sterne?
Ist Gott gestorben?
O, diese Nacht ist tausend Jahre schwer.
 
Auf der Brücke geht noch mit hastigen Schritten ein Mann.
Er wird zu spät kommen —
 
In der Mansarde salbt der junge Priester
Den Mund der Sterbenden.
Eine schwarze Blume wächst furchtbar in ihre Fieber,
Aber selig umglänzt der Mond ihre Wangen.
 
In meinem Zimmer knistert die Kerze.
Schmächtige Schatten steigen aus den Wänden:
Leben, die ich gelebt habe und vergaß.
Ein Gesicht weint lange in meinen Händen.


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Im Traum

Ich ritt auf einem schwarzen Pferde
Durch die Nacht.
Ich ahnte nicht,
Daß das so stolz und traurig macht.
Ich war ein junger Edelmann,
Und hatte goldene Kleider an.
Doch auch der Sterne reiche Pracht.
Sie konnte mich nicht trösten.
Ich wußte nicht, woher ich kam.
Ich wußte nicht, wohin ich ritt.
Ich wußte nur, daß ich unsäglich litt.
Die Bäume und die Steine um mich waren fremd.
Und meine schweren Kleider
Froren wie ein Totenhemd.
Ich kannte meinen Namen nicht mehr,
Nicht mein Schloß.
Sehr weit schien mir ein Wunderbares,
Und versunken.
— Einmal hab ich doch auch mit Menschen
Schmerz und Lust getrunken? —
 
Jetzt bin ich mir so fremd und unenträtselt
Wie mein Roß.


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Seele der Liebenden

Einmal schon liebte ich dich
Und das Meer, das Meer.
Doch lichter waren damals
Die Seelen, ungetrübt
Von dunklen Taten.
Es sangen unsere Liebe
Strahlend die Sterne,
Und das Meer, das Meer.
Wieviel hundert Jahre
Sind seitdem vergangen,
Wieviel Leiden und Tode
Und Sterne. Wo blieben
Die Seelen so lange?
Wir halten uns schweigend
Die schauernden Hände.
Wir blicken uns tief
In die fragenden Augen.
Noch singen die Sterne
Und das Meer, das Meer.
Aber unfaßbar ewig
Ist die Vergangenheit
Der menschlichen Seele


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Schwertlilien

Das sind die Blumen, die wie Kirchen sind.
Ein Blick in sie hinein zwingt uns zu schweigen.
Wie Weihrauch fromm berauschend strömt ihr Duft,
Wenn wir uns zu der schönen Blüte neigen.

Sie sind wie Schmetterlinge dünn und zart.
Und wissen ihr Geheimnis doch zu hüten.
Es hellen goldne Kerzen sanft den Pfad
Ins Allerheiligste der Wunderblüten.


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Der Tänzer

Du stehst,
Eine steile Fackel.
Hell ist dein Gesicht.
Rein
Wie eine Blüte,
Wie eine Taube,
Wie neugefallener Schnee.
 
Leise rühren sich die Finger,
Heben sich die Hände,
Breiten,
Weiten sich die Arme
Der Unendlichkeit.
Langsam,
Schwer von Demut,
Leiden,
Inbrunst,
Neigt sich
Dein verzückter Körper,
Deine Seele.
Gibt sich gläubig der Musik.
Gibt sich allen Menschen.
Gibt sich Gott.
Innig biegen sich die Knie,
Schreiten,
Tanzen schwebend
Deine zarten Füße.
 
Du brennst,
Eine steile Fackel.
Deine Arme,
Deine königlichen Hände
Wachsen betend,
Betend in den Himmel,
Der sich strahlend
Unserer Sehnsucht
Öffnet.


 
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Wir wollen uns immer die Hände reichen

Wir wollen uns immer die Hände halten,
Damit unsre Seelen nicht in den kalten,
Notvollen Nächten einsam erfrieren.
 
Wir wollen uns immer tiefer finden,
Damit wir uns nicht wie die armen Blinden
Im schwarzen Walde traurig verirren.
 
Wir wollen uns immer die Hände halten,
Damit wir uns nicht zu tief in die Falten
Des unendlichen Lebens verlieren.

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